
Die Abmahnlust der Neospießer
Über die hausmeisterlichen Abmahnvereine und die Unsitte der Massenabmahnungen habe ich mich ja schon einige Male ausgelassen – etwa über hgm-Press.
Das Zentrada-Magazin berichtet nun über eine interessante Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg (Az. 3 U 348/13). Ein IT-Unternehmen hatte über einen Anwalt innerhalb von acht Tagen 199 “Mitbewerbern” eine Abmahnung zustellen lassen, weil die betroffenen Unternehmen kein Impressum auf ihrer Facebook-Seite angegeben hatten. Die Nürnberger Richter werteten den Unterlassungsanspruch der Klägerin als unzulässig. Ein Missbrauch bei Abmahnungen liege vor, wenn überwiegend sachfremde, nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt werden und diese als die eigentliche Triebfeder sowie das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die “Abmahnwelle” stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit der Klägerin. Sie habe Abmahnungen in großer Zahl ausgesprochen, obwohl die Firma finanziell schwach gewesen sei.
“Sie wurde mit einem Stammkapital von 25.000 Euro durch Gesellschaftsvertrag vom 29.07.2011 gegründet und am 16.08.2011 ins Handelsregister eingetragen”, schreibt das Zentrada-Magazin.
Zum Zeit der Abmahnungen bestand die Firma gerade ein Jahr. Bis zu den Abmahnungen waren Rechnungen erstellt, die Bruttoerlöse von weniger als 50.000 Euro, Nettoerlöse von knapp 41.000 Euro zum Inhalt hatten. Dem stünden angefallene Kosten allein für die Abmahnungen in Höhe von über 52.000 Euro gegenüber. Allein diese Relationen lassen auf Rechtsmissbräuchlichkeit schließen. Darüber hinaus habe die Klägerin für das Auffinden der Verstöße eine Suchsoftware verwandt. Damit handelte es sich um ein “massenhaftes systematische Durchforsten”. Auch das sei ein weiteres Indiz für den Rechtsmissbrauch der Abmahnungen. Die Klage wurde abgewiesen. Bravo. Generell fehlt die direkte Betroffenheit, die Abmahnungen über das Regelwerk des Wettbewerbs rechtfertigen.
Noch ätzender ist das bei den Abmahnvereinen, die wie Fließbandproduktionen funktionieren. So will die Deutsche Umwelhilfe, die merkwürdigerweise auch als Abmahnverein gelistet ist, ab dem 1. Juli (also seit gestern) mit “Feinstaub-Kontrollteams” die Einhaltung der Luftreinhaltevorschriften in den unterschiedlichen Umweltzonen stichprobenhaft überprüfen und festgestellte Verstöße den Ordnungsbehörden melden. Die zeigen wahrscheinlich auch ihre Nachbarn an, wenn die falsch parken. Nette Gesinnung.
Die liebwertesten Abmahn-Gichtlinge sollte man sich etwas genauer anschauen:
DSW – Deutscher Schutzverband gegen Wirtschaftkriminalität e.V. Frankfurt/Main
Deutsche Umwelthilfe e.V. (Radolfzell)
INTEGRITAS – Verein für lautere Heilmittelwerbung
Mister A.T.Z. Vereinigung Kfz-Mehrmarkenwerkstätten Deutschland e.V.
Pro Honore e.V.
Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW)
Verein für Datenschutzkontrolle e. V.
Verein für lauteren Wettbewerb (Frankfurt)
Verein für lauteren Wettbewerb (Hamburg)
Verein für lauteren Wettbewerb (Schleswig-Holstein)
Verein für lauteren Wettbewerb (Stuttgart)
Verein gegen Unwesen in Handel & Gewerbe
Verein zur Regelung des sozialen Wettbewerbs e. V.
Verein zur Wahrung berechtigter Interessen des Einzelhandels Hildesheim
VvW – Vereinigung von Wirtschaftsorganisationen zur Förderung des lauteren Wettbewerbs
Wettbewerbszentrale
Wirtschaft im Wettbewerb – Verein für Lauterkeit in Handel und Industrie e.V.
Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs e.V. (ZLW)
Unangenehme Zeitgenossen, fragwürdiges Geschäftsprinzip 🙁