
Vor Ewigkeiten schrieb ich diesen Artikel:
Der von Tim O’Reilly geprägte Begriff Web 2.0 hat sich zum Inbegriff des neuen Internet-Booms entwickelt. Nun arbeitet man an Konzepten für eine Weiterentwicklung. „Wenn wir über unseren Umgang mit Computern reden, verbinden wir das immer noch damit, vor einem Bildschirm zu sitzen und auf einer Tastatur zu tippen. Aber Computer werden immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Die offensichtliche Veränderung ist zunächst, dass auch mobile Endgeräte oder Mobiltelefone als Plattform dienen. Damit ist auch verbunden, dass Spracherkennung immer besser wird. Oder dass Fotoapparate mittlerweile mit GPS ausgestattet sind“, erklärt Tim O-Reilly. Wenn das Handy mit intelligenter Sprachtechnik ausgerüstet wird, könnte es sich nach Expertenmeinung zu einem sehr nützlichen persönlichen Assistenten entwickeln. „Solche Visionen einer Antwortmaschine geistern seit einiger Zeit unter dem Schlagwort Web 3.0 beziehungsweise Semantic Web durch das Internet“, schreibt die Nachrichtenagentur ddp.
Dialogsysteme seien nach Auffassung von Lupo Pape, Geschäftsführer des Berliner Unternehmens SemanticEdge, geeignet, den Zugriff auf das vernetzte Weltwissen zu verbessern: „Wie häufig hätten wir gerne im Alltag genaue Informationen zu Sportergebnissen, Telefonnummern oder Adressen. Unendlich viele Dinge, die wir, wenn wir gerade im Internet wären sofort ‚er-googlen’ würden. Da das aber in der Freizeit und von unterwegs selten der Fall ist und der Zugriff über das Handy mit Tastatur oder Touchscreen zu mühselig ist, verzichten wir meistens darauf, unseren Wissenshunger sofort zu stillen. Anders wäre es, wenn wir mit einfachen gesprochenen Suchbefehlen unsere Anfrage starten und die Suche dann bei Bedarf eingrenzen könnten, genauso, wie wir es derzeitig mit der PC-Tastatur und der Maus tun und das ganze jederzeit und von jedem Ort aus”, so der Sprachdialogexperte Pape. Die fehlenden Bausteine dafür seien jetzt schon verfügbar, so dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sich die Menschen weltweit an dieses neue Interface gewöhnt haben. „Die Spracherkennung im personalisierten Diktiermodus ist schon sehr ausgereift, die mobilen Datenzugriffe werden immer schneller und auch Flatrates im Mobilfunk werden vermutlich bald genauso verbreitet sein wie im DSL-Geschäft”, prognostiziert Pape.
Viele Informationen würden bereits strukturiert vorliegen, wie Fahrplaninformationen, Telefonnummern, Sportergebnisse, bewertete Restaurants und sonstige Adressen.
„Was fehlt, ist eine Art Yahoo des ‚Voicewebs’, über das sich jeder personalisiert seine gewünschten Angebote zusammenstellen und über Sprache oder Multimodale Interfaces abfragen kann“, so Pape. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Professor Wolfgang Wahlster, Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI): „Das Web 2.0 ist ein primär syntaktisches Web mit Layout-, aber ohne Bedeutungsannotationen“, so Wahlster gegenüber ddp. Das führe zu einer Informations- beziehungsweise Linküberflutung, da beispielsweise Textdokumente letztlich auf eine sinnfreie Kombination aus Buchstaben reduziert werden, Fotos und Videos sind nur Ansammlungen von verschiedenfarbigen Pixeln.
Die semantische Wende aber führe zu einem hochpräzisen Antwortverhalten in einem Web, das Sinnzusammenhänge in den Mittelpunkt stellt. „Wenn es also gelingt, die Semantik von Texten, Bildern, Gesten und künstlerischen Darbietungen durch standardisierte Begriffe so zu formalisieren, dass die so gewonnenen Daten maschinenlesbar sind, dann könnte die Vision der Antwortmaschine Realität werden. Eine Suchmaschine wie Google wäre dann überflüssig“, spekuliert ddp.
Für den Sprung ins Web 3.0-Zeitalter sei Deutschland gut gerüstet, weiß Wahlster und verweist auf das Projekt Theseus: Bundeswirtschaftsministerium, Forschungsinstitute und Firmen wie Bertelsmann, Siemens und SAP wollen in den kommenden fünf Jahren rund 200 Millionen Euro investieren, um beim Internet der Zukunft die Nase vorn zu haben.
Wenn man sich die deutsche Forschungslandschaft für Künstliche Intelligenz betrachtet, sei man nach Ansicht von Bernhard Steimel, Sprecher der Initiative Voice Business, auf einem guten Weg. „Im Gegensatz zu anderen Ländern verfolgen wir einen sehr pragmatischen und anwendungsbezogenen Ansatz. Unsere Wissenschaftler entwickeln in enger Kooperation mit der Wirtschaft Technologien für den Alltag, die wir als Errungenschaften der KI-Forschung gar nicht mehr wahrnehmen – etwa bei der Analyse natürlicher Sprache. Mit rund 120 Unternehmen, die Dialogsysteme für Navigationsgeräte, Fahrkartenautomaten, Logistiksysteme oder Diktiersoftware entwickeln und marktfähig machen, liegen wir international an der Spitze. So zählt der Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch das SmartWeb-Projekt von Professor Wahlster zu den 100 Produkten der Zukunft , die unser Leben verändern werden – das ist sicherlich kein Zufall“, resümiert Steimel.
Ende der Story, die ich vor 16 Jahren schrieb.
Zumindest der Punkt Antwortmaschine statt Linküberflutung bekommt mit ChatGPT jetzt einen deutlichen Schub.
Siehe auch:
Bard: Googles Antwort auf ChatGPT kommt „bald“
Google: ChatGPT ist gut genug, um Job bei uns zu bekommen
Am Mittwoch, den 22. Februar werde ich mit Professor Wahlster über die aktuellen Entwicklungen sprechen: Von der Suchmaschine zur Antwortmaschine.
Zur Einstimmung sein Vortrag in der Royal Society.
Details zum Livetalk mit Wahlster folgen in Kürze. Er war zwischen 1982 und Dezember 2018 Inhaber eines Lehrstuhls für Informatik an der Universität des Saarlandes sowie von 1997 bis zum Januar 2019 Direktor und CEO des 1988 gegründeten Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Wahlster ist seit 2003 Mitglied in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, welche unter anderem das Komitee zur Vergabe der Nobelpreise für Physik und Chemie stellt. Außerdem ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech). Habt Ihr Fragen, die ich aufgreifen soll?