#Fundstücke Sitzen machen – Moderne Käfighaltung im Büro

Wir starten mit einer Reise in die Vergangenheit, in das Jahr 1961. Der Regisseur Billy Wilder zeigt in seiner Komödie „1, 2, 3“, wie der preußische Drill die Fabrikhallen verlässt und in die junge deutsche Dienstleistungsgesellschaft einzieht. Der Film spielt in der Westberliner Niederlassung von Coca-Cola. James Cagney spielt den Manager, der in einem riesigen Raum voller Schreibtische und Büroangestellten das Kommando führt. Bei seinem Erscheinen springen alle auf und nehmen eine militärische Haltung ein. Cagney brüllt: „Sitzen machen!“ und alle gehorchen.

Vergleichen wir das mit den Großraumbüros von heute. Damals saß ein Vorarbeiter vor den fleißigen Mitarbeitern, die unermüdlich an Schreib- oder Rechenmaschinen arbeiteten. Heute geht es vordergründig um bessere Kommunikation, Team- und Gruppenarbeit. Die 60er und 70er Jahre, als Großraumbüros populär wurden, waren eine Zeit, in der sozialwissenschaftliche Theorien am lebenden „Objekt“ getestet wurden. Ein Paradies für soziale Ingenieure, die nicht nur Arbeitsplätze optimieren wollten, sondern auch die Menschen selbst.

Die kleinen, mit halbhohen Sichtschutzwänden abgetrennten Arbeitseinheiten in Großraumbüros haben einen treffenden Namen: Raumzelle. Ein halboffener Strafvollzug, sozusagen. Wer nicht beobachtet werden will, muss sich ducken und am Schreibtisch sitzen bleiben. Die Insassen kontrollieren sich selbst. Manager betonen in Umfragen immer wieder die besseren Kontrollmöglichkeiten im Großraumbüro. Dazu kommt, dass Platz und Kosten gespart werden.

Eine Vielzahl von Studien belegt, dass sich die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser in dieser Atmosphäre gestört fühlen. Sie leiden unter Lärm, Ablenkung und ständiger Kontrolle. Das spielt in harten Zeiten wie diesen keine Rolle. Und wir sprechen hier nicht über die Ablenkung durch das Internet.

Das etablierte Management sieht die Arbeit der Belegschaft als Routine, bei der man sich nicht groß konzentrieren muss. Wer bei der Arbeit gestört werden kann, macht Arbeit, die nicht wertgeschätzt wird. Es ist Handlangerarbeit. Die wichtige Arbeit wird von leitenden Angestellten im Einzelbüro erledigt. Das ist ihr Privileg.

Hans-Peter Kohn kennt die Geschichte des Großraumbüros – egal mit welchen neumodischen Etiketten das versehen wird: Er weiß, welche Bedingungen Wissensarbeiter brauchen. Die Realität regt ihn auf. „Das Großraumbüro wurde in einer Zeit entwickelt, in der Wissensarbeit keine Rolle spielte. Das waren Galeeren, die da gebaut wurden und die in keiner Weise zur Produktivität beigetragen haben“, sagt er. Heute würden Büros wieder schlecht gemacht, weil alles nur noch im Namen der Kommunikation geschieht. Tatsächlich hätten Wissensarbeiter in einer offenen Bürolandschaft nichts verloren. Sie brauchen Konzepte für gemischte Bürowelten. Es geht nicht um Arbeitsplätze, es geht um eine Infrastruktur für die Wissensarbeit. Das wollen die Controller wahrscheinlich nicht hören.

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