Abschaffung des Zufalls zur Schaffung des perfekten Überwachungsstaates

Wissenschaftler und Science Fiction-Autor Professor Franke

Es gibt wissenschaftliche Erhebungen und Analysen, die belegen, wie stark der Zufall den Erfolg von Unternehmer ausmacht. Für das Ego von Firmenchefs ist das fatal und schlecht für die heroische Top-Management-Kommunikation. Wenn man erfolgreicher Unternehmer ist, seinen Erfolg aber eigentlich dem Zufall verdankt, passt das nicht zum Storytelling der PR-Entourage der Führungskräfte. Was aber passiert, wenn man den Zufall einfach ausschaltet, wie in der Science-Fiction-Geschichte Ypsilon Minus von Herber W. Franke?

Im Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Hans Esselborn. Er ist Professor Emeritus für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Köln und kann auf ein umfassendes Werk zurückblicken zu Science Fiction, Zukunftsliteratur, viele Buchveröffentlichungen wie “Die literarische Science Fiction, Utopie und Anti-Utopie im deutschsprachigen Roman des 20. Jahrhundert”, “Das kybernetische Modell in den Künsten” und viele Dinge mehr.

Hier ein Ausschnitt des Gesprächs (am Dienstag setzen wir das fort).

Sohn: Und was da von Franke dystopisch beschrieben wird, ist ja das Ziel heutiger Kybernetiker. Wenn ich mir die Google-Vordenker anschaue, die ja von einer Singularität reden, also der Synthese von Mensch und Maschine, und dass das menschliche Gehirn perfekt nachgebaut werden kann – das ist ja das, was den Kybernetikern bei Google vorschwebt, dass man dann die perfekte Gesellschaft schaffen würde, die sich zu 100 Prozent steuern lässt – und da sag ich: okay, das ist Ypsilon Minus.

Esselborn: Das erste Problem bei Google ist: Sie wollen die perfekte Gesellschaft, aber sie wollen zugleich viel verdienen. Das heißt es gibt schon einen Widerspruch zwischen ihren eigenen, speziellen Wünschen und denen der Gesamtgesellschaft, denn die anderen Firmen wollen ja auch mitmischen. Und das andere ist natürlich, dass Menschen in ihrem Verhalten unvorhersehbar sind. Man kann ihnen Angebote machen, man kann ihnen Dinge sehr schmackhaft machen, aber eine Garantie, dass es dann auch gekauft wird, ist das alles nicht. 

Sohn: Irgendwann durchschauen Menschen ja auch Psychotrricks und Steuerungsversuche, da gibt es ja auch viele Beispiele in der Wirtschaftsgeschichte: Wenn in dem Moment, in dem diese Maske herunter gerissen wird und klar wird, was eigentlich dahinter steht, zum Beispiel schnöde kommerzielle Interessen, bei Google etwa eine Steigerung der Werbeeinnahmen – zu 95 Prozent bestehen ihre Einnahmen aus Werbeeinnahmen, das wird immer gerne unterschätzt, mit Technologie verdient Google gar nicht so viel Geld – diese Steuerungs- und Manipulationsversuche nicht mehr funktionieren. 

Esselborn: Ja und das ist für mich ein Problem, das bei den Leuten sichtbar wird, die über künstliche Intelligenzen schreiben, die zur Singularität werden und dann die ganze Welt beherrschen – wie soll das gehen? Die Welt ist ein chaotisches System, schon von der Natur aus, und vom Menschen her noch viel mehr. Das zu beherrschen, hieße, alles zu Maschinen zu machen und denen genaue Algorithmen und Vorschriften zu geben – das kann nicht funktionieren. Man kann manipulieren, man kann Teile beherrschen, das kann man machen…

Sohn:. ..das geht dann natürlich auch ins Autoritäre…

Esselborn: …das wäre absolut autoritär, aber es wäre ein riesiger Apparat – und Sie wissen, dass die DDR unter anderem daran gescheitert ist, dass sie soviel Geld für die Stasi ausgeben musste und viel unfruchtbare Energie in diesen Überwachungsapparat investiert hat.

Sohn: Sie sind praktisch erstickt an ihren Daten.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.