Der Stern ist enttäuscht von Julia Engelmann – ich nicht :-)

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Vor wenigen Wochen bejubelte Stern Online das von vielen umjubelte Video von Poetry-Slammerin Julia Engelmann. „Doch nachdem wir sie etwas besser kennengelernt haben, ist die Beziehung abgekühlt. Schon damals gab es Kritiker, die auf das Kalkulierte ihres Auftrittes hinwiesen. Die anmerkten, dass Engelmann immerhin zwei Jahre in der RTL-Soap ‚Alles was zählt‘ mitgespielt hatte – und somit ziemlich genau weiß, wie man sich vor einer Kamera in Szene setzt. Davon übrigens im NDR kein Wort.“

Der Auftritt von Engelmann in der NDR-Talkshow habe nun alles verändert. Was der Stern-Autor verloren hat: „den festen Glauben daran, dass da ein junges Mädchen völlig unvorbereitet in einen Internet-Candystorm geraten ist. ‚Du machst das so schlau. Du sagst das so schön. Und ich nehm’s dir so ab!‘, jubelte Schauspielerin Anna Loos am Freitag im NDR.“

Immerhin eine Unterhaltungssendung, bei der sich meistens alle unheimlich lieb haben und kräftig verbal miteinander kuscheln. So läuft in der Regel jede Sendung ab, mit Ausnahme der Auftritte von Klaus Kinski. Hier ein Ausschnitt aus „Je später der Abend“:

Dass nun die Mutter Engelmann ihre Tochter über den grünen Klee lobt und Julia Engelmann dazu noch lächelte, wertet der Stern-Redakteur wohl schon als Verrat am Nonkonformismus. Sollte die Poetry-Slammerin lieber mit dem Kopf schütteln und der werten Mama den Stinkefinger zeigen?

War nun alles inszeniert und einstudiert, was sich in den vergangenen fünf Wochen im Netz abspielte?

Den offenen Brief von Kai an den Stern-Redakteur kann ich daher gut verstehen.

Und das es durchaus Phänomene im Netz gibt, die mit Verspätung zünden, kann der enttäuschte Stern-Mann im Opus „Die stille Revolution“ von Mercedes Bunz nachlesen:

Nutzer der neuen, digitalen Angebote seien nicht länger besorgt, etwas zu verpassen. Es gibt Netzwerkeffekte über die asynchrone Kommunikation! Auf diese Weise entsteht eine virale Logik, die Mercedes Bunz am Beispiels des Globalisierungsvideos “Did You Know?/Shift Happens” (Filmmusik aus Braveheart) veranschaulicht.

Der Film entstand 2006 und wurde erst im Laufe der Zeit ein Erfolg, weil immer mehr Blogger das Video kommentierten und ein halbes Jahr nach der Entstehung auf Youtube veröffentlichten. Mittlerweile liegen die Zugriffszahlen bei über 5,6 Millionen.

“Damit ist das Video zu einem viralen Erfolg geworden, mit der britischen Psychologin Susan Blackmore kann man sogar sagen, es wird zu einem ‘Meme’. Es wird also nicht einfach nur wiedergegeben, sondern ist zum Vorbild und Muster geworden, das in verschiedenen Fassungen verbreitet wird”, schreibt Bunz.

Was daraus entsteht und wie Julia Engelmann damit umgeht, wird man sehen. Wenn sie diesen Scoop zur persönlichen Vermarktung nutzt und beruflich Erfolg hat, ist das doch klasse. Und das die Mutti stolz ist, kann ich gut nachvollziehen. Meine Mama ist auch immer Stolz auf Sachen, die ich so verzapfe – auch wenn sie manchmal nur so mittelgut sind. So sind Mütter nunmal und das ist gut so 🙂