Der Sohn@Sohn-Newsletter: Europa und die sich verändernde Weltordnung

Die geopolitischen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Europa wurden vom Leiter des Regionalbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung für Asien, Marc Saxer, in einem Sohn@Sohn-Interview ausführlich erläutert.

Saxer betrachtet die gegenwärtige Situation, insbesondere den Krieg in der Ukraine, nicht isoliert, sondern als Zeichen für die sich verschiebenden globalen Kräfteverhältnisse. Dies könnte das Ende der sogenannten „Pax Americana“ bedeuten.

Die Zukunft der Weltordnung ist ungewiss. Während die Großmachtkonkurrenz zwischen den USA und China zunimmt, hoffen viele, dass künftige Konflikte eher ökonomischer und technologischer Natur sein werden. Eine wachsende Sorge ist die wirtschaftliche Entkoppelung und die Entscheidungen von Ländern zwischen unterschiedlichen Technologiewelten und Märkten.

Saxer, Autor des Buches „Transformativer Realismus“, weist darauf hin, dass die gegenwärtigen Entwicklungen das bisherige wirtschaftliche Modell Deutschlands beeinflussen könnten.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu sehen, ob die Welt weiterhin polarisiert bleibt oder ob Kooperationsmöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel, genutzt werden können.

In dieser Situation sind die Ratschläge für Europa und insbesondere für Deutschland von großer Bedeutung. Deutschland hat seit der Wiedervereinigung von Wettbewerbsvorteilen profitiert, wie zum Beispiel billige Energie aus Russland, eine hoch innovative Industrie und florierende Exportmärkte. Diese Vorzüge sind nun bedroht. Der Zugang zu Exportmärkten, insbesondere in China, wird immer problematischer. Darüber hinaus hat die deutsche Hochtechnologie-Industrie Schwierigkeiten, an der Weltspitze mitzuhalten.

Ähnliche Herausforderungen sind auch in Asien spürbar. Länder, die ihre Wirtschaft auf Export ausgerichtet haben, sehen sich mit dem Niedergang billiger Arbeitskraft konfrontiert, da Roboter und künstliche Intelligenz zunehmend dominieren. Protektionistische Tendenzen drohen und der Technologietransfer ist gefährdet.

Die USA verfolgen derzeit eine Strategie der Reindustrialisierung. Ein ähnlicher Weg könnte für Europa möglich sein, er erfordert jedoch eine aktive Industriepolitik. Aus einer asiatischen Perspektive ist der Rat klar: Europa sollte Asien nicht als monolithischen Block betrachten, sondern die vielfältigen Völker und Kulturen würdigen, die es beherbergt.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Unternehmen weltweit von der Dynamik des globalen Marktes profitiert, der als Innovationstreiber diente.

Diese Geschäftsmodelle, geprägt von Offshoring, Outsourcing und effizienzgetriebener Globalisierung, trugen erheblich zum wirtschaftlichen Wohlstand bei. Saxer weist jedoch darauf hin, dass wir möglicherweise an der Schwelle zu einer Neuausrichtung dieser Globalisierung stehen. Die Weltwirtschaft wird künftig stärker von politischen und geopolitischen Überlegungen geprägt und bestimmt sein.

Ein Großteil Asiens und auch Europas kann sich nicht länger darauf verlassen, dass der Export als Lokomotive den Rest der Wirtschaft antreibt. Es ist daher unerlässlich, neue Nachfragequellen zu erschließen. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sieht eine Notwendigkeit beim Umdenken des deutschen Geschäftsmodells: „Die USA entfalten gerade eine enorme Dynamik, es gibt einen Wettlauf um die Frage, wer das Saudi-Arabien des grünen Zeitalters wird. Was in den USA geplant wird und mit welcher Geschwindigkeit, steht in keinem guten Verhältnis zu dem Tempo, mit dem wir hier unterwegs sind. Wir bewegen uns immer noch in einem sehr gemütlichen Deutschlandtakt“, erläutert Schularick im Interview mit dem Spiegel. Wir würden rückwärts nach vorn marschieren.

Mehr dazu in unserem Newsletter.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.