Kosten und Komplexität der Datenverwaltung: ESG, KI, Paul Lazarsfeld und die Zukunft des Managements – Was so alles thematisiert wird auf der Zukunft Personal Nord in Hamburg am 23. und 24. April #ZPNord

Dr. Thymian Bussemer, Head of HR Strategy & Innovation bei der Volkswagen AG, bringt es auf den Punkt: Die Integration von Environmental, Social, and Governance (ESG) Kriterien in die Unternehmensstrategie ist zwar ein Gebot der Stunde, jedoch mit erheblichen bürokratischen Herausforderungen verbunden. Zum bevorstehenden Panel auf der Fachmesse Zukunft Personal Nord in Hamburg diskutiert er die tiefgreifenden Veränderungen, die ESG für das Personalmanagement bedeutet. Trotz der klaren Vorteile einer nachhaltigen Ausrichtung stehen Unternehmen wie Volkswagen vor der schwierigen Aufgabe, die gestiegenen Anforderungen an die Berichterstattung zu bewältigen.

Kosten und Komplexität der Datenverwaltung

Bussemer kritisiert insbesondere die repetitive und kostspielige Notwendigkeit, bereits vorhandene Daten für neue Berichtsformate aufzubereiten. „Jeder der 160 Datenpunkte für das CSR-Reporting kostet uns in der IT-Initiierung und Pflege etwa 8000 Euro“, erklärt er. Diese finanziellen und ressourcenintensiven Anforderungen könnten stattdessen in direkte Nachhaltigkeitsmaßnahmen fließen, die einen unmittelbaren Nutzen für die Umwelt und Gesellschaft bieten würden.

Der Spagat zwischen Compliance und Innovation

Die ESG-Vorgaben der EU, insbesondere die Corporate Social Responsibility Reporting Directive (CSRD), sollen Transparenz und Verantwortung in den Unternehmensführungen stärken. Doch die Art und Weise, wie diese Normen umgesetzt werden, sieht Bussemer kritisch: „Die bürokratischen Lasten, die durch diese Normen entstehen, sind enorm und stellen gerade für global agierende Konzerne eine große Herausforderung dar.“ Volkswagen steht hier stellvertretend für viele Unternehmen, die sich mit den dualen Anforderungen von gesetzlicher Konformität und der Notwendigkeit, flexibel und innovativ zu bleiben, auseinandersetzen müssen.

In Zeiten des Wandels wird die Rolle der HR immer wichtiger. Bussemer unterstreicht, dass HR nicht nur für die Einhaltung von Compliance verantwortlich ist, sondern auch eine Schlüsselrolle bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens spielt. „HR wird immer mehr zum Mediator zwischen den Anforderungen der Unternehmensleitung und den Bedürfnissen der Mitarbeiter“, so Bussemer. Die Abteilung ist somit nicht nur ausführendes Organ, sondern aktiver Gestalter der Unternehmenskultur und -strategie.

Nur Menschen können Menschen überzeugen

Ein weiteres zentrales Thema, ist die mögliche Ersetzung von Führungskräften durch künstliche Intelligenz. Bussemer sieht hier jedoch klare Grenzen: „Management und Führung bedeuten, motivierend und situativ mit Menschen zu arbeiten. Diese essentiellen menschlichen Fähigkeiten können durch KI nicht ersetzt werden.“ Die Diskussion verspricht spannende Einblicke in die zukünftige Rolle der Führung und die unverzichtbare Bedeutung menschlicher Interaktion in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt.

Die Vorstellung, dass Management nur darin bestehe, so Bussemer, Produktionszahlen zu kontrollieren, ist zu simpel. Sicher, eine KI könne das. Aber in einer Wissensökonomie, in der es darum gehe, Menschen zu Höchstleistungen zu motivieren, bleibt der Mensch unersetzlich.

Der Soziologe Paul Felix Lazarsfeld, der Begründer der Kommunikationswissenschaft in den USA, sagte einmal: „Nur Menschen können Menschen überzeugen.“ Dieser Satz habe auch heute noch Gültigkeit. „Wenn wir Einfluss nehmen wollen auf Entwicklungen und Perspektiven, dann brauchen wir den Menschen, egal wie fortgeschritten die KI ist“, resümiert Bussemer. Das ist doch eine interessante Steilvorlage für die Talkrunde auf der Zukunft Personal Nord mit dem Titel: „Leadership heute und morgen: Moderne Führungskonzepte und die mögliche Rolle von KI“.

Das Ganze mit dem theoretischen Fundament von Lazarsfeld zu verbinden, halten Sohn@Sohn für einen genialen Einfall. Zur Vorbereitung empfehle ich die Promotionsarbeit von Bussemer. So beschäftigte sich der VW-Manager in seiner soziologischen Forschungsarbeit mit dem Buch „Personal Influence. The Part Played by the People in the Flow of Mass Communication“, das Lazarsfeld 1955 zusammen mit seinem wichtigsten Schüler Elihu Katz verfasste.

Welchen Einfluss haben Massenmedien und die Mikro-Öffentlichkeiten

In der Fachliteratur wurde der übliche Begriff der Manipulation durch einen weit subtileren Einfluss-Begriff ersetzt. Auch machten die Autoren deutlich, dass Beeinflussungsprozesse vor allem zwischen Menschen stattfinden. „Individuelle Meinungen, Haltungen, Gewohnheiten und Werte sind offenbar in zwischenmenschlichen Beziehungen verankert. Das heißt, Personen, die sich wechselseitig beeinflussen, scheinen dauernd und gemeinsam Ideen und Verhaltensweisen zu prägen und aufrechtzuerhalten, die sie nur widerstrebend aufgeben oder einseitig verändern.“

Es ging den beiden Autoren um die Klärung der Frage, wie persönlicher Einfluss die Medienrezeptionsbedingungen beeinflusst. „Zwischenmenschliche Beziehungen setzen Netze zwischenmenschlicher Kommunikation voraus; dies scheint für die Wirkung von Werbefeldzügen in verschiedener Hinsicht bedeutsam zu sein: Die ‚Zweistufenhypothese’ weist darauf hin, daß die Netze der zwischenmenschlichen Beziehungen mit denen der Massenmedien so verbunden sind, dass einige exponierte Personen das, was sie sehen, hören oder lesen, an andere, weniger exponierte, mit denen sie in Kontakt stehen, weitergeben.“ Und hier sind so genannte Opinion Leader von entscheidender Bedeutung.

Dekonstruktion eines Wirkungsmodells

Die von Lazarsfeld und seinen Mitarbeitern duchgeführten Forschungen trugen vor allem zur Dekonstruktion eines Wirkungsmodells bei, nach dessen Vorstellungen die Menschen reine Spielbälle der Medien waren und mehr oder minder beliebig manipuliert werden konnten. Stattdessen belegten die Studien des Bureaus, dass Mediennutzer zur Selektion und aktiven Interpretation von massenmedialen Kommunikaten fähig sind. Damit trat auch ein neues Menschenbild auf den Plan: das des aktiven und sozial in vielfältige Netzwerke eingebundenen Medienkonsumenten. Nicht mehr die Medien machten nach diesem Kommunikationsverständnis die Meinungen, sondern die Menschen selber, wenn sie dazu auch jene Informationen benutzten, die sie aus dem Angebot der Medien ausgewählt hatten. Dieser individualistische bzw. primärgruppenbezogene Ansatz, der in eine vor allem durch Robert K. Merton theoretisch fundierte und funktionalistisch ausgerichtete Handlungstheorie eingebunden war, stellte in der Kommunikationsforschung ein Novum dar“, schreibt Bussemer.

Und er zitiert noch einmal „The People’s Choice“ von Lazarsfeld:

„Vor allem Menschen können also andere Menschen zu einer Entscheidung bewegen. Von einem ethischen Standpunkt aus ist dies ein hoffnungsvoller Aspekt des ernsten sozialen Problems der Propaganda.“

Niemand lässt sich simpel am Nasenring durch die Arena führen. Es zählt die persönliche Kommunikation, nicht die Belehrung, nicht der pädagogische Zeigefinger oder moralistische Empörungsdiskurse. Im Jahr des 75-jährigen Bestehens des Grundgesetzes eine Aufforderung zum Handeln im Freundeskreis, in der Familie, im Verein und in der Nachbarschaft. Oder auf Foren wie der Zukunft Personal.

Man hört, sieht und streamt sich in Hamburg am 23. und 24. April.

Übrigens: Auf TwitterX und auf LinkedIn laufen die Sohn@Sohn-Livestreams am besten.

Hier die Sendung Zukunft Personal Nachgefragt.

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