
Die positive Prognose von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Konjunkturentwicklung in Deutschland löst nach einem Bericht der Bild bei Harvard-Professor Kenneth S. Rogoff Erstaunen aus, ): „Ich bin überrascht und verwundert, woher auf einmal dieser Optimismus kommt“, sagte der ehemaligee Chef-Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu BILD.
Rogoff prophezeit gegenüber Bild: „Europa und die Deutschen müssen sich darauf einstellen, dass sie ärmer werden.“
Putin habe schon in den vergangenen Monaten die Europäische nahe an den Abgrund gebracht. “Wer sagt denn, dass er die Situation nicht noch weiter eskalieren lassen wird? Ich zumindest möchte nicht ausschließen, dass er vielleicht sogar strategische Kernwaffen einsetzt.” Ich wusste gar nicht, dass Rogoff eine militärpolitische Expertise besitzt.
Die Frage sei nicht, ob Deutschland vor einer Wirtschaftskrise steht. Die Frage sei, wie schwer sie ausfallen wird.
Potenzielle Investoren würden deshalb einen großen Bogen um Europa und Deutschland machen: „Es gibt viele gute Gründe, jetzt gerade NICHT in Deutschland zu investieren. Die politische Lage verunsichert sie.“ So der Bild-Bericht.
Auf welcher empirischen Grundlage macht eigentlich ein Harvard-Ökonom solche Aussagen über Zukunftsentwicklungen? Es sind schlicht irrelevante Luftbuchungen und dünnes Gemunkel, was Rogoff herauslässt. Alle Indikatoren deuten darauf hin, dass wir 2023 keine Rezession erleben werden – vom Jahreswirtschaftsbericht bis zum Geschäftsklima-Index.
Dennoch haut ein Wirtschaftsprofessor solche alarmistischen Horrorbotschaften raus, die schlichtweg nicht überprüfbar sind. Rogoff orakelt. Und ein Orakel hat im Zweifelsfall immer recht. Entweder ist tritt ein Unheil ein oder es bleibt aus, dann lag es an den Warnungen vor dem Unheil, die zu einem Umsteuern beigetragen haben. Aber Rogoff, Rogoff, da war doch mal was? Richtig: Thomas Herndon versus Reinhart/Rogoff – Wenn inkompetente Excel-Ökonomen irren und zur Tagesordnung übergehen.
Wichtiger finde ich übrigens die Frage, warum Bild und Co. solche Crash-Phantasien unkritisch übernehmen? Das ist in der Kommunikationswissenschaft gut untersucht worden, etwa von Professor Kepplinger:
Systematische Vergleiche der Entwicklung der Risikoberichterstattung mit den tatsächlichen Entwicklungen der thematisierten Risiken ergeben ein klares Bild: In vielen Fällen bestand kein Zusammenhang zwischen der Berichterstattung über Risiken und Schäden und der tatsächlichen Entwicklung dieser Risiken.
Fazit von Kepplinger: Zwischen der Intensität der Berichterstattung und der tatsächlichen Größe von Risiken besteht keine systematische Beziehung. Die Intensität der Berichterstattung gibt keine verlässliche Auskunft über die Größe eines Risikos.
Konfrontiert mit öffentlichen Risiken nutzt ein Großteil der Bevölkerung Medienberichte wesentlich intensiver als normalerweise. Also auch bei Themen wie Krieg und Inflation.
Aufgrund ihrer intensiven Nutzung der Berichterstattung über öffentliche Risiken setzen sich viele ungewöhnlich starken Wirkungsdosen aus. Das prägt ihre Wahrnehmung von Risiken.
Die meisten Informationen über öffentliche Risiken sind negativ und rufen negative Emotionen hervor. Sie erhöhen die Schätzung der Wahrscheinlichkeit von allen möglichen, auch privaten Risiken.
Intensive Mediennutzung und intensive Suche nach Informationen zu Risiken führen nicht notwendigerweise zu besseren Kenntnissen. Beides kann die Kenntnisse erweitern, aber auch Irrtümer vergrößern und neue hervorrufen.
Daraus folgt: Angesichts von Risiken und Schäden verschafft mehr Mediennutzung nicht unbedingt mehr Wissen und Sicherheit, sondern kann die Verwirrung und Unsicherheit vergrößern.
Deshalb klafft ja die Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und die Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage so weit auseinander. Wobei die Äußerungen über die allgemeine Lage immer vom Medientenor beeinflusst sind. Und hier ist das Votum in der Regel viel negativer.
Die eigene Lage kann jeder wohl sehr gut beurteilen. Man kennt ja Kontostand und dergleichen.


Diese beiden Fragen würde ich bei Konjunkturprognosen viel stärker heranziehen. Oder immer das Gegenteil von Rogoff vorhersagen.
Dieses Buch sollte Rogoff lesen: Kepplinger, Hans Mathias. Risikofallen: und wie man sie vermeidet (German Edition).
Einfach mal einen Zirbenschnaps trinken und an den Prognosen feilen.