Buchpiraterie ignorieren? Ein neuer Kopisten-Fall erregt die Gemüter #Gut-Raub

„Zum Auftakt der AKEP-Konferenz in Berlin hat Sascha Lobo der Branche Ratschläge zum „Buchstabenverkauf“ der Zukunft mit auf den Weg gegeben und diese historisch fundiert – um am Ende die Zuhörer mit der Ankündigung zu überraschen, selbst einen Verlag zu gründen“, schreibt der Buchreport in seinem Bericht „Ignoriert Piraterie“:

Verleger müssten ihr Geschäft vom Produkt zum Service entwickeln, mit der Tendenz, am Ende einen Produktpreis von 0 Euro anzusetzen. Dieses Prinzip habe es schon im 17. Jahrhundert bei Lesezirkeln, der Vermietung von Zeitschriften, gegeben, einem kostenpflichtigen temporären Zugang zur Lektüre.

„Die wohl knackigste – und unter den Zuhörern besonders umstrittene – These: Verlage sollten Piraterie ignorieren. Es werde immer Leute (’15 bis 20% der Menschen sind Arschlöcher‘) geben, die kopiergeschützte Bücher knacken. Diese gezielt zu ignorieren, verschaffe den Verlegern einen besseren Schlaf und weniger Feinde. Wenn Bücher zunehmend zu Services ausgebaut würden, seien diese ohnehin nicht mehr kopierbar – und bei einem Preis von 0 Euro für das Buch an sich sei Piraterie dann nicht mehr umsatzrelevant.“

Sinnvolle Vorschläge. Aber meine aktuellen Recherchen stimmen mich nachdenklich. Die Buchbranche hat nach den folgenden Fakten wohl die Schlacht gegen Buchpiraten bereits verloren. Aufgedeckt wurde dieses schamlose Kopistentum von einem renommierten Schriftsteller. Folgendes ist mir zugespielt worden.

Auch Professoren zählen zur Kopisten-Mafia!

„Heutzutage verführt die Leichtigkeit der Vervielfältigung zu allen möglichen Dingen.“

Selbst Wissenschaftler an deutschen Hochschulen seien in diesem Kopisten-Netzwerk verstrickt. Da werde dann schnell von der Aufzeichnung einer Zweistundensendung im Hörfunk ein Plagiat erstellt. Das habe einer kopiert und in hoher Stückzahl an seine Freunde verschenkt. Der Schriftsteller erwähne das nur als Spitze des Eisberges, um zu dokumentieren, wie das simple Gefühl für Recht und Unrecht schon aufgeweicht ist, wenn so etwas an dürrem Professorenholze schon geschieht.

Auch Hörfunksender sind Teil des Kopisten-Netzwerks

Selbst Hörfunksender würden das machen und entsprechende Exemplare seiner Vorträge an Zeitschriften verschicken, die das seitenlang abdrucken – ohne das Ganze autorisieren zu lassen oder zu entlohnen. Erst auf Druck des Verlage sei eine Zeitschrift dann bereit gewesen, wenigstens einen kleinen Betrag zu bezahlen. Freiwillig waren die nicht dazu bereit. Autoren sind ständig solchen Nötigungen und Vergewaltigungen ausgesetzt. Hier schlage eine zweifelhafte Denkweise und Gesinnung durch. Der Schriftsteller lasse sich seitdem vom Hörfunk grundsätzlich erstmal schriftlich geben, dass die keine Exemplare von seinen Ein- oder Zweistundensendungen erstellen. Erlauben würde er nur fünf oder sechs Exemplare für die Sprecher und eins fürs Archiv, „damit ist wenigstens ein legales Löchlein verstopft…“. Das sei eine erste Maßnahme, aus der zumindest sein Protest hervorgeht gegen dergleichen. Denn wie und wo zu ein in korrigierter Form erscheinen soll, würde gerne der Schriftsteller bestimmen. Völlig verantwortungslos sei auch das Verhalten der Zeitungen im Umgang mit diesen Raubkopien, die das ohne Gegenprüfung übernehmen und sogar im Literaturteil besprechen würden. Teilweise würden die Diebe den gestohlenen Mantel mit einer solchen Eleganz tragen, dass Fragen zum eigentlichen Besitzer gar nicht mehr aufkommen.

Sättigung durch Schwarzmarkt-Angebote macht zweite Auflagen fast unmöglich!

In dieses Regime der Raubkopien sind also vielfältige Kreise verstrickt. Völlig unmöglich sei es, eine wirklich gute zweite Auflage von den eigenen Werken auf den Markt zu bringen.

„Was soll jetzt werden, können wir noch eine zweite Auflage machen, wenn der Markt gesättigt wird auf unrechtmäßige Weise.“

So viel Kopisten-Dreistigkeit gegen die kreativen Leistungen eines Autors lassen einen sprachlos zurück. Ich habe nur ein Bruchteil der Beweise über das Kopisten-Netzwerk in Deutschland dokumentiert.

Empörte sollten gar nicht mehr weiterlesen!

Aber auch ich bin ein übles Collage-Ferkel. Die Dokumentation stammt aus dem Jahr 1970 und betrifft die analoge Kopisten-Mafia unter den Raubdruckern. Die stark abgewandelten Aussagen habe ich den Gesprächen von Gunar Ortlepp mit dem Schriftsteller Arno Schmidt entnommen. Sie waren dann Basis für den Spiegel-Artikel „Gut Raub“, der auch 1970 erschien (Nr. 37, S. 216 bis 217). Vielleicht liest ja der Eine oder Andere nicht bis zum Schluss und entwickelt daraus eine neue Skandalgeschichte über das digitale Piratentum – das würde mir sehr gefallen 🙂