
Der Welt am Sonntag-Chefredakteur Johannes Boie begrüßt heute seine Leserinnen und Leser ganz herzlich mit der Nachricht, dass der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ausgiebig auf seinem Handy Spiele zocke. Bis zu „zehn Level Candy Crush schaffe ich“, sagte er über die MPK. Das Gremium sei eines der wichtigsten des Staates in der Pandemie, betont Boie.
“Dort werden die Grundrechte der Bürger ausgesetzt, dort wird über die schlechte Impfstrategie gesprochen. Salopp sprach Ramelow über verstorbene Bürger. ‘Zu viele Tote’ habe sein Land gerade, erklärte der Ministerpräsident, als dass er derzeit in Debatten Punkte machen könne. Ramelow nannte die Bundeskanzlerin ‘das Merkelchen’. Wenngleich die Worte in lockerer Atmosphäre fielen, war offensichtlich, dass Ramelow sie ernst meinte. Er erzählte, was ihm in den Kopf kam, wohl wissend, dass ihm zeitweise mehr als 1000 Menschen zuhörten, darunter sehr viele Journalisten, dass mit Manuela Schwesig (SPD) eine weitere Ministerpräsidentin, und weitere bekannte Politiker anwesend waren. Den offenen Einblick in sein Denken und Handeln während des größten Grundrechtseingriffs seit Bestehen des Landes gab Ramelow in einer neuen Handy-App mit dem Namen Clubhouse (Seite 34), in der er – wie auch Schwesig – am Freitagabend mehrere Stunden mit SPD-Parteinachwuchs (Jusos) und anderen Jugendlichen sprach. Clubhouse ist ein neues soziales Netzwerk, in dem die Nutzer miteinander sprechen, statt zu schreiben”, so der WamS-Mann. Über Ramelows politische Äußerungen, sein von ihm selbst beschriebenes Verhalten in der Pandemie zu schreiben, sei journalistische Pflicht, meint Boie.
“Wütend und mit wachsender Verzweiflung versucht er sich bis 1.39 Uhr am Sonntagmorgen in mehreren Gesprächsrunden zu wehren und zu erklären – bekommt die Zahnpasta aber nicht mehr zurück in die Tube. Sein Fazit, kurz bevor er sich ins Bett verabschiedet: Das sei ihm ‘eine Lehre’, das Verhalten von Boie mache die lockere Atmosphäre im Clubhouse ‘kaputt’. Daniel Bouhs verweist auf Twitter ungehört darauf hin, dass bei Gesprächen aus Clubhouse-Unterhaltungen laut den Richtlinien des Dienstes nur zitiert, aufgezeichnet oder transkribiert werden darf, wenn eine Erlaubnis der Beteiligten vorliege. Gegenargument der anwesenden Journalisten: Die Meinungs- und Pressefreiheit stehe über Firmenrichtlinien. Fazit: Die insgesamt vier Stunden, die Ramelow auf Clubhouse verbracht hat und an deren Anfang er “Bella ciao” und am Ende “Die Gedanken sind frei” singt, werden als erster großer Kommunikations-Fail in die Geschichte von Clubhouse eingehen. Einer Plauder-App, die jetzt einerseits durch die Decke gehen könnte, andererseits von Kommunikationsprofis fortan mit dem Warnhinweis versehen werden muss: Der Feind hört mit”, so die Meldung von turi.
Was denkt Ihr? Ich möchte heute um 18 Uhr im Clubhouse über dieses Thema sprechen.
Man hört sich im Clubhouse um 18 Uhr.