
Professor Rupprecht Podszun fordert in seinem Hauptgutachten für den Deutschen Juristentag eine stärkere Regulierung von Online-Plattformen und Digitalunternehmen. Erforderlich seien stärkere Rechte für Kartellbehörden, aber auch Verbotsvorschriften für „Gatekeeper“.
Für B2B-Plattformen der Industrie sollten begrenzende Regeln vorübergehend ausgesetzt werden, um Innovationen zu erleichtern. Hier haben die Firmen der industriellen Fertigung ja einiges nach
Ein Ordnungsrahmen mit Regeln für die Plattformen sei aber „weder ein Misstrauensvotum gegen die betroffenen Unternehmen noch Ausdruck rückschrittlicher Prä-Digital-Romantik.“ Freiheit auf Märkten entstehe allerdings nicht durch Abwesenheit von Regulierung, so Podszun.
“Wenn es nicht gelingt, einen Rechtsrahmen zu setzen, der Unternehmen und Verbrauchern die freie Entfaltung ermöglicht, aber auch die nach dem Freiheitsparadox nötigen Grenzen zieht, besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft ihren Ordnungsanspruch in der Wirtschaft verliert. Denn auch in einer globalisierten und vernetzten Welt sind es letztlich die demokratisch bestimmten Institutionen, die eine rechtsstaatliche, freiheitliche und soziale Ordnung gewährleisten müssen. Sie sind es, die sich dem ‘Gesetz des Stärkeren’ entgegenstemmen müssen. Autonom agierende Ökosysteme ohne effektive Kontrolle oder eine Komplizenschaft zwischen privater und staatlicher Datenauswertung werden diesem Anspruch nicht gerecht”, schreibt der Rechtswissenschaftler der Universität Düsseldorf.
Warten auf die GWB-Novelle
Dieser hoheitliche Ordnungsanspruch sei bedroht, wenn Plattformen ihre eigenen Regeln setzen und Prozesse nicht mehr von außen nachvollziehbar sind.
Digitale Plattformen mutieren sonst zu privaten Gesetzgebern, höhlen den demokratischen Rechtsstaat aus und betreiben gar eine Privatisierung des Rechts. Der Staat müsse auch vor privaten Anmaßungen schützen.
Der Verweis auf die Begründung bei der Einführung der Fusionskontrolle 1973 trifft dabei ins Schwarze: “In gesellschaftspolitischer Sicht zerstören übermäßige Ballungen wirtschaftlicher Macht die Grundlage unserer freiheitlichen Ordnung. Politische Demokratie und Marktwirtschaft sind ohne Dezentralisierung der Macht nicht denkbar.”
Regelsetzung für die Plattformökonomie sei daher nicht nur ein wirtschaftsrechtliches Projekt, resümiert Podszun.
Und hier sehe ich die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als das größte netzökonomische Projekt der Wirtschaftspolitik in Deutschland: „Das Kartellrecht gilt als Grundgesetz der Sozialen Marktwirtschaft“, sagt der Wettbewerbsökonom Justus Haucap im #NextTalk-Interview.
Ein Charakteristikum der Digitalökonomie ist, dass sich Plattformen mit Informations- und Matching-Funktionen breitflächig in Wertschöpfungs- und Vertriebsketten hineinschieben, eine zentrale Stellung in ansonsten dezentralen Märkten erlangen und etablierte Vertriebsmodelle herausfordern. „Konzentrationstendenzen gibt es vor allem auf den Plattformmärkten“, warnt Haucap.
Überfällig sei die Einführung des Konzepts der „Intermediationsmacht“ als ein Kriterium zur Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung, um die Rolle von Plattformen besser erfassen zu können. Man müsse jetzt aufpassen, nicht sogenannte Tipping Markets zu bekommen, also Märkte, die umkippen und eine Wiederbelebung des Wettbewerbs verhindern. Diese Netzwerkeffekte sollte die Wirtschaftspolitik stärker beachten. „Man geht als Käufer dahin, wo viele Verkäufer sind. Verkäufer gehen dahin, wo wiederum viele Käufer sind. Hier ist eine Spirale in Bewegung gesetzt worden, die sich nach oben dreht“, so Haucap.
„Kernbestandteil des Gesetzes ist eine Verschärfung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Digitalunternehmen“, erklärt Beate Baron, Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. „Durch die Covid-19- Pandemie wird sich der Strukturwandel insbesondere im Handel deutlich beschleunigen. Große Internetplattformen können in der Krise ihre Marktstellung ausbauen und so noch dominanter werden. Damit setzen wir uns mit Nachdruck für den zügigen Abschluss der Ressort-
abstimmung ein.“
Siehe auch:
Das Merkel-Schreiben ging heute raus:
An den
Präsidenten des
Deutschen Bundestages
Herrn Dr. Wolfgang Schäuble
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales
Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen
(GWB-Digitalisierungsgesetz) mit Begründung und Vorblatt (Anlage 1).
Ich bitte, die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen.
Federführend ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1
NKRG ist als Anlage 2 beigefügt.
Der Gesetzentwurf ist dem Bundesrat am 25. September 2020 als besonders
eilbedürftig zugeleitet worden.
Die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf sowie die Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates werden unverzüglich nachgereicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel