Das Silicon Valley als Tal der Ideenlosen und die vierte Welle der Innovation in Europa @GabrielMariya @ronzhei1 @foresight_lab @AlexanderFink77 @DrLutzBecker1

Der Berliner Journalist Manfred Ronzheimer recherchiert wirklich sehr akribisch alles, was mit Innovationen, Zukunftsstrategien und wissenschaftliche Themen zu tun hat. Einige Recherchen breitet er auf seinem Facebook-Account aus.

Beispielsweise die Überlegungen von EU-Innovationskommissarin Mariya Gabriel nach ihrem Besuch im Silicon Valley. Dazu schreibt Ronzheimer:

Als EU-Innovationskommissarin Mariya Gabriel im Oktober 2022 das Silicon Valley besuchte, ließ sie sich von der Aufbruchstimmung an der US-Westküste durchaus in Bann nehmen, hatte aber zugleich die Botschaft aus der „Alten Welt“ im Gepäck, dass Europa willens sei, mit seinen komparativen Stärken in den kommenden Jahren die „vierte Welle der Innovation“ anzuführen. Diese vierte Welle werde unter dem Schlagwort „DeepTech“ die Merkmale der dritten Innovationswelle, der digitalen Revolution, mit physikalischen und biologischen Technologien kombinieren. Siehe auch ihre Veröffentlichung auf LinkedIn: My takeaways from my Mission to Silicon Valley: EU will lead the 4th wave of innovation.

In Europa wirbt Gabriel stärker denn je für das Ziel ihrer Innovationsagenda, 100 regionale Innovation Valleys zu schaffen. Wie dies funktionieren soll, dafür benutzte sie im November in einer Rede ein populäres Beispiel: „Ein Valley of Innovation ist vergleichbar mit einer Fußballmannschaft“.

So wie auf dem Sportplatz, handele es sich „um eine Gruppe von Personen, die zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen“, in diesem Fall um die Innovationsakteure der Region. Sie wollen ein „florierendes Innovationsökosystem“ aufbauen, das etwa Studenten und Unternehmer unterstützt, die innovative Start-ups in der Region gründen und ausbauen möchten. Als Akteure nannte Gabriel „Universitäten, große und kleine Unternehmen, Start-ups, Investoren und politische Entscheidungsträger“.

Zum konkreten Aufbau kündigte die EU-Kommissarin an, dass neben der Innovationssäule in „Horizon“ (ausgestattet mit 10 Milliarden Euro) auch andere Fördertöpfe wie der Kohäsionsfonds künftig für regionale Innovation genutzt werden sollen. In einem zweiten Schritt, so Gabriel, „werden wir bis zu hundert Regionen identifizieren, die sich verpflichtet haben, die regionale Koordination ihrer Innovation Valleys zu verbessern, um interregionale Innovationsprojekte durchzuführen“. Dafür werden aus „Horizon Europa“ 170 Millionen Euro zur Finanzierung von interregionalen Innovationsaktivitäten bereitgestellt.

Diese Mittel können etwa „für den Einsatz und die Demonstration von Deep-Technologien in realen Umgebungen, für Schulungen und die Entwicklung von Fähigkeiten oder für die Erstellung und Nutzung neuer Reallabore und Testbeds verwendet werden“, kündigte Gabriel für 2023 an.

„Genau besehen fangen die europäischen Innovation Valleys nicht bei Null an, sondern adaptieren frühere Ansätze, die unter anderen Bezeichnungen die Trend-Zyklen der Technologie- und Innovationspolitik durchlaufen haben. Dazu zählt das Konzept der ‚Regionalen Innovationssysteme‘ (RIS), das Technologieförderung mit regionaler Strukturentwicklung kombiniert, die unterschedlichen Cluster-Ansätze, die wissenschaftliche Kompetenzen in einer Region als Innovations-Stimulus für die vorhandenen wie auch neue Unternehmen einsetzten, bis hin zu den aktuellen Ansätzen von ‚Innovations-Ökosystemen‘, die auch die sozialen Innovationen und das Kreativitätspotenzial der Zivilgesellschaft einbinden wollen. Dieser Idee folgt auch die in Gründung befindliche „Deutsche Agentur für Transfer und Innnovation“ (DATI), die an bestimmten Hochschul-Standorte ein innovationsorientiertes Umfeld in Wirtschaft und Gesellschaft befördern möchte“, so Ronzheimer. Bislang ja eher ein Trauerspiel.

Vielleicht sollte man den Pfaden folgen, die wir in den vergangenen Jahrhunderten erfolgreich entfaltet haben. Also die Vorteile der Kleinstaaterei im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation:

„In vielen deutschen Regionen gibt es jahrhundertealte Kompetenzen, die ihr Licht bis in die Gegenwart werfen. Heute spricht man von industriellen Ökosystemen. So wurden im Schwarzwald seit jeher Uhren gefertigt, was feinmechanische Fähigkeiten erfordert. Schließlich gilt die Uhrmacherei als ‚Schlüsseltechnologie des Industriezeitalters‘. Aus dieser Tradition sind in der Schwarzwaldregion mehr als 500 medizintechnische Firmen entstanden.“

Oder Firmen wie Bizerba auf der Schwäbischen Alb in der Lebensmitteltechnologie. Gleiches gilt für Göttingen. „Wieso findet man dort 39 Hersteller von Messtechnik? Die Erklärung liegt in der mathematischen Fakultät der Universität Göttingen, die über Jahrhunderte weltweit führend war. Eine dieser Firmen gehen auf Prinzipien zurück, die Carl Friedrich Gauss entdeckte. Der frühere Siemens-Vorstand Edward Krubasik bemerkte: ‚Deutschland nutzt die Technologiebasis, die bis ins Mittelalter zurückgeht, um im 21. Jahrhundert erfolgreich zu sein‘.“ Nachzulesen im Hidden-Champion-Opus von Hermann Simon.

In ihrer Session auf der Next Economy Open brachte Deepa Gautam-Nigge thematische Sonderwirtschaftszonen ins Spiel. Das würde sich gut ergänzen zum Ansatz von Hermann Simon. Denn zwischen den Themen und den Regionen gibt es ja teilweise sehr interessante Cluster. Deepa ist in der Unternehmensentwicklung von SAP tätig und bezeichnet sich als Mittlerin zwischen den Welten – sei es zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie traditionellen Unternehmen, Risikokapitalgeber und Start-ups. Herausgeberin des Buches EcosystemInnovation, erschienen im Haufe Verlag.

Ronzheimer verweist auf Facebook auf eine interessante Podiumsdiskussion mit Thomas Sattelberger, Ex-Telekom-CEO René Obermann, Business Angel Falk F. Strascheg, Teleclinic-Gründerin Katharina Jünger, Innosabi-Gründer Jan Fischer und Moderator Rainer Maria Jilg im Literaturhaus München: Gründerrepublik 4.0 – Sind wir auf dem richtigen Weg?

Und ob das Silicon Valley als Impulsgeber taugt, darf zumindest bezweifelt werden, wie der Spiegel in einer Story betont: Das Tal der Ideenlosen:

„Ein Vierteljahrhundert lang war das Silicon Valley Taktgeber der Weltwirtschaft. Börsencrash und Massenentlassungen trüben nun die Stimmung. Doch das wahre Problem liegt tiefer: Den Unternehmen fällt kaum noch etwas wirklich Neues ein.“

Die haben vielleicht die besseren Marktschreier. Aber dat ist nicht alles.

Siehe dazu auch.

Das wird das Thema meiner Februar-Kolumne für Haufe New Management.

Im Januar ging es darum: Schumpeter revisited: Die Kraft der kreativen Zerstörung

Kommentar Forschungen zeigen, dass Gegenden mit vielen kleinen, innovativen Unternehmen und Neugründungen, die etablierte Organisationen bedrängen und vom Markt fegen, langfristig erfolgreicher sind und mehr Arbeitsplätze schaffen und erhalten als solche mit wenig innovativen Unternehmen. Je mehr schöpferische Zerstörung des Etablierten, desto besser, meint Gunnar Sohn.

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