
Wolf Lotter von brand eins hat in der taz noch einmal einen schönen Rant über die Digitalisierung losgelassen mit einem Rückgriff auf den Computerpionier Joseph Weizenbaum, der bereits 1972 vor dem faulen Zauber der Großsprecher der Computertechnologie warnte. Weizenbaum hatte so einen herrlichen Berliner Humor:

“Der meiste Schaden, den der Computer potenziell zur Folge haben könnte, hängt weniger davon ab, was der Computer tatsächlich kann oder nicht kann, als vielmehr von den Eigenschaften, die das Publikum dem Computer zuschreibt.”
Die liebwerteste Gichtlingselite in Medien und Politik tut sich schwer, die Über- und Untertreibungen richtig einschätzen zu können. Wer ist denn nun eher digitaler Heizdeckenverkäufer und wer nicht?

Wer bleibt in der alten Logik des Schneller-Effizienter-Optimaler stecken und investiert eben nicht in eine qualitative Verbesserung des Lebens?
“Apple Education twitterte im Frühjahr 2018 etwa Folgendes: ‘Wenn Sie Programmieren unterrichten, bringen Sie Ihren Schülern gleichzeitig kritisches Denken und das Lösen von Problemen bei.’ Dabei wird stures Auswendiglernen, das Routinelernen, mit kreativem, individuellem Denken verwechselt, ein Klassiker, der aber im Zeitalter der Wissensgesellschaft gefährlich ist, die nicht nach der Logik der Industriegesellschaft läuft. Coden hilft beim kritischen Zweifeln und Finden origineller Lösungen ungefähr so gut wie Rosenkranzbeten gegen Rückenbeschwerden”, schreibt Lotter so trefflich. Wer mit irgendwelchen Gadgets oder Diensten umgehen kann, ist noch kein digitaler Gott. Dennoch kann man schon mit den dümmsten Kalenderweisheiten und mechanistischen Sprüchen auf Twitter oder Facebook punkten.
Wo der Glaube an Mechanismus groß werde, wird sogar Intelligenz selbst zur Frage der Technik, zu einem lösbaren mechanischen Problem, wie die kritiklose Bejubelung des Begriffs der künstlichen Intelligenz beweist. Die Forschung könne zwar die Frage, was Intelligenz ist, nicht annähernd beantworten, aber IT-Unternehmen bauen sie bereits in künstlicher Version in ihre Mobiltelefone ein. “Wer die Spracheingabe seines Smartphones für intelligent hält, beweist eigentlich nur, dass er selbst es nicht ist”, kritisiert Lotter. Zudem funktionierte die Sprachsteuerung schon vor rund 20 Jahren recht gut, interessierte aber die Sparfüchse im Kundenservice nicht die Bohne. Da setzte man lieber auf “Drücken Sie 1,2 oder 3 und verwesen für drei Stunden in der Hotline”.
Digitale Kompetenz ist häufig nur Konsumkompetenz, so Lotter. Es fehle an Zusammenhangswissen, dass sich nur durch kritisches Denken, also selbstständiges Erfahren, schulen lässt.
Siehe dazu auch: Digitale Innovationen oder eher Silicon Valley-Esoterik? @wolflotter und @thomasramge diskutieren
Jeden Montag gibt es wieder die liebwertesten Gichtlinge:
Die Atomfreunde erregten sich über diese Geschichte: