Konservative Revolution, #Dobrindt und die parfümierten Nazis

Es fehlen Denker wie Röpke

Ich weiß nicht, ob und welche CSU-Ghostwriter der Politiker Alexander Dobrindt zur Verfügung hat. Aber die Ausrufung einer „konservativen Revolution“, die er im ZDF-Interview mit Marietta Slomka dann etwas relativieren wollte, ist historisch betrachtet mehr als problematisch.

Weiß er eigentlich, auf welch dünnem AfD-Eis er da marschiert?

Dobrindt könnte ja mal ein wenig in den Archiven kramen, um nachzulesen, wie leichtfertig er mit Begriffen hantiert. Etwa in den Schriften des Ökonomen Wilhelm Röpke, einem der Architekten der Sozialen Marktwirtschaft:

Was Röpke in der kritischen Situation der Jahre 1931 und 1932 besonders empörte, war die leichtfertige Katastrophensucht, mit der viele bürgerlich-konservative Intellektuelle das Ende der Weimarer Republik und das Ende ihres angeschlagenen Wirtschaftssystems herbeizureden bemüht waren, um den Weg für ein „neues Zeitalter“ politischer und wirtschaftlicher Ordnung zu bahnen.

Sein Blick richtete sich dabei auf die „parfümierten Nationalsozialisten“, die in ihrer konservativ-revolutionären Zeitschrift „Die Tat“ im Pessimismus schwelgten, sich an der Vertrauenskrise des Wirtschaftssystems labten und in schwülstigen Gedanken über wirtschaftliche Autarkie ergingen. Die Protagonisten der konservativen Revolution waren antiparlamentarisch, antirepublikanisch und völkisch unterwegs.

Unter dem beherrschenden Einfluß von Ferdinand Zimmermann alias „Ferdinand Fried“, Giselher Wirsing, Horst Gruenenberg oder Hans Zehrer wurde ein strikter Agrarprotektionismus, kollektivistische Planwirtschaft, Devisenzwangswirtschaft und staatliches Außenwirtschaftsmonopol als Weg zum nationalen Heil gepredigt.

Dass im Juni-Heft 1931 die Brauns-Kommission als „Beerdigungsinstitut“ verhöhnt wurde, mochte das Fass für Röpke zum Überlaufen gebracht haben, jedenfalls ergriff er im September 1931 in der Frankfurter Zeitung in drei kurz aufeinander folgenden Artikeln die Feder gegen Ferdinand Fried und seine Mitstreiter.

Dass er aus seinem Herzen keine Mördergrube machte, wurde schon an dem herausfordernden Pseudonym deutlich, hinter dem er sich verbarg: „Ulrich Unfried“. Angewidert von dem intellektuellen Antiliberalismus des „Tat“-Kreises und bestürzt über den ökonomischen Dilettantismus seiner Protagonisten, stellte er heraus, wie sehr sich die Antikapitalisten von links und rechts im Wunschbild des „totalen Staats“ begegneten.

Der Deutlichkeit halber bezeichnete er diesen vom „Tat“-Kreis als Gegenpol des privatkapitalistischen Abendlandes angestrebten „totalen Staat“ als „Termitenstaat“ – eine Metapher, die fortan aus seiner Kritik an allen Spielarten des Kollektivismus nicht mehr wegzudenken war. Sein Zorn galt vor allem Fried: „Ein freudiges Sichwälzen in der Suhle der Barbarei“, „Nationalsozialismus der geistig Anspruchsvollen“, „ein Gemisch von Börsenklatsch und Oswald Spengler“, „neurotische Rebellen“, denen er in Anspielung an Siegmund Freud ein „Unbehagen an der Kultur“ attestierte – in solch drastischen Formulierungen ließ er seiner Empörung freien Lauf und rief zum geistigen Widerspruch auf:

„An eine Besserung der wirtschaftlichen Lage ist nicht zu denken, wenn es nicht in kürzester Zeit gelingt, unserem Wirtschaftssystem jene psychischen Reserven des Vertrauens, der Befriedung und der Vernunft zurückzugewinnen, ohne die auch unsere Kultur nicht länger bestehen kann, mit einem Worte, wenn es nicht gelingt, die Barbaren zurückzuschlagen. Jeder möge sich zu diesem Kampfe aufgerufen fühlen.“

Den Kampf gegen die autarkistischen Hirngespinste setzte Röpke noch bis in die letzten Tage der Weimarer Republik fort. Anfang Dezember 1932 entlarvte er in einem weiteren Artikel für die Frankfurter Zeitung die agrarprotektionistische Parole der „Nahrungsfreiheit“ als Forderung nach „Freiheit von der Nahrung“. Auch im Januar 1933 ergriff er noch einmal in der Zeitschrift „Der deutsche Volkswirt“ das Wort gegen Fried:

„Es ist wirklich eine Qual, sich durch diese grundsätzlichen Betrachtungen Frieds hindurchzuarbeiten. Jeder kennt diese Gattung neudeutscher Literaten, diese Geschichtsphilosophie, diese morbide Romantik, diese Entstellung des Liberalismus, diese Verachtung der Nationalökonomie, dieses Gerede von ‚Preußentum’ und ‚Reich’, um auf alles gefasst zu sein.“

Vernunft, Freiheit, Humanität und die Achtung des Menschentums verteidigte Röpke in einem Vortrag am 8. Februar 1933 als Voraussetzungen einer in Jahrtausenden auf ungeschriebenen Normen beruhenden Kulturleistung, an deren Stelle eine „Verrohung“ und „Verpöbelung“ getreten sei, „deren sich wohl selbst unsere germanischen Vorfahren geschämt haben würden.“ Dieser barbarische Nihilismus habe die Weltkrise in all ihren wirtschaftlichen, sozialen und seelischen Ausprägungen erst eigentlich ausgelöst, zu ihrer Lösung trage die Verleugnung und Verhöhnung der okzidentalen Kultur, wie sie von den Nationalsozialisten betrieben werde, nichts bei:

„Man kann nicht in die Urwälder Germaniens zurücklaufen wollen, man kann nicht Massenverdummung predigen und einen Sturm zerstörender und zuchtloser Gefühle entfachen, während der Apparat unserer Massenversorgung immer komplizierter geworden ist und immer höhere Ansprüche an die Intelligenz und Disziplin der Menschen stellt. Eine Katastrophe muss eintreten, wenn die Menschen immer dümmer und roher werden, während sich die Technik und die Organisation immer mehr verfeinern.“

Da Röpke sich jeder Kollaboration mit den Nazis verweigerte und weitere Gelegenheiten nutzte, um den neuen Herren seine moralische und intellektuelle Verachtung zu bekunden, wurde Röpke im Frühjahr 1933 als einer der wenigen Nichtjuden von der ersten Säuberungswelle an den deutschen Universitäten erfaßt und ins Exil – zunächst nach Istanbul, seit 1937 nach Genf – gezwungen. Die Mitglieder des Tat-Kreises betrachtete er zeitlebens als geistige Brandstifter.

Welche Geister will eigentlich der CSU-Politiker Alexander Dobrindt revitalisieren? Er ist und bleibt ein politisches Leichtgewicht.