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Meinung-Glaube-Esoterik: Dreiklang der Laber-Rituale im Management #NEO23

Warum geht der Einfluss der Wissenschaftler auf das Management zurück? “Die Antwort darauf ist verblüffend einfach. Denn wenn wir Management als Funktion der Organisation sehen, das Differenzen verstärkt oder mindert (viel oder wenig Gewinn, innovative oder inkrementelle Produkte usw.), behält der effektivste Beobachter des Managers (oder der Managerin, gs) den Überblick und kann es beeinflussen. Und dieser Beobachter ist heute eher der Berater als der Wissenschaftler“, erläutert Professor Winfried W. Weber.

Wobei damit nicht die klassischen Berater gemeint sind, sondern eher die „Managementphilosophen“. Und diese Managementdenker brachten und bringen Vielfalt, Paradoxien und Kursabweichungen ins Spiel. Sie entwickeln Thesen und Ansätze, die das Managementwissen voranbringen. „Durch die Verbindung zur Organisationstheorie und zu den Praktikern entwickeln die Managementphilosophen ein Gespür dafür, welche Themen anschlussfähig sind und welche nicht. In diesem Sinne bewirken sie mit ihren Moden eine Pendelbewegung in der Management-Professionalisierung. In sozialen Systemen, die nie ganz verstanden werden, kann es auch nie einen ‚one-best-way‘ geben“, betont Weber.

Innovationen könnten für Unternehmen gerade dann entstehen, wenn sie von Externen auf den blinden Fleck ihres Clusters, ihrer Branche oder ihres Unternehmens aufmerksam gemacht werden.

Das gelingt eben nur mit der nötigen Portion Überraschung und Chaos, die bei den pseudo-rationalen Ökonomen gerade nicht zu erwarten ist. Führungskräfte suchen neue Handlungsalternativen eher in interpretativen Ansätzen. In diesem Kontext sei der chaotische Denkstil mancher Managementdenker dem Praktiker näher als dem Logiker. Und dann kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu:

Ohne das Gespür für das Coole und Neue habe kein Managementphilosoph Zugang zum Top-Management, so Weber: „Managementphilosophen verdienen ihr Geld als Coolhunter, ähnlich wie Cayce Pollard, die Protagonistin in William Gibsons Roman ‚Pattern Recognition‘. Sie versuchen Muster zu erkennen, wo es noch keine gibt. Sie versuchen die Aufmerksamkeit ihrer Kunden auf etwas zu lenken, was es noch gar nicht gibt. Und: Sie versuchen Muster zu gestalten. Die Romanheldin Cayce sowie die Managementphilosophen bewegen sich in Zwischenräumen, in denen noch etwas entstehen ist“, so Weber.

Resümee: Der Einfluss der Wissenschaftler schwindet. Antworten suchen Unternehmen eher bei den Managementphilosophen und da fallen dann altbekannte Namen wie Peter F. Drucker, Hermann Simon und Fredmund Malik.

Brillante Analysen von Hermann Simon

Nur wo sind die neuen Denkerinnen und Denker der Management-Philosophie? Da erkenne ich nicht viel. Außer vielleicht Protagonisten, die leere Begriffe im Einzelfall-Empirismus absondern: Meinung-Glaube-Esoterik, das ist der Dreiklang heutiger Laber-Rituale. Es wird den Worthülsen irgendein “Spin” eingehaucht, der ihnen nicht nur die ursprüngliche Bedeutung entzieht, sondern sie mit bestimmten Interessen auflädt. Sie werden vereinfacht, in den Fluss bestehender Argumentslinien verwoben, in ihrer Gestalt verändert, weichgekaut oder gar ins Gegenteil verkehrt. 

So wird aus dem Management von organisatorischem Wandel ganz schnell eine “Große Transformation” und aus einem unternehmensdemokratisch theoretisierten “agile” wachsen fast unbemerkt neue Macht- und Herrschaftsstrukturen. So kann man dann ganz ätscheil Belegschaften schrumpfen, das Top-Management mit Prämien belohnen für „Restrukturierungen“ Pensionsfonds plündern und mit Aktienrückkäufen Börsenwerte manipulieren im Sinne einer Shareholder-Value-Ideologie.

Gespickt wird das Ganze mit tautologischen Sätzen, die empirisch nicht widerlegt werden können. Ein rhetorischer Taschenspieler-Trick: Wenn ich die Nichtexistenz Gottes nicht beweisen kann, ist das der Beweis für die Existenz. Man stülpt den Beratersprüchen eine Glocke der Immunität über zum Schutz vor Kritik. Da diese konstruierte Fassade jederzeit zusammenbrechen kann, springen Beraterlein schnell zur nächsten tautologischen „Theorie“. „Ein stetig auf- und abschwellender Zyklus von Managementmoden ist konsequenterweise die Folge“, so Professor Lutz Becker. Ein Thema für die Next Economy Open am 7. und 8. Dezember 2023.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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