
“Der Bundesrechnungshof erhebt schwere Vorwürfe gegen Fraunhofer und das Bundesforschungsministerium. Der Imageschaden reicht längst über die Forschungsgesellschaft hinaus”, schreibt Jan-Martin Wiarda in seinem Blog.
“In einem neuen 61-seitigen Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH), über den ich am Montag zuerst im Tagesspiegel berichtet hatte, sind sehr viele genau jener Punkte enthalten, die Whistleblower seit mindestens zwei Jahren gegenüber Journalisten und Bundesforschungsministerium berichtet hatten.”
Der Bundesrechnungshof wirft dem BMBF in seinem Bericht eine Behinderung seiner Arbeit vor, weil es die Herausgabe bestimmter Akten und den Zugriff auf elektronische Laufwerke verweigert habe. “Trotzdem gibt Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf Nachfrage immer noch kein persönliches Statement zur Fraunhofer-Affäre ab – während ihr früherer Staatssekretär Thomas Sattelberger (ebenfalls FDP) am Montag sagte, jetzt entstehe ‘fast der Eindruck der Kollusion’ – und forderte, die heutige Ministeriumsleitung müsse ‘diese möglichen Missstände radikal aufklären'”, so der Wissenschaftsblogger.
Gegenüber ichsagmal.com hat sich Roman Möhlmann, Bereichsleiter Wissenschaftskommunikation der Fraunhofer-Gesellschaft, geäußert. Ich gebe das mal in kompletter Form hier wieder:
“Wir begrüßen den nunmehr vorliegenden Prüfbericht des BRH. Er ist ein wesentlicher Baustein, um Prozessschwächen zu erkennen, sich kontinuierlich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Entstandene Missverständnisse zwischen Fraunhofer und BMBF können beseitigt und die solide und über Jahrzehnte gewachsene Basis der Zusammenarbeit weiter gefestigt werden. Gleichwohl möchten wir zu einigen Ergebnissen der BRH-Prüfung Stellung nehmen und insbesondere im Interesse der weiterhin nötigen Handlungsfähigkeit von Fraunhofer und letztlich der Entwicklungsperspektiven des deutschen Innovationssystems Hinweise geben, wo unseres Erachtens nach der Prüfungsbericht der spezifischen Rolle von Fraunhofer und den Herausforderungen der Praxis nicht gerecht wird.
Fraunhofer ist keine öffentliche Einrichtung oder Behörde, sondern ein privatrechtlich organisierter, als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein, der seinen Haushalt in Höhe von zuletzt rund drei Milliarden Euro zu lediglich einem Drittel aus steuerfinanzierten institutionellen Zuwendungen bestreitet. Die übrigen zwei Drittel erwirtschaftet Fraunhofer im Wettbewerb um Forschungsmittel und -aufträge für zukunftsrelevante Schlüsseltechnologien – gemäß Satzung und Mission mit dem Ziel einer Verwertung in Wirtschaft und Industrie. Darüber hinaus erzielt Fraunhofer in geringem Maße Erträge aus dem eigenen Vereinsvermögen.
Mit seinem unternehmerisch und marktorientiert geprägten Geschäfts- und Finanzierungsmodell nimmt die im Wettbewerb stehende Fraunhofer-Gesellschaft abseits des behördlichen Wesens nicht nur in der deutschen Forschungslandschaft, sondern auch in der Masse der Empfänger institutioneller Förderung eine spezifische Rolle ein, die von einer rein öffentlich geprägten und ausschließlich bzw. überwiegend institutionell finanzierten Forschungsorganisation deutlich abweicht. Das deutsche Zuwendungsrecht konnte bei seiner Entstehung – insbesondere bei der Systematik der Fehlbedarfsfinanzierung – diese Spezifik bei der Ausgestaltung der Vorgaben und Anforderungen an Zuwendungsempfänger nicht berücksichtigen. Diese sich aus Mission und DNA der Fraunhofer-Gesellschaft ergebenden Spezifika bei der Finanzierung ihrer Ausgaben gehen im Vergleich zu typischen (rein oder überwiegend) öffentlich finanzierten Forschungsorganisationen einher mit besonderen Erfordernissen an Rahmenbedingungen und Governance sowie dem Zusammenwirken mit Kooperationspartnern aus der Wirtschaft. Die Einzigartigkeit des Fraunhofer-Modells erfordert, etwaige Prüfungsfeststellungen in diesem Kontext zu betrachten.
Wir möchten betonen, dass Vorstand und Beschäftigte jederzeit in der Überzeugung der Regelkonformität ihres Tuns handelten – denn verantwortungsvolle Unternehmensführung bedeutet für Fraunhofer die stetige Einhaltung gesetzlicher und zuwendungsrechtlicher Vorgaben. Daher können wir die im jüngsten BRH-Bericht genannten Vorwürfe systematischer »Verstöße gegen interne und externe Vorgaben« oder eine »mangelnde Governance« nicht teilen und halten diese in ihrer Pauschalität für nicht gerechtfertigt. Dass Dokumentationen in der Zukunft noch ausführlicher und systematischer zu erfolgen haben, erkennen wir an und werden dies künftig mit aller Konsequenz sicherstellen. Darüber hinaus hat der Vorstand bereits proaktiv während der im letzten Jahr laufenden BRH-Prüfung zahlreiche Prozessverbesserungen angestoßen und umgesetzt.
Unsere Sichtweise haben wir gegenüber dem BMBF als vom BRH geprüfter Behörde ausführlich schriftlich begründet. Der Bericht des BRH bildet unsere Stellungnahme leider jedoch nur punktuell ab. Im Kern sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben:
- Fraunhofer akzeptiert selbstverständlich das vom BRH in den Mittelpunkt gerückte Besserstellungsverbot. Dies wurde auch ausdrücklich so in unserer Stellungnahme gegenüber dem BRH betont. Ergebnis eines BRH-Prüfberichts von 2016 war mit Blick auf das Thema Reisekosten eine 2017 getroffene Regelung zwischen BRH und BMBF, in deren Folge Fraunhofer über den Sätzen des BRKG liegende Reisekosten aus den Überschüssen der wirtschaftlichen Tätigkeit erstattete, um eine Finanzierung dieser Mehrkosten aus Steuermitteln sicher auszuschließen. Der BRH bewertete die gefundene Einigung in seiner abschließenden Prüfungsmitteilung vom 22.12.2016 (Ziff.4) so, dass damit die Einhaltung des Besserstellungsverbotes sichergestellt sei. Das führte in den Folgejahren dazu, dass dem BMBF detailliert und transparent über die Ausgaben berichtet wurde. Die zu erstattenden Steuermittel wurden an das BMBF zurückgezahlt. Rückfragen oder Beanstandungen gab es zu keiner Zeit. Erst Ende 2021 – nach fünfjähriger Praxis – wurde dieser Prozess erstmalig durch das BMBF beanstandet. Zur Frage, wie und mit welchem Maßstab das BRKG gegenüber den Fraunhofer-Vorständen zur Anwendung kommt, hat der Fraunhofer-Senat bereits beschlossen, in den Verträgen der Vorstände eindeutig klarzustellen, dass hier das BRKG gemeint ist.
- Der Fraunhofer-Senat nahm die Beanstandung des BMBF zum Anlass, bei einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei ein Gutachten zur Rechtslage betreffend die Reisekosten einzuholen. Das Gutachten bestätigte, dass die Auslegung der 2017 zwischen BRH und BMBF getroffenen Regelung durch Fraunhofer ‘naheliegend und in sich schlüssig’ ist und somit keine Sorgfaltspflichtverletzung seitens der Vorstände vorliegt, die zu Ansprüchen führen könnte. Dessen ungeachtet erklärten sich die betroffenen noch aktiven Vorstandsmitglieder im Oktober 2022 bereit, die über das BRKG hinausgehenden Reisekosten zu 100 Prozent zu erstatten. Sie erklärten sich, siehe oben, außerdem aktiv zur vom Senat beschlossenen Anpassung der unklaren Anstellungsverträge bereit, die fortan eindeutig in das Bundesreisekostengesetz verweisen. Eine Ende 2022 beschlossene Organisationsanweisung der Fraunhofer-Gesellschaft stellt sicher, dass die Vorgaben eingehalten werden.
- Die sich an Größe und Mission von Fraunhofer orientierende Repräsentation gehört für die sich weit überwiegend am Markt finanzierende Gesellschaft zu den notwendigen Instrumenten bei der Vernetzung, Akquise und Kundenbindung. Folgerichtig gibt es im Haushaltsrecht keine fixen Grenzen für Aufwendungen, sondern einen auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, zu dem der BRH-Bericht sich nicht im Einzelfall äußert. Er nahm offenbar nicht in den Blick, dass die Ausgaben für Bewirtungen auch im Verhältnis zu den durch Fraunhofer für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland erzielten Erfolge zu sehen sind. Zudem ist wichtig zu berücksichtigen, dass bei Fraunhofer lediglich die niedrigeren Nettobeträge kostenwirksam werden.
- Die Finanzierung der Dienstfahrzeuge des Vorstands erfolgt seit Jahrzehnten vollständig (also einschließlich aller Betriebskosten) und transparent aus dem Vereinsvermögen von Fraunhofer. Es gab dazu nie eine Beanstandung. Die Finanzierung aus dem Vereinsvermögen stellte sicher, dass weder direkt noch indirekt Steuergelder für Beschaffung und Betrieb der betreffenden Dienstfahrzeuge eingesetzt werden mussten. Die Dienstfahrzeuge werden für Dienstfahrten genutzt. Um den Bedenken des BRH dennoch zu begegnen, werden ab 2023 Oberklasse-Wagen sukzessive zurückgegeben.
- Eine von der Fraunhofer-Gesellschaft im September 2022 beauftragte externe Prozessberatung zur Beurteilung der Rolle der Innenrevision kam zu dem Ergebnis, ‘dass die Innenrevision der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. hinsichtlich ihrer aktuellen organisatorischen Verankerungen alle wesentlichen Anforderungen für ein angemessenes Internes Revisionssystem erfüllt’. Auch prüfte die Innenrevision regelmäßig die Vorstände und bestätigte alle Mitnahmen von Ehepartnern als dienstlich veranlasst.
- Fraunhofer hat bereits 2010 ein Compliance-Management-System, das 2015/2016 durch unsere Wirtschaftsprüfer erfolgreich auf Angemessenheit evaluiert wurde. Vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen auch im Forschungsbereich entwickelt Fraunhofer dieses System gemäß Prüfstandard IDW PS 980 (n.F.) wirksam weiter.
Abschließend ist zu betonen, dass die Fraunhofer-Gesellschaft durch erfolgreiches unternehmerisches Agieren an den Märkten den Umsatz seit dem Jahr 2012 von ca. 1,9 Milliarden Euro auf ca. 3 Milliarden Euro, mithin um über 50 Prozent, erhöht hat. Die Zahl der Mitarbeitenden wuchs von ca. 22.000 im Jahr 2012 auf rund 30.000 an. Unter den Forschungseinrichtungen in Deutschland ist Fraunhofer Spitzenreiter bei der Anzahl der Erfindungen, der neu angemeldeten Patente und der Gesamtanzahl der gewerblichen Schutzrechte. In den letzten zehn Jahren gehörten wir stets zu den 10 bis 20 größten Patentanmeldern beim Deutschen Patent- und Markenamt. Das geistige Eigentum von Fraunhofer umfasst mehr als 7000 Patentfamilien. In Arbeitgeber-Rankings belegt Fraunhofer zudem regelmäßig vorderste Plätze. Diese außerordentliche Erfolgsbilanz für den Standort Deutschland ist vor allem den engagierten und exzellenten Mitarbeitenden der Gesellschaft zu verdanken. Es wäre aber auch künftig hilfreich, dass die Führung der Fraunhofer-Gesellschaft weiterhin unternehmerisch handlungsfähig bleibt.”
Ende des Statements. Ich selbst habe den Bericht des Bundesrechnungshofes noch nicht gelesen. Er ist auf der Website des Rechnungshofes bislang nicht abrufbar. Werde ihn mir aber besorgen und dann weiter berichten. Bin gespannt, wie die Debatte im Bundestag über diesen Fall weiterläuft.