
Christoph Deeg hat Fragen auf Twitter gestellt. Waren wir wirklich zu doof, digitale Räume selbst zu gestalten?
Ich sehe das nüchtern und pragmatisch. Twitter, Facebook, LinkedIn, YouTube und selbst Mastodon sind privatisierte Öffentlichkeiten, die in der Regel über Werbung finanziert werden und uns dafür vieles kostenlos zur Verfügung stellen. Es gelten Regeln wie in einem Kaufhaus. Wer gegen die AGBs verstößt, kann sanktioniert werden. Das kann beim Kaufhaus bis zum Hausverbot führen. Bei Social-Web-Plattformen droht als Höchststrafe die Verbannung. Vielfach willkürlich und ohne bedeutsame Widerspruchsmöglichkeiten für die User. Nicht erfreulich. Hier wären die Staaten gefragt, um Plattformen zu einer Internet-Governance zu bringen, wie bei ICANN. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich selbst bekenne mich freimütig zum Parasitentum im Sinne des Philosophen Michel Serres: „Die Macht suchte und sucht das Zentrum einzunehmen. Wenn sie von diesem Zentrum aus wirken, ihre Wirksamkeit bis an die Grenzen des Raumes entfalten, wenn sie bis an die Peripherie reichen soll, so ist es notwendig, dass es kein Hindernis gibt, dass der Raum um ihre Aktion homogen ist. Kurz, der Raum muss frei von Rauschen, von Parasiten sein. Um Gehorsam zu finden, muss man gehört, muss man verstanden werden, muss die Ordnungsbotschaft Stille vorfinden“, schreibt Serres.
Die Antipoden des Parasiten wollen Stille schaffen mit ihrem Vulgärkapitalismus. Motto: “Ich scheiß Dich zu mit meinem Geld”.
Der Parasit unterläuft diese neureichen Logiken und Launen der Tech-Monopolisten. Das technische Potenzial provoziert immer auch seine uneingeschränkte Nutzung – und sei es durch die parasitäre Piraterie. Der Parasit als Störfaktor kann seinen Wirt veredeln, aber auch töten. Wenn er nutzlos wird, sucht sich der Parasit einen neuen Wirt.

Und in 15 Jahren sind Musk und Co. dann wieder Geschichte. Der Parasit gedeiht fröhlich weiter.