Nach Jahren des Abwartens soll nun endlich ein neuer Medienstaatsvertrag für Klarheit sorgen bei Audio- und Video-Formaten, die im Internet übertragen werden. Der Entwurf, der von der Rundfunkkommission der Länder zur Diskussion ins Netz gestellt wurde, enthält einen neuen Paragrafen unter der Überschrift “Bagatellrundfunk”.
§ 20 b Bagatellrundfunk
(1) Keiner Zulassung bedürfen
- Rundfunkprogramme, die aufgrund ihrer geringen journalistisch-redaktionellen Gestaltung, ihrer begrenzten Dauer und Häufigkeit der Verbreitung, ihrer fehlenden Einbindung in einen auf Dauer angelegten Sendeplan oder aus anderen vergleichbaren Gründen nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten,
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Rundfunkprogramme, die jedenfalls weniger als 5000 Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden,
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Rundfunkprogramme im Internet, die regelmäßig im Monatsdurchschnitt weniger als 20.000 Zuschauer erreichen [oder vorwiegend dem Vorführen und Kommentieren des Spielens eines virtuellen Spiels dienen].
Die zuständige Landesmedienanstalt bestätigt die Zulassungsfreiheit auf Antrag durch Unbedenklichkeitsbescheinigung.
(2) Die Landesmedienanstalten regeln das Nähere zur Konkretisierung der Zulassungsfreiheit nach Abs. 1 durch Satzung.
(3) Vor dem (Datum des Inkrafttretens des Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages) angezeigte, ausschließlich im Internet verbreitete Hörfunkprogramme gelten als zugelassene Programme nach § 20.
Gelegenheit für Stellungnahmen, Anmerkungen und Feedback besteht bis zum 26. August 2018 auf www.rundfunkkommission.rlp.de
Meine Stellungnahme:
Erinnert sei an unsere Auseinandersetzung mit dem “Piratensender” der Kanzlerin vor gut fünf Jahren. Damals war klar, dass die von den Justiziaren der Landesmedienanstalten erarbeitete Checkliste für die Notwendigkeit einer Sendelizenz rechtlich keinen Bestand hatte: Die Kommission für die Zulassung und Aufsicht (ZAK) und die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) mussten sich in Stuttgart am 16. April 2013 mit unserem Fall (Bloggercamp.tv) und mit dem für den 19. April 2013 geplanten Live-Hangout von Bundeskanzlerin Angela Merkel beschäftigten. Einen Handlungsbedarf sah die Medienaufsicht nicht, da es sich bei diesen Formaten, die live ins Netz übertragen werden, eher um “Abrufdienste” handelt.
Selbst die Formulierung einer optionalen Reichweite von mindestens 500 Zuschauern, die in der Checkliste der Landesmedienanstalten festgelegt ist, reiche nicht aus, um solche Sendungen als Rundfunk einzustufen. Hier sah man eher Änderungsbedarf bei der Checkliste – da passiert aber in den vergangenen Jahren nichts.
Die Medienaufsicht werde nicht aktiv eingreifen mit Genehmigungsnotwendigkeiten, sondern die Entwicklungen im Netz beobachten. Ein formeller Beschluss wurde nicht gefasst.
Da wohl eine digitale Medienordnung noch einige Zeit auf sich warten lässt, sollten vernünftige Zwischenlösungen gefunden werden. Im Interview mit dem Bloggercamp sprach sich der Vorsitzende von ZAK und DLM für eine abgestufte Prüfung aus:
„Wir müssen das Medienrecht novellieren und vernünftige Zwischenlösungen finden. Das gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen und Parlamenten. Wir müssen von einer ex-ante-Regulierung zu einer ex-post-Regulierung kommen. Erst einmal die Dinge laufen lassen und dann nachschauen”, sagte Dr. Jürgen Brautmeier.
Livestreaming-Sendungen als Abrufdienste einzustufen, halte ich für eine sinnvolle Lösung – egal, ob Ausstrahlungen nun einmalig oder regelmäßig stattfinden.
Die Formulierungen im Entwurf für den Medienstaatsvertrag halte ich teilweise für unglücklich. Völlig streichen sollte man die Formulierungen “die aufgrund ihrer geringen journalistisch-redaktionellen Gestaltung” und “oder aus anderen vergleichbaren Gründen nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten”.
Wenn ich Liveübertragungen mache, achte ich auch auf eine gute Moderation, auf den Nachrichtenwert und natürlich auch auf mögliche Wirkungen in der Netzöffentlichkeit. Alles das könnte man als journalistisch-redaktionelle Gestaltung und als relevant für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung werten. Dennoch bin ich mit meinen Livestreaming-Geschichten kein Rundfunksender. Ich mache aber kein Vollprogramm von morgens bis abends wie ARD, ZDF, RTL und Co. Deshalb sollte man sich im Paragraf 20 b Absatz 1 auf die Frage des Vollprogramms reduzieren. Absatz 2 und 3 streichen. Die Zuschauerzahl sollte nicht der Maßstab bei der Bewertung sein. Das ist Erbenszählerei.
Streichen sollte man auch: “Die zuständige Landesmedienanstalt bestätigt die Zulassungsfreiheit auf Antrag durch Unbedenklichkeitsbescheinigung.”
Wer hat denn hier die Bringschuld? Es sollte nur eine ex-post-Kontrolle geben, die vor fünf Jahren Dr. Brautmeier ins Spiel gebracht hat. Wer mit einem Vollprogramm aufwartet, der sollte von der zuständigen Landesemedienanstalt kontaktiert und auf die Notwendigkeit einer Sendelizenz hingewiesen werden.
Wie seht Ihr das? Würde das gerne mit Euch diskutieren – via Facebook Live 🙂
Ich bereite gerade eine Stellungnahme vor. Bis zum 26. August könnten wir auch etwas gemeinsam auf die Beine stellen.
Siehe auch:
Medienstaatsvertrag: Let’s-Player sollen keine Rundfunklizenz brauchen (es geht natürlich nicht nur um die Gaming-Szene – Überschrift reduziert das ein wenig….)
Hat dies auf http://www.ne-na.me rebloggt.
Wie ich es mir gedacht habe, wird sich nicht viel ändern. Nur die Linke ist mit diesem Ergebniss nicht zufrieden. Naja ich glaube auch nicht das wir die Rundfunkgebühren so schnell los werden. Auch wenn das Programm, was man für diese Zwangsabgaben bekommt, unter aller Sau ist.