Von technischer Präzision zur künstlerischen Vision: Konrad Zuse, Max Bense, Herbert W. Franke und die Computerkunst – Man hört, sieht und streamt sich in Berlin

In der Welt der Computergrafik offenbarte sich schon vor Jahrzehnten ein Paradox: Während in wissenschaftlich-technischen Bereichen ästhetische Gesichtspunkte oft in den Hintergrund treten, zeigte sich in der angewandten Kunst ein zunehmend kreativer Umgang mit digitalen Werkzeugen. Besonders deutlich wird dies in der Architektur und im Produktdesign, wo computergenerierte Modelle nicht nur die Präzision erhöhen, sondern auch neue Formen und Perspektiven ermöglichen, die über traditionelle Entwurfsmethoden hinausgehen.

Die Einsatzmöglichkeiten von Computer Aided Design (CAD) reichten weit über die reine Datenverarbeitung hinaus. Architekten und Ingenieure nutzen diese Technologie, um komplexe Baupläne und Maschinenteile zu entwerfen, die zuvor kaum realisierbar waren. Doch auch in der Werbebranche hat sich die Computergrafik als unverzichtbares Instrument etabliert, besonders beim Entwurf von Logos und Markenzeichen, wo Präzision und Wiedererkennungswert entscheidend sind.

Die Entwicklungen zeigen, dass die technischen Fortschritte in der Computergrafik auch den Raum für künstlerische Entfaltung erweitern. Veranstaltungen wie die jährlich in den USA stattfindende SIGGRAPH-Konferenz belegen dies eindrucksvoll. Hier treffen sich Künstler, Designer und Technologen, um die neuesten Entwicklungen in der digitalen Bildgestaltung zu diskutieren und auszustellen. Die dabei präsentierten Werke sind oft das Ergebnis von Experimenten, die sowohl technisches Know-how als auch kreatives Visionieren erfordern.

Die Zugänglichkeit von Computergrafik-Tools hat auch eine Demokratisierung dieser Kunstform bewirkt. Während früher vor allem Experten mit speziellem Equipment und tiefem technischem Verständnis solche Werke schaffen konnten, ermöglichen es moderne, benutzerfreundliche Programme nun auch Amateuren und Hobbykünstlern, eigene grafische Arbeiten zu erstellen. Diese Entwicklung wird durch erschwinglichere Hardware und Software sowie durch Online-Tutorials und Gemeinschaftsprojekte weiter gefördert.

Bereits in den 1960er Jahren wurden mit Geräten wie dem von Konrad Zuse entwickelten Graphomat die Grundlagen gelegt. Diese frühen Maschinen, die noch stark von den Prinzipien mechanischer Zeichenbretter beeinflusst waren, haben im Laufe der Zeit eine Evolution durchgemacht. Etwa bei hochmodernen Plottern und digitalen Drucksystemen.

Der Einsatz von Zufallsgeneratoren stellt einen weiteren spannenden Aspekt dar. Hierdurch wird nicht nur eine statistische Varianz in die grafischen Prozesse eingeführt, sondern es entsteht auch eine Form der Kunst, die sich durch eine gewisse Unvorhersehbarkeit und Originalität auszeichnet. Dies unterstreicht die Verschiebung von einer strikt regelbasierten zu einer mehr explorativen, experimentellen Nutzung der Technologie.

Die Computerkunst hat sich längst über Mathematiker und Programmierer hinaus verbreitet. Anfänglich skeptisch beäugt von vielen Künstlern, die technikferne Ausbildungen genossen, erkannten dennoch einige die Potenziale dieses neuen Mediums. Teams aus Künstlern und Programmierern formierten sich, während auch etablierte Maler und Grafiker begannen, Programmiersprachen zu erlernen, um ihre Ideen eigenständig umzusetzen.

Der Wendepunkt für die Computerkunst und ihr Durchbruch ereignete sich im Jahr 1968 mit der Ausstellung „Cybernetic Serendipity“ am Institute of Contemporary Arts in London. Diese Veranstaltung brachte führende Vertreter der Computerkunst zusammen und löste eine öffentliche Debatte darüber aus, ob Kunst, die aus dem Computer entsteht, als solche anerkannt werden sollte.

Ebenfalls 1968 fand in Westberlin eine wegweisende Tagung des Massachusetts Institute of Technology und der Technischen Universität Berlin zum Thema „Der Computer in der Universität“ statt. Dort wurde erstmals weltweit Computergrafik und manuell gefertigte Malerei aus dem Konstruktivismus gemeinsam präsentiert. Diese Ereignisse markierten eine Verbindung zwischen Computerkunst und Ästhetik, die in Europa zu einer Leitlinie der Entwicklung wurde.

In den folgenden Jahren gewann die Computerkunst an Anerkennung und wurde auch von Kritikern beachtet. Zahlreiche Ausstellungen wie die Biennale in Venedig 1970 und die Staatsgalerie Stuttgart 1972 widmeten sich der Computerkunst. Galerien wie die Galerie Franzius in München und Ausstellungen wie „Impulse – Computerkunst“ des Deutschen Goethe-Instituts trugen zur Verbreitung und Wertschätzung der computergenerierten Grafik bei.

Die Computerkunst erreichte ein breites Publikum und erweckte Interesse bei bisher unberührten Kreisen, insbesondere aus Wissenschaft und Technik. Internationale Gesellschaften wie die „Computer Arts Society“ in London förderten den Austausch unter Computerkünstlern. Veranstaltungen wie die CI T H Tagungen und die Canadian Computer Show Art Exhibitions etablierten die Computerkunst als feste Größe.

Der Einsatz des Computers in Verbindung mit einem mechanischen Plotter erwies sich als ideales Mittel zur Umsetzung konstruktivistischer Ideen. Die präzise Ausführung von Zeichnungen nach vorgegebenen Programmen entsprach dem konstruktivistischen Arbeitsprinzip. Die Arbeit mit Computern eröffnete neue Möglichkeiten, strukturelle Bereiche zu erkunden und komplexe Zusammenhänge darzustellen.

Die Computerkunst verlor mit der Zeit ihren spektakulären Charakter und etablierte sich als selbstverständliches Instrument in der Kunstwelt. Museen begannen, Computergrafiken ohne besondere Hinweise auf ihre Herkunft auszustellen. Die Verwendung von „Zufallsgeneratoren“ und statistischen Verteilungen in der Computerkunst erweiterte die künstlerischen Möglichkeiten und führte zu neuen kreativen Ansätzen.

Die Computerkunst fand weltweit Beachtung und wurde in verschiedenen Ländern wie Spanien, Brasilien und Argentinien aktiv gefördert. Seminare, Ausstellungen und Konferenzen trugen zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Computerkunst bei, während neokonstruktivistische Tendenzen und visuelle Forschung neue Impulse setzten. Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft durch den Computer eröffnete neue Wege für künstlerische Experimente und Innovationen.

Die Computerkunst hat sich als eigenständige und vielseitige Kunstform etabliert, die weiterhin kreative Köpfe aus verschiedenen Disziplinen inspiriert und fasziniert. Mit ihrer Präzision, Vielfalt und Innovationskraft bleibt die Computerkunst ein bedeutender Bestandteil der zeitgenössischen Kunstszene und zeigt, wie Technologie und Kreativität harmonisch zusammenwirken können.

Gute Gründe, um Anfang Juli nach Berlin zu kommen: art meets science – Foundation Herbert W. Franke kündigt den weltweit ersten „Generative Art Summit“ in Berlin an. Sie bringt Künstler der generativen Kunst aus der ganzen Welt zu einem generationen-übergreifenden Dialog zusammen. Ausgangspunkt dieser Veranstaltung über Kunst und Technologie ist Herbert W. Franke (1927-2022) mit seiner Werkserie „Oszillogramme“ ein Uervater der Computerkunst, die seit 1954 mit Hilfe eines von einem Studienfreund von Franke gebauten Analogrechners entstand. Sie gilt heute als Meilenstein der generativen Kunst. Diese reicht im 21. Jahrhundert inzwischen bis zur neuesten Generation des Internets, dem Web3, oder dem Einsatz Künstlicher Intelligenz.

Für den Gedankenaustausch über diese facettenreichen kreativen Gestaltungskonzepte hat die Stiftung über 50 Ehrengäste aus der ganzen Welt eingeladen, die aus der Kunst und der Forschung kommen sowie Museumsverantwortliche, große Sammler und Verteter von Blockchain-Plattformen, die generative Kunst heute vermarkten. Teil der Veranstaltung ist ein zweitägiges Konferenzprogramm am 3. und 4. Juli mit einer „Film Night“ am Abend des 3. Juli, präsentiert von Larry Cuba. Er zeigt die besten künstlerischen Computergrafiken aus dem 20. Jahrhundert. Am 5. Juli werden die geladenen Gäste zu einem Tagesausflug ins Schloss Wolfsburg eingeladen. Dort besuchen sie das Institut Heidersberger und werden als Preview durch die Ausstellung „Code – Kunst – Konstruktionen. Zur Geschichte der generativen Kunst“ in der Städtischen Galerie Wolfsburg geführt, die am gleichen Tag abends noch offiziell eröffnet wird. Die von Marcus Körber, Bernd Rodrian und Susanne Päch kuratierte Werkschau stammt aus der Stiftungs-Sammlung „Franke & Friends“. Abschluss des Festivals am 6. Juli ist die Abend-Performance „Sandfiction 4K: The Orchid Cage“ der Künstlergruppe Kaleidolux in der Akademie der Künste Berlin. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Herbert W. Franke. 

Meine Interpretationen von Werken des Künstlers ChrisW.

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