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Der #DigitaleStaat bleibt ein Hirngespinst

Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch.

Das schrieb in einem Beitrag für das PR-Magazin vor einem Jahr: Die Digitalpolitik der Ampel-Regierung hat allenfalls Lutschpastillen-Wirkung. Trotz gegenteiliger Beteuerung fehlt auch in der neuen Bundesregierung unter Olaf Scholz ein Digitalministerium. Digital bleibt ein Sub-Thema im Verkehrsministerium. Die Rechtfertigungslyrik für diese Hinterzimmerkungelei klingt immer gleich: Ohnehin müsse jedes Ministerium über Digitalkompetenz verfügen, das sei ein Querschnittsthema, man müsse das jetzt besser koordinieren und gemeinsam anpacken. Laber, laber, sülz. Der „Digitale Staat“ bleibt ein Hirngespinst in der politischen Sphäre. Es fehlt an Kompetenz.

So wird auch nichts aus dem „Einer für Alle“-Projekt (EfA), das im Herbst 2020 im IT-Planungsrat für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) beschlossen wurde, um der lahmenden Digitalisierung auf die Sprünge zu helfen. Dilettantismus pur. Versucht mal, in Berlin einen Auszug aus dem Führerscheinregister zu bekommen – das grenzt an Arbeitsverweigerung! Man braucht sich nur die 26 EfA-Mindestanforderungen für das Funktionieren von Online-Diensten durchzulesen, um zu erkennen, wie das mit der Zuständigkeitsverteilung läuft in Deutschland. Das geht seit mehr als 20 Jahren so. Was sich Union, SPD, Grüne und FDP in unterschiedlichen Regierungskoalitionen in der Netz- und Digitalpolitik leisten, beurteilte eine Pressesprecherin aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministerium so: „Fehlgeburten mit Lutschpastillen- Wirkung, die mangels zentraler Zuständigkeit und politischen Nachdrucks in den verschiedensten Ressorts mit minimaler Sauerstoffzufuhr am Leben erhalten wurden. Ab und zu erfuhr der Netzpatient eine Reanimation, bevor er seine letzten Bits und Bytes aushauchte.“

Mit fällt spontan kein Bund-Online-Projekt ein, das nicht in der Mülltonne landete. Deshalb hat Bitkom Präsident Achim Berg recht: Die Digitalisierung dürfe kein Anhängsel mehr sein – „sie gehört ins Zentrum“. Ein echtes Digitalministerium müsse dafür sorgen, dass die Digitalpolitik in Deutschland kein Stückwerk mehr ist, so Berg. „Es muss die Kompetenzen für die Kernbereiche der Digitalisierung erhalten, also Verwaltungsdigitalisierung, E-Government, Telekommunikation, Breitbandausbau und die Förderung von Schlüsseltechnologien. Für die Federführung von Projekten in diesen Bereichen bedarf es dazu eines eigenen Budgets“, fordert Berg.

Er plädiert für ein Veränderungs- oder Beschleunigungsbudget mit dem Projekte der anderen Häuser unterstützt werden, wie man es teilweise in den Ländern finde. Ein Digitalministerium müsse dafür sorgen, dass die digitalen Bemühungen der Bundesregierung auf ein gemeinsames Leitbild einzahlen. „Das heißt, dass Prioritäten definiert und eingehalten werden“, so Berg. „Dazu bedarf es eigener Spiegelreferate, die die Verbindung in die anderen Ressorts sicherstellen.“ In der Praxis müsste das Digitalministerium auch das Recht haben, Maßnahmen per Veto zu stoppen, die im Sinne einer Digitalpolitik aus einem Guss überarbeitet werden müssen. Daraus wird nun wieder nichts: Die Digitalisierung in Deutschland krankt an einem Wirrwarr von Einzelmaßnahmen. Jede Initiative versickert in irgendwelchen Gremien und Gipfel-Schaulaufereien. Soweit mein Beitrag vor einem Jahr.

Wie viel Digitalkompetenz bringen die Entscheider des Staates wirklich mit? Und fressen die verantwortlichen Protagonisten auch ihr eigenes Hundefutter? Mein Verdacht: Häufig handelt es sich nur um Kompetenzsimulation.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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