
Wir werden angeblich beherrscht von einer transnationalen Klasse der Superreichen. Genau diese Gemengelage nutzen die „postfaktischen“ Rassisten und Chauvinisten für ihre politischen Beutezüge aus.
“Spätestens in der global vernetzten Ökonomie ist ein kosmopolitischer Habitus kulturelle Voraussetzung – und so prägt das iconische Bild der gut ausgebildeten, kosmopolitisch orientierten Leute aus der Wissens-/ Kreativ-/ Digitalökonomie und auch der Finanzwirtschaft die Vorstellung. Aber sind sie deshalb gleich alle Elite – und überhaupt als soziale Formation erkennbar?”, fragt der Soziologe Klaus M. Janowitz in einem sehr lesenswerten Blogpost.
Wer von einer übermächtigen globalen und damit fast unangreifbaren Elite schwadroniert, ohne empirische Belege zu liefern, hinterlässt im politischen Kontext eine Menge Fatalismus.
Vielleicht helfen Fakten weiter und da lohnt der Blick in die Forschungsarbeit des Soziologen Michael Hartmann, die im Campus Verlag unter dem Titel „Die globale Elite“ erschienen ist. „Nur wenn die Topmanager der größten Unternehmen und die reichsten Menschen der Welt durch umfangreiche und kontinuierliche Erfahrungen außerhalb ihres Heimatlands einen eigenständigen Habitus ausbilden, der sich deutlich von dem ihrer auf nationaler Ebene verbleibenden Pendants unterscheidet, kann man von einer transnationalen Klasse oder Elite reden“, erläutert Hartmann.
In seiner Analyse hat er weltweit 20.000 Konzernchefs, Aufsichtsratsvorsitzende, Chairmen, Board Members und Milliardäre unter die Lupe genommen und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
„Im Durchschnitt stammt nur jeder zehnte CEO der weltweit größten und global aktivsten Unternehmen und ein etwas höherer Prozentsatz der Chairmen und übrigen Board-Mitglieder aus dem Ausland. Sogar nur ungefähr jeder zwanzigste CEO kann einen Studienabschluss einer renommierten ausländischen Business School oder Elitehochschule aufweisen. All das ist umso aussagekräftiger, als diese Prozentsätze sich auf die größten Unternehmen der Welt beziehen.
Weil die Inter- wie Transnationalität der Spitzenmanager umso stärker ausfällt, je größer die Konzerne sind, würden die Werte in dem Maß zurückgehen, in dem eine höhere Anzahl von Unternehmen berücksichtigt würde.“
Wenn es eine globale Wirtschaftselite oder gar eine globale Elite unter Einschluss der einflussreichsten Politiker und Mitglieder der anderen Eliten nicht gibt, dann eröffnet das nach Ansicht von Hartmann politische Handlungsspielräume.
Man braucht nicht auf die Einsicht der Superelite zu warten
Wer allerdings von einer einheitlichen weltweiten Superelite ausgeht, der kann angesichts der fehlenden Gegenkräfte auf globaler Ebene nur noch auf die Einsicht dieser Superelite oder auf das schmerzhafte Ende des neoliberalen Kapitalismus hoffen. Häufig gehe die Beschwörung globaler Eliten Hand in Hand mit der gleichzeitigen Feststellung, dass man dagegen nichts unternehmen könne. Wenn Wissenschaftler wie Wolfgang Streeck konstatieren, dass diese Eliten sich „keine Gedanken mehr über nationales Wirtschaftswachstum machen [müssen], weil ihre transnationalen Vermögen so oder so wachsen“ und sich mit ihrem Geld absetzen, dann verleitet das eher zu Endzeitszenarien als zu politischem Denken und Handeln.
Staaten können handeln
„Tatsächlich existieren für die Politik vielfältige Handlungsmöglichkeiten, diesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, zumindest in den größeren Staaten dieser Erde“, so Hartmann. Besonders, wenn es um die Plünderung der öffentlichen Sphäre geht. Etwa bei der Umgehung von Steuerzahlungen oder der Privatisierung von öffentlichen Gütern. „Der Kampf gegen Steuerflucht ist jedenfalls nicht aussichtslos, wenn ein politischer Wille da ist. Das belegt auch das faktische Ende des vor wenigen Jahren noch als quasi naturgesetzlich betrachteten Schweizer Steuergeheimnisses“, betont Hartmann.