fbpx

Von leeren Phrasen und fehlendem Kundendialog

young troubled woman using laptop at home
Photo by Andrea Piacquadio on Pexels.com
white and black wall paint
Photo by Jan Prokes on Pexels.com

Jeden Tag brilliert das Service-Management in Wirtschaft und Staat mit Exzellenz: Champions, Dienstleistungsakrobaten, weltweit führende Glücksbringer und Kundenversteher. Abgesichert und bewiesen durch Trilliarden Umfragen, selbst geschneiderte Net Promoter Scores zur angeblichen Weiterempfehlung, Ranglisten, Awards, Studien und sonstige Selbstbeweihräucherungen: „Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt, er ist der König, Kaiser, Papst, der Umworbene, der wahre Boss und wir sind seine Untertanen.“ Klar. Solche Kalenderweisheiten passen in jedes Unternehmensleitbild.

Es wäre ja auch eine gewaltige Überraschung, wenn Firmen das Gegenteil anstreben würden. Dumm nur, dass es die Verbraucherinnen und Verbraucher manchmal gar nicht merken, welche Weltmeisterlichkeit sich im Service tummelt. Das tägliche Erleben sieht häufig anders aus: Skriptgesteuerte Call-Center-Rhetorik, dümmliche Beratung von der Stange, kryptische Bedienungsanleitungen, Stress mit komplizierten Geräten, überflutete Wartezimmer beim Onkel Doktor, Terminschlampereien von Kfz-Betrieben, Warteschleifen am Telefon, genervtes Verkaufspersonal und User-Interfaces aus der Technokraten-Hölle. Wo liegt die Ursache? Selten an den armen Seelen im Kundenservice. Es fängt oben an. “Häufig werden die Unternehmen von innen nach außen gedacht und die Prozesse vor allem für sich selbst optimiert”, schreibt Oliver Sowa in einem Beitrag für New-Management unter dem Titel “Das meiste Elend kommt von oben”.

Oftmals sind strenge Hierarchien und die generellen Strukturen im Unternehmen verantwortlich für schlechten Kundenservice: “Vertikale Entscheidungswege von oben nach unten und wieder zurück, Abteilungssilos, exakte Zielvorgaben, Kontrollmechanismen oder Incentivierungen wie Verkäuferprovisionen waren bei genauer Betrachtung kundenfeindlich. Wer war dafür verantwortlich, dass wir nicht vordergründig für den Kunden arbeiteten? Sicher nicht unsere Mitarbeitenden, sondern in erster Linie wir als Geschäftsleitung. Unsere Art, das Unternehmen zu denken, zu bauen und zu führen” erläutert Sowa.

Unternehmen sollten viel häufiger den Versuch wagen, einfach nur mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen, sie von Produkten und Diensten zu überzeugen, Kritik nicht als feindlichen Angriff zu werten, Anregungen zur Verbesserung der Angebote zu nutzen und Servicewünsche direkt ohne Warteschleifen-Bürokratie zu erfüllen. Wie in der Kneipe oder im Café, wenn man mit Bekannten, Verwandten oder Freunden zusammensitzt. Niemand würde dort von multifunktionalen Servicemitarbeitern, intermodularen Potenzialen, proaktiven Content-Strategien, Total Experience Management oder Human Centricity fabulieren. Solche Powerpoint-Rhetorik-Endlosschleifen entpuppen sich als unfreiwillige Humorproduktion. Die abstruse Überhöhung von Nichtigkeiten und Leerformeln erweist sich spätestens an irgendeiner 0800-Hotline als reines Marketing-Gesabbel.

Es wäre ja schon mal ein großer Fortschritt, wenn Organisationen sich ihren Schönwetter-Gesprächsmodus abgewöhnen und normale Gespräche führen würden. Als weiteren Indikator könnte man die Aktivitäten der Unternehmen und sonstigen Organisationen in sozialen Medien heranziehen. Wie oft sprechen denn Mitarbeitende und Vorstand mit Interessenten, Kunden und Kritikern? Wie oft werden Kundenanfragen im Social Web beantwortet und wie zufrieden sind die Anfragenden? Wie dauerhaft wird über Themen gesprochen, die in Corporate Blogs präsentiert werden? Wer erhebt die Daten? Wird die Methodik ausreichend beschrieben? Wie in analogen Zeiten wird die Online-Fliegenbein-Zählerei von jenen Agenturen durchgeführt, die auch für die Online-Kampagnen verantwortlich sind. Herr K., der früher bei o.tel.o tätig war, als es noch zu RWE und Veba gehörte, kann das bestätigen. Jedenfalls war das einemal Gegenstand unserer Disputation. Meine Replik zu den internen Zahlen zur Bewertung einer Werbekampagne, die über ein Tochterunternehmen der beauftragten Werbeagentur erhoben wurden, war jedenfalls eindeutig. “Dann könnte Sie auch meine Oma fragen, wie sie ihren Lieblingsenkel beurteilt.” Da war aber Holland in Not in diesem Meeting. Schließlich ging es um eine 60 Millionen Euro schwere TV-Werbung. Valide Daten stören eher, um sich gegenüber der Chefetage zu profilieren.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

1 Kommentar zu "Von leeren Phrasen und fehlendem Kundendialog"

  1. Ich stimme zu, dass Unternehmen sich stärker auf den Kundenservice konzentrieren und echte Gespräche mit ihren Kunden führen sollten. Durch die Verbesserung der Kommunikation und Beziehungen zu Kunden können Unternehmen die Kundenzufriedenheit verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit steigern und langfristigen Geschäftserfolg schaffen.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d