Gesichtsmasken, gutes Unternehmertum , Röpke, Schumpeter und die Frage nach der Post-Virus-Ökonomie #NextTalk mit @rheintoechter und @winfriedfelser

Wenn es um die Bewältigung von Wirtschaftskrisen geht, setzen Wissenschaft und Wirtschaftspolitik in der Regel auf exogene Faktoren bei der Steuerung des Wirtschaftslebens. So wird das auch in Post-Corona-Zeiten ablaufen. Aber reicht das aus? Betrachtet wird der Wald – ignoriert werden einzelne Bäume. In der Theorielogik des Ökonomen Joseph A. Schumpeter (ja, ja lieber Lars, lieber Stefan, schon wieder der olle Schumpeter) existieren zwei theoretische und empirische Parallelwelten: der statische Kreislauf und das Innovationssystem. Darauf verweist auch der Soziologe Gottfried Eisermann in seiner Schumpeter-Schrift und in seiner Antrittsvorlesung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Jahre 1962 (!).

Ein Innovator zeichnet sich vor allen Dingen durch die Kunst der Kombinatorik aus. Innovationen entstehen eben nicht nur durch Erfindungen. Nachzulesen in: Schöpferische Zerstörung und der Wandel des Unternehmertums – Zur Aktualität von Joseoph A. Schumpeter

Während im statischen System Änderungen von außen angestoßen werden – beispielsweise über die Politik des billigen Geldes, über Subventionen oder Steuersenkungen – ist dies im sich entwickelnden System völlig anders: Entwicklung entsteht im System selbst, aus der Wirtschaft selbst heraus, endogen, sich selbst herstellend, sich unaufhörlich reproduzierend.

Die Außenwelt interessiert dabei nicht.

Die Ursachen der Entwicklung müssen „aus der Wirtschaft selbst erklärbar sein“, erläutert Schumpeter. Der technische Fortschritt fließt in der Mainstream-Ökonomie als reine „Datenänderung“ in die Analyse ein. Sozusagen ein unternehmerloser Automatismus.

Es dominiert das Routineunternehmen 

In diesem statischen Modell gibt es keine relevanten Unterschiede im wirtschaftlichen Handeln verschiedener Mitglieder einer Volkswirtschaft. In dieser Sichtweise dominiert das Routineunternehmen: 

„Es ist das Anwenden dessen, was man gelernt hat, das Arbeiten auf den überkommenden Grundlagen, das Tun dessen, was alle tun. Auf diese Art wird nie ‚Neues‘ geschaffen, kommt es zu keiner eigenen Entwicklung jedes Gebietes, gibt es nur passives Anpassen und Konsequenzenziehen aus Daten“, bemerkt Schumpeter. Es sind Protagonisten, die nicht in der Lage sind, mit Neuem zu experimentieren.

Ein Innovator zeichnet sich vor allen Dingen durch die Kunst der Kombinatorik aus:

„Nur dann erfüllt er (der Unternehmer) die wesentliche Funktion eines solchen, wenn er neue Kombinationen realisiert, also vor allem, wenn er die Unternehmung gründet, aber auch, wenn er ihren Produktionsprozess ändert, ihr neue Märkte erschließt, in einen direkten Kampf mit Konkurrenten eintritt.“

Die Neukombination beruht nur wenig auf Faktoren, die von außen einwirken. Das Ganze ist primär auch kein Preisproblem. Es liegt am unternehmerischen Können und Wollen. Das Problem liegt in der klassischen Sichtweise von Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftspolitik und Managementdenken: Ohne Neuerungen lassen sich zwar auch in der vorherrschenden Ökonomie-Lehre kurzfristig Wachstum und Beschäftigung erzeugen. Die Konsequenzen sind nach der Logik von Schumpeter für eine Volkswirtschaft allerdings fatal: INNOVATIONSARMUT ERZEUGT EINKOMMENSARMUT.

Soweit die Relevanz von endogenen Faktoren – auch in einer Krise.

Dann beschäftigt sich Schumpeter in seiner Bonner Zeit – also in den Jahren 1926 und 1927 – mit der Auswirkung von exogenen Faktoren. Aber nicht wie die klassische Wirtschaftswissenschaft. Es geht um psychologische Faktoren, die zu Auswirkungen auf die Konjunktur führen. Darauf verweist Wilhelm Röpke in seinem Opus „Krise und Konjunktur“, erschienen 1932. Also eine erste Analyse der Weltwirtschaftskrise von 1929. Röpke, der später zum Beraterkreis von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard gehörte, reiht Schumpeter in die psychologische Schule der Konjunkturtheorie ein (gemeinsam mit Pigou und Lavington). Er betont die Wichtigkeit von Stimmungen und mentalen Epidemien, die zu einem wirtschaftlichen Absturz führen können – etwa bei „spekulativen Ausschreitungen“ an der Börse.

Ausführlich in meinem Beitrag nachzulesen für den Band „Schöpferische Zerstörung und der Wandel des Unternehmertums – Zur Aktualität von Joseph A. Schumpeter“

Die Mangelhaftigkeit der wirtschaftlichen Informationen und die Unsicherheit der Zukunft bieten nach Ansicht von Röpke einen breiten Spielraum für bloße Vermutungen und unbestimmte, stark gefühlsmäßig gefärbte Prognosen und damit für Irrtümer aller Art. Hier gelte das Wort eine griechischen Philosophen, dass nicht die Tatsachen die Handlungen der Menschen bestimmen, sondern die Meinungen über die Tatsachen.

Narrative Economics nennt sich das heute und ihr prominentester Vertreter ist Nobelpreisträger Robert Shiller.

Die Verknüpfung der psychologischen Schule der Konjunkturtheorie mit anderen Disziplinen, wie der Geld- oder Preistheorie, sei die eigentliche Herausforderung, schreibt Röpke bereits 1932. Die eigentliche Aufgabe der Krisen- und Konjunkturtheorie sei es zu zeigen, „wie sich diese seelischen Vorgänge mit den realen Tatsachen des Wirtschaftslebens zu einem Gesamtzusammenhang verknüpfen, welche Verschiebungen sich auf diese Weise im Produktionsgefüge, in der Einkommenschichtung, im Banksystem und im Aufbau der Preise und Kosten ergeben.“ Das Seelische könne sogar eine aktive und selbständige Rolle spielen bei der Überwindung des toten Punktes in der Depression.

Genügend Stoff für den vierten #NextTalk.

Diesmal mit der Unternehmerin Birgit Eschbach. Am Dienstag, um 15 Uhr via Skype. Ihr könnt mitdiskutieren auf Facebook über die Kommentarfunktion. Oder auf Twitter mit dem Hashtag #NextTalk

Man hört, sieht und streamt sich im Netz 🙂

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