Auch griechische Helden bringen der Bundesregierung keine Kompetenz bei ihren ambitionierten Projekten in der Informationstechnologie. So das Mammutvorhaben der Bundeswehr mit dem martialischen Namen „Herkules“. Es ähnelt eher dem Stall des Augias, der ausgemistet werden muss.
Ein Bericht des Bundesrechnungshofes, den die Wochenzeitung „Die Zeit“ unter Einsatz des Informationsfreiheitsgesetzes ans Tageslicht brachte, lässt den Abgrund des technologischen Irrsinns von Bundesbehörden ahnen. Es ist ein Dokument des Scheiterns, wie die Zeit süffisant berichtet:
„Die Rede ist von verfehlten strategischen Zielen, Verzögerungen und dem Verzicht auf vertraglich vereinbarte Leistungen. Zudem habe die Truppe womöglich gegen das Vergaberecht verstoßen.“
Das Budget sei nachträglich ohne Ausschreibung erhöht worden. Was Siemens und IBM bei dieser öffentlich-privaten Partnerschaft mit einem Budget von rund 7,1 Milliarden Euro glücklich macht, könnte Konkurrenten auf die Barrikaden treiben – etwa mit einer Klage vor der Vergabekammer. Sie könnte das gesamte Vergabeverfahren wegen Formfehlern aufheben – nachträgliche Erhöhung des Budgets sieht die Vergabeverordnung nicht vor.
IT-Rohrkrepierer
Das Heldenepos ist aber wohl nicht nur juristisch angreifbar. In der Truppe häufen sich Beschwerden über ausgefallene Server, Netzwerkverbindungen, Drucker und Anwendungen.
„Die überwiegende Mehrheit der Herkules-Nutzer glaubt mittlerweile sogar, die Bundeswehr hätte ihre Computertechnik ebenso gut selbst erneuern und managen können“, so die Zeit.
Was vor sieben Jahren mit Vorschusslorbeeren startete, mutiert zu einem Rohrkrepierer – auch was die Abhängigkeit gegenüber den externen Anbietern anbelangt.
Nach Analysen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr verfüge das Militär nicht über umfassende Erfahrungen im Betrieb der stationären IT.
„Im Klartext: Die interne Expertise im Umgang mit den Computersystemen geht stark zurück. Stattdessen ist die Truppe nun dauerhaft auf zivile Unterstützung von außen angewiesen“, schreibt die Zeit.
Ein Fehler im System – nicht nur in der Bundeswehr. Statt IT-Spezialisten fest anzustellen und angemessen zu bezahlen, beauftragt man externe Berater mit satt dotierten Tagessätzen.
Berater moderieren Schuldfragen
Und die nisten sich in den Behörden wie Filzläuse ein – mit Tagessätzen von 1000 Euro und mehr. Besonders wenn aufwändige Technologie-Vorhaben des Staates aus dem Ruder laufen und in den Behörden das interne Gemetzel über Schuldfragen einsetzt, steigt die Laune der Consultants. Nachdem sie die Grabenkämpfe eine Weile beobachtet haben und wohlmöglich dem ein oder anderen pfiffigen Beamte einfällt, dass hochbezahlte Berater zur Problemlösung eingekauft wurden, ist das Allheilmittel schnell gefunden: Ein Projektbüro in der Behörde, das ist die Lösung! Um effizient handeln zu können, zieht mit dem Berater mindestens noch ein pickliger Junior-Consultant mit ein und gemeinsam erfreut man sich am behördlichen Dauerstreit, der die Honorar-Uhr glühen lässt. Im Grunde reduziert sich diese Form der Berater-Tätigkeit aus der Protokollierung des organisatorischen Elends – man nennt das auch Excel-Tabellen-Selbstbefriedigung. Was allerdings keine 1000 Euro Tagessätze rechtfertigt: Protokolle anfertigen ist selbst in Bundesbehörden originäre Aufgabe der Sekretariate.
Aus sichereren Quellen wurde mir das Ende eines solchen Elends glaubhaft versichert. Nachdem das Projektbüro mit den öligen Worthülsendrehern protokollierte bis die Finger wund und die Kassen voll waren, empfahl man der Behörde, das Projekt einzustampfen. Für das Aufsetzen eines gänzlich neuen Projektes stünde man natürlich gerne zur Verfügung. So etwas nennt man dann wohl einen Berater-Kreislauf. Wo das hinführt, beantworte ich morgen in meiner Kolumne für das Debattenmagazin “The European”.
Passt eigentlich ganz gut zu meinem Beitrag über die Digitale Agenda der GroKo.
Zu groß, zu kompliziert, zu optimisstisch! Herkules bestätigt alle Vorurteile gegenüber öffentlichen Großprojekten.
So ist es. Mehr dazu morgen auf The European.