Hinter den modernen Lichtsuppen-Fassaden der Unternehmen regiert häufig immer noch die alte Ideologie des industriekapitalistischen Taylorismus, der auch die Büroabläufe auf Fließband-Effizienz trimmt. Was an Freiheiten in Wirtschaftsorganisationen zugelassen wird, sind reine Simulationsübungen, um die Mitarbeiter bei Laune zu halten.
„Die Pauschalunterwerfung des Arbeitnehmers ist so groß wie eh und je“, bemerkt der Soziologe Dirk Baecker.
Früher sagte man, die Demokratie hört vor dem Fabriktor auf.
„Das hat sich nicht geändert“, bestätigt der frühere Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger im ichsagmal-Interview: „Selbst heute kann man als ‚abhängig‘ Beschäftigter nicht offen seine Meinung äußern.“
Wer etwa als Betriebsrat kontroverse Themen gegenüber der Geschäftsführung aufgreift, muss mit einer Kaskade von Demütigungen rechnen, wie eine Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung dokumentiert. Die ARD-Sendung „Die Story“ hat dazu einen sehenswerten Beitrag ausgestrahlt.
Auch wenn die Studie nur die krassen Auswüchse der Demontage von Arbeitnehmerrechten aufgreift, gibt es generell ein Demokratie-Defizit in Unternehmen. Mit dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Mitbestimmungsrecht wird man diese Gemengelage nicht ändern.
„Man muss Mitbestimmung anders diskutieren. Wir sollten im Grundgesetz das Recht eines mitarbeitenden Menschen auf Meinungsäußerung verankern“, fordert Sattelberger im Vorfeld der Next Economy Open in Bonn.
Was würde dann passieren?
„Ich habe verfassungsrechtlich verbriefte Rechte als Unternehmens-Bürger. Man braucht diesen Flankenschutz, um eine Demokratisierung in Unternehmen zu erreichen“, erläutert Sattelberger.
Wir erleben geradezu eine Explosion an neuen Möglichkeiten der Beteiligung durch die Digitalisierung, da kann die Wirtschaftswelt nicht hinterherhinken.
„Letztlich ist mehr Pluralismus und Unterschiedlichkeit in jeder Organisation gefragt, um auf das Konto der Wetterfestigkeit einzuzahlen“, betont Sattelberger.
Nur so würde man die geschlossenen Kasten der Eliten durchbrechen. Der Kybernetiker William Ross Ashby habe das schon vor längerer Zeit auf die Agenda gesetzt. Die Varietät und Komplexität einer Organisation müsse mindesten so ausgeprägt sein wie die Außenwelt.
„Nur so bleiben Unternehmen lebendig“, resümiert Sattelberger.
Wir werden das auf der Next Economy Open vertiefen zum Themenschwerpunkt “New Work”. Mehr dazu in meiner morgigen The European-Kolumne.
Siehe auch:
Warum flache Hierarchien nur die Fortsetzung des Holzwegs sind, schreibt Niels Pfläging.
Er plädiert für mehr Dezentralität. Stimmt. Aber auch das reicht nicht aus, wie Sattelberger trefflich darlegt. Es muss mit einer Demokratisierung der Unternehmen einhergehen.
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.
Hat dies auf Netzökonomie-Campus mit Käsekuchen rebloggt.