Ukraine, Lieferketten, Inflation, Personalmangel, Energiekosten: Berliner Roundtable zur Lage des Handels am 16. November – 13:30 Uhr #HKD2022

Roundtable am 16. November, um 13:30 zum Handelskongress in Berlin. Teilnehmer: Gunnar Sohn (Wirtschaftspublizist, Blogger, Moderator, Kolumnist, Dozent​); Dr. Jens Müller (Geschäftsführer Multivac Deutschland); Kai Hudetz (IFH-Köln Institut für Handelsforschung); Stefan Binkowski (SAP Retail & Consumer, Director Business Development); Babak Kharabi (Geschäftsführer Kodi). Nach zwei außergewöhnlichen Jahren in der Konsumgüterbranche treten nun große Probleme auf. Ukraine-Krieg, Lieferketten-Probleme, Rohstoff-Knappheit und Erhöhungen der Energiekosten wirken sich auf die Konsumausgaben aus. Wie geht es weiter? Gewinner und Verlierer der Inflation. Gewinnt online weiter? Erlebnisorientierung im stationären Handel (für viele Kunden nicht relevant. Barrierefreiheit und Schnelligkeit wichtiger). Selbst-Check-Out. Ohne Personal einkaufen 24-7-Supermärkte. #ConnectedRetail. Online-Shop-Strategien. Dramatischer Personalmangel (Employer Branding, Active Sourcing, Prämien, Kampagnen auf allen medialen Kanälen stehen auf der Agenda). 

Wir übertragen die Runde im Multistream via YouTube, Facebook, Twitter und Co. über meine Accounts:

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LinkedIn, Twitter und Twitch starten just in time. Über alle Plattformen könnt Ihr die Chat- und Kommentarfunktion einsetzen, um mitzudiskutieren. Unsere Software fängt alle Postings von Euch ein. Auf YouTube und Facebook könnt Ihr schon jetzt Eure Anmerkungen, Fragen und Meinungen kundtun.

Nachtrag: Jahresgutachten des Sachverständigenrates 2022. Wurde ja am 9. November vorgestellt. Die Aufregung über die befristete Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder die Einführung eines Energiesoli überlagerte ein wenig die vielen anderen wichtigen Kapitel im Opus für der fünf Wirtschaftsweisen. Beispielsweise die Analysen zu den geopolitischen Veränderungen. Und die betreffen ja auch den Handel. Kleiner Auszug:

Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten

Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist ein wichtiger Treiber für Wachstum und Wohlstand. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten wie kaum eine andere europäische Volkswirtschaft von der Liberalisierung des Handels sowie der wachsenden internationalen Arbeitsteilung profitiert. Zunehmende Abhängigkeiten stellen das handelsorientierte Wirtschaftsmodell Deutschlands jedoch insbesondere im Bereich der Energieversorgung und der Versorgung mit kritischen Rohstoffen vor neue Herausforderungen. Zudem setzen Drittstaaten Subventionen wettbewerbsverzerrend ein, wodurch der Bezug kritischer Rohstoffe aus alternativen Bezugsquellen unwirtschaftlich werden kann und Abhängigkeiten von diesen Drittstaaten entstehen können. Gleichzeitig wird die Wirtschafts- und Handelspolitik vermehrt durch geostrategische Überlegungen beeinflusst. Angesichts der geopolitischen Veränderungen, die sich etwa im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und dem angespannten Verhältnis zwischen einigen westlichen Volkswirtschaften und China manifestieren, stellt sich die Frage, wie die strategische Autonomie gestärkt werden kann, ohne die außenwirtschaftliche Offenheit einzuschränken.

Um Abhängigkeiten zu reduzieren und die Resilienz der Wertschöpfungsketten zu erhöhen, ist eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten dringend erforderlich. Dies liegt zuvorderst in privatwirtschaftlicher Verantwortung.

Der Staat könnte die Diversifizierung jedoch gezielt unterstützen. Strategische Allianzen mit Staaten, die europäische Werte und Prioritäten in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit teilen, können dazu beitragen. Gleichzeitig sollte weiterhin Offenheit für Partnerschaften mit Drittstaaten bestehen, nicht zuletzt in Bezug auf globale öffentliche Güter, wie etwa Klimaschutz oder öffentliche Gesundheit. Darüber hinaus können durch Ungebundene Finanzkredite langfristige Bezugsverträge für Rohstoffe abgesichert wer- den. Auch Investitionsgarantien für deutsche Unternehmen in Drittstaaten könnten die Diversifizierung unterstützen.

Abhängigkeiten lassen sich durch den Ausbau europäischer Produktionskapazitäten in strategisch wichtigen Bereichen reduzieren. Dazu gehört insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien und der heimische Abbau kritischer Rohstoffe. Zur Stärkung der strategischen Autonomie könnte außerdem die Lagerhaltung für Produkte von übergeordneter strategischer Bedeutung ausgebaut werden. Hierzu sollte die steuerliche Benachteiligung der Lagerhaltung abgebaut werden.

Geopolitischen Veränderungen sollte durch eine Stärkung europäischer Interessen und Werte begegnet werden. Das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Konzept einer Offenen Strategischen Autonomie bietet einen geeigneten Rahmen, um so autonom wie nötig, aber so offen wie möglich zu handeln. Protektionistischen Tendenzen und handelsverzerrenden Praktiken durch Drittstaaten sollte durch das erweiterte Handelsschutzinstrumentarium der Europäischen Union (EU) entschieden entgegengetreten werden. Zudem sollten im öffentlichen Diskurs die Vorteile demokratischer Grundordnungen hervorgehoben werden…..

Der gezielte Aufbau europäischer Produktionskapazitäten für Produkte übergeordneter strategischer Bedeutung kann angebracht sein. Im Bereich der Rohstoffversorgung würde dies etwa durch erweiterten Abbau verfügbarer Rohstoffvorkommen und den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht. Dazu sind ge- eignete Rahmenbedingungen notwendig, beispielsweise durch beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Stärkung des Energiebinnenmarkts. Darüber hinaus sollte die steuerliche Benachteiligung der Lagerhaltung abgebaut werden. Subventionen sollten als letztes Mittel der Wahl eingesetzt werden.

Schließlich hängt die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft maßgeblich von der Fähigkeit ab, mithilfe von Innovationen und neuen Technologien die Produktivität zu steigern und das Beschäftigungsniveau hochzuhalten (Aghion et al., 2005; JG 2019 Ziffern 134 ff. und Ziffern 146 ff.). Dafür sind innovationsfördernde Rahmenbedingungen, wie etwa Investitionen in Bildung und Humankapital, von herausragender Bedeutung….

Mit Blick auf die geopolitischen Spannungen bietet das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Konzept einer Offenen Strategischen Autonomie einen geeigneten Ausgangspunkt. Dieses Konzept verfolgt zum einen die Wahrung europäischer Ziele durch die Stärkung des Multilateralismus und erkennt zum anderen die Vorteile internationaler Kooperationen und der Arbeitsteilung an. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch Institutionen, wie zum Beispiel das europäische Wettbewerbsrecht, die garantieren, dass die für den Strukturwandel notwendige schöpferische Zerstörung nicht durch Interessen einzelner Staaten oder Akteursgruppen gebremst wird (Aghion et al., 2005; Acemoglu und Robinson, 2012). Das erweiterte Handelsschutzinstrumentarium der EU bietet außerdem neue Möglichkeiten, autokratischen Staaten zu begegnen, die den Einsatz unfairer Handelspraktiken billigen.

Ist die offene strategische Autonomie für Europa nicht eine Seifenblase?

Wie entwickelte sich noch mal die Fertigungstiefe in Deutschland seit Ende der 1960er Jahre. Die Deindustrialisierung setzte schon vor rund 60 Jahre ein und erreichte 1980 einen Schnittpunkt in Richtung Wissens- und Dienstleistungsökonomie. Wie soll das denn wieder verändert werden werden?

Hier noch ein super wichtiger Punkt im Gutachten:

Forschung und Entwicklung (FuE) sind zentrale Triebkräfte des technologischen Fortschritts (JG 2020 Ziffern 485 ff.). In den vergangenen 25 Jahren ist in Deutschland der Anteil inländischer FuE-Ausgaben am BIP kontinuierlich auf mittlerweile 3,13 % gestiegen, wodurch das auf EU-Ebene festgelegte Ziel von 3 % übertroffen wird (Statistisches Bundesamt, 2022). Die deutsche FuE-Quote ist im internationalen Vergleich hoch. Bedingt durch die starke Konzentration des deutschen Verarbeitenden Gewerbes konzentrieren sich die FuE-Ausgaben in Deutschland tendenziell stärker als im internationalen Vergleich auf einzelne Branchen, insbesondere die Automobilbranche und den Maschinenbau (JG 2019 Ziffer 293). Während der Anteil der FuE-Ausgaben am Umsatz in Bereichen wie der Pharmaindustrie zwar hoch ist, ist Deutschland wenig spezialisiert auf Patente, die den Schlüsseltechnologien der vierten industriellen Revolution zuzuordnen sind (EFI, 2022; JG 2020 Ziffern 529 ff.).

Zentral für die Steigerung der Produktivität ist, dass die FuE-Ergebnisse in wirtschaftlich nutzbare Innovationen umgesetzt werden (JG 2020 Ziffern 487 ff.) und sich die daraus entstehenden neuen Technologien verbreiten. Allerdings ist der Anteil an Unternehmen in Deutschland, die Produkt- oder Prozessinnovationen eingeführt haben, zwischen Ende der 1990er-Jahre und dem Jahr 2017 gesunken (JG 2020 Ziffer 502). Die im internationalen Vergleich geringe Verfügbarkeit von Wagniskapital, das insbesondere für Unternehmensgründungen und junge innovative Unternehmen und damit für die Diffusion neuer Technologien eine wichtige Finanzierungsquelle darstellt, könnte einen Teil dieses Rückgangs erklären (JG 2019 Ziffern 284 ff.; JG 2020 Ziffern 520 ff.). Für die Einführung und Nutzung neuer Technologien in bestehenden Unternehmen sind oftmals Anpassungen von Prozessen oder der Organisationsstruktur notwendig. Gutes Management kann entscheidend dazu beitragen, dass diese Anpassungen gelingen. Die Managementfähigkeiten sind in deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich sehr hoch, allerdings ist die Heterogenität zwischen den Unternehmen insbesondere im Mittelstand ebenfalls sehr hoch (Bloom und Van Reenen, 2010; Broszeit et al., 2019; JG 2019 Ziffern 194 f.). Gleichzeitig hängt die Diffusion von Technologien von weiteren Standortfaktoren wie der Qualität der digitalen Infrastruktur ab (JG 2020 Ziffern 540 ff. und 571 ff.).

Ich würde gerne am Montag, den 14.11. das Kapitel 7 des Jahresgutachtens vertiefen. Im Livetalk remote.

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