Wenn WordPress loslässt, wird das Fediverse klüger #BloggerCamp @blog@kaffeeringe.de

Steffen Voß schreibt über ein Detail, das in WordPress-Ecken gern als „Plugin-Kleinkram“ abgetan wird – und zeigt, warum genau diese Kleinigkeiten darüber entscheiden, ob das Fediverse als offenes Netz funktioniert oder als bloßes Twitter-Ersatztheater endet. Sein Text ist weniger Empörung als Übersetzungsarbeit: Er nimmt eine technische Änderung (die Abkündigung der bisherigen Einstellmöglichkeit, wie Posts auf Mastodon erscheinen) und legt sie so aus, dass sie plötzlich wie das wirkt, was sie im Kern ist: eine Reifung des Protokoll-Denkens.

Was Voß richtig gut macht: Er verwandelt Frust in Verständnis

Der Ausgangspunkt ist klassisch: „Früher konnte ich einstellen, wie es aussieht – jetzt nicht mehr.“ Genau an dieser Stelle kippen viele Texte ins Nostalgische oder ins Misstrauische („Entwickler nehmen uns Kontrolle weg“). Voß geht den anderen Weg: Er fragt nach, hört zu, und baut aus der Antwort eine kleine Argumentationsbrücke, die auch Nicht-Nerds tragen kann.

Das ist nicht nur nett, das ist zentral – denn ActivityPub ist nicht „ein weiteres Teilen-Feature“, sondern ein Protokoll, das dezentrale Interaktion ermöglicht. Genau so beschreibt es auch die Spezifikation: ActivityPub ist ein dezentraler Standard für soziale Netzwerke, der Zustellung und Interaktion zwischen unabhängigen Systemen regelt.

Die Pointe der Abkündigung: Nicht „weniger“, sondern „richtiger“

Matthias Pfefferles Begründung – so wie Voß sie paraphrasiert – zielt auf ein Prinzip, das man im offenen Web immer wieder lernen muss: Der Publisher liefert möglichst gute Informationen; die empfangende Plattform entscheidet über die Darstellung. Das ist ein Bruch mit der Crossposting-Denke („Ich bestimme, wie es überall aussieht“) – und zugleich die Voraussetzung dafür, dass unterschiedliche Clients (Mastodon, Friendica, Pixelfed usw.) ihre Stärken ausspielen können.

Dass das kein bloßes Ideal ist, sieht man sogar in der Entwicklung des Plugins selbst: Im Changelog wird explizit beschrieben, dass ActivityPub inzwischen standardmäßig eine automatisierte Objekttyp-Auswahl nutzt und die frühere manuelle Variante nur noch als Kompatibilitäts-Option in „Advanced“ weiterlebt. Das ist ziemlich genau die Bewegung, die Voß’ Text erklärt: weg vom „Template-Tuning“ hin zu mehr semantischer Korrektheit.

„Das ist kein Crossposting“ – der wichtigste Satz im ganzen Stück

Voß trifft einen Nerv, wenn er den häufigsten Denkfehler anspricht: Viele halten ActivityPub für eine raffiniertere Tweet-Schleuder. Tatsächlich wird das Blog mit Plugin zu einem Account im Fediverse – inklusive Follow-Beziehung, Timeline-Ausspielung und Rückkanal. Genau so wird es auch in der offiziellen Plugin-Beschreibung formuliert: Ein WordPress-Blog fungiert als föderiertes Profil, dem man folgen kann; Autoren können eigene Profile haben.

Und mehr noch: Replies aus dem Fediverse landen als Kommentare im Blog – die „Reaktionen“ bleiben am Ursprungstext kleben. Das beschreibt auch Pfefferle selbst in einem WordPress.com-Kontext als zentrales Versprechen: Antworten von Fediverse-Plattformen werden zu WordPress-Kommentaren und erzeugen eine synchronisierte Diskussion.

Voß formuliert daraus einen kulturellen Gewinn: Die Leserschaft verteilt sich, die Konversation sammelt sich.

Der unterschätzte Hebel: Post-Formate als Signal, nicht als Deko

Ein besonders starker Abschnitt ist der über WordPress-„Formate“ (Link, Status, Audio …). Voß zeigt: Das ist nicht Kosmetik, sondern ein maschinenlesbares Signal, das ActivityPub in unterschiedliche Objektformen übersetzen kann – was dann wieder Clients nutzen können (z. B. Audio-Player in Mastodon-Apps, wenn ein Beitrag als Audio rausgeht). Diese Perspektive ist Gold wert, weil sie den Blick von „Wie sieht’s aus?“ auf „Was ist es?“ verschiebt. Genau dort beginnt Protokoll-Intelligenz.

Wie spielen WordPress und Mastodon zusammen?

Bis­her konn­te man im Acti­vi­ty­Pub-Plug­in für Word­Press immer ein­stel­len, wie die Posts bspw. bei Mast­o­don ange­zeigt wer­den. Die­ses Fea­tures ist jetzt abge­kün­digt und der Plug­in-Ent­wick­ler Mat­thi­as Pfef­fer­le (@pfefferle) hat mir in sei­ner öffent­li­chen Sprech­stun­de am Frei­tag erklärt, wie­so das so ist. 

Es ist so cool: Mit dem Acti­vi­ty­Pub-Plug­in wird die eige­ne Word­Press-Web­site Teil des Fedi­ver­se. Alle Bei­trä­ge sind auto­ma­tisch auch in den Time­lines von Fol­lo­wern bei Mast­o­don, Fri­en­di­ca oder Pixel­fed. Vie­le Men­schen ver­ste­hen nicht gleich, dass das kein auto­ma­ti­sches Cross­pos­ting ist, wie man es von Twit­ter kennt. Das Blog ist ein­fach ein wei­te­rer Ser­vice im Fediverse. 

Man kann die Blog­posts bei Word­Press in ver­schie­de­ner Art dar­stel­len: So, wie es auf dem gro­ßen Bild­schirm am Desk­top-PC aus­sieht. So klein, wie es auf einem Tablet oder Smart­phone aus­sieht. Es gibt den RSS-Feed, den man mit dem Feed­rea­der abon­nie­ren kann. Und jetzt gibt es mit dem Acti­vi­ty­Pub-Plug­in noch den Acti­vi­ty­Pub-Feed, den man bspw. mit sei­nem Mast­o­don-Account abon­nie­ren kann, als wäre es ein ande­rer Mastodon-Account.

Das hat bei­spiels­wei­se den Vor­teil für mich als Blog­ger, dass Ände­run­gen an alle aus­ge­spielt wer­den, wenn ich an mei­nem Blog­ar­ti­kel nach­träg­lich noch etwas ände­re. Außer­dem bekom­me ich mit, wenn Leu­te mei­nen Blog­ar­ti­kel liken, tei­len oder kom­men­tie­ren. Die Kom­men­ta­re lan­den auto­ma­tisch unter mei­nem Blog-Artikel.

Option: „Activity-Objekttyp“?

Was aber macht nun die­se erwei­ter­te Ein­stel­lung zum „Acti­vi­ty-Objekt­typ“? Dort steht als Erklärung:

„Ver­wen­de Tem­p­la­te-Schlag­wör­ter, statt das Plug­in für dich das bes­te mög­li­che For­mat aus­wäh­len zu las­sen. Dient pri­mär der Abwärts­kom­pa­ti­bi­li­tät. Es wird aber nicht emp­foh­len, die Tem­p­la­te-Schlag­wör­ter zu benut­zen, weil sie in künf­ti­gen Ver­sio­nen mög­li­cher­wei­se nicht mehr unter­stützt werden.“

Ich habe das nicht ver­stan­den und Mat­thi­as danach gefragt. Ich benut­ze das Plug­in schon sehr lan­ge und ich kann­te die­se Ein­stel­lun­gen, bei denen man fest­le­gen kann, wie ein Blog­post bei Mast­o­don ange­zeigt wird. Ich hat­te für mich immer ein­ge­stellt: Über­schrift, Anrei­ßer, Link zum Arti­kel und das Arti­kel­bild. So sah es für mich am bes­ten aus. Denn wenn man damals die auto­ma­ti­sche Opti­on gewählt hat, hat Mast­o­don ein­fach den kom­plet­ten Arti­kel dar­ge­stellt. Aber häss­lich. Weil Mast­o­don fast kei­ne For­ma­tie­run­gen kennt, fehl­ten Zitat-Her­vor­he­bun­gen, Zwi­schen­über­schrif­ten usw. 

Mat­thi­as hat mir erklärt, dass sein Ziel ist, dass sein Plug­in jeder Platt­form mög­lichst vie­le Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung stellt und dann soll die exter­ne Soft­ware ent­schei­den, wie das für ihre User am bes­ten aus­sieht. Mast­o­don soll also ent­schei­den, wie ein Word­Press-Blog­post am bes­ten aus­sieht. Das hat sich inzwi­schen geän­dert. Wenn man sich – wie Mat­thi­as emp­fiehlt – auf die neue Stan­dard-Ein­stel­lung ver­lässt, dann zeigt Mast­o­don nicht mehr den kom­plet­ten Arti­kel an, son­dern Über­schrift, Anrei­ßer, Link – und den dann mit einer Vor­schau. Also im Prin­zip so, wie ich mir das auch über­legt hatte.

Fri­en­di­ca bspw. kann kom­ple­xe­re For­ma­tie­run­gen dar­stel­len. Wer mei­nem Blog mit sei­nem Fri­en­di­ca-Account folgt, kann den kom­plet­ten Arti­kel in sei­ner Time­line lesen. Kei­ne Ahnung, wie das dann genau aus­sieht. Aber das muss Fri­en­di­ca und sei­ne Nut­zer­schaft wissen. 

Den ganzen Artikel auf Mastodon?

Will man eigent­lich, dass der eige­ne Arti­kel kom­plett in der Mast­o­don- oder Fri­en­di­ca-App zu lesen ist? Mar­tin Thiel­ecke (@mthie) hat neu­lich eine klei­ne Dis­kus­si­on dar­über gestar­tet, dass Leu­te auch im Fedi­ver­se nicht auf Links kli­cken. War­um soll­te ich mei­nen gan­zen, schö­nen, selbst geschrie­be­nen Arti­kel in ein Sozia­les Netz­werk kippen? 

Die­sen Impuls hat­te ich auch ursprüng­lich. Mit der Web­site des Bar­camps Kiel habe ich ein­mal aus­pro­biert, wie das so ist, wenn man das macht. Die Inhal­te da, waren mir nicht ganz so wich­tig, wie die in mei­nem eige­nen Blog. Mein Fazit: Das ist schon cool, weil es eben nicht die kom­mer­zi­el­le Platt­form eines Mil­li­ar­därs ist und die Inhal­te wei­ter­hin in mei­nem Blog sind. Das ist kein Lin­ke­dIn-Arti­kel. Das ist wei­ter­hin ein Blog-Post in mei­nem Blog – er erreicht aber auch noch ein­mal Leu­te, die mir per Mast­o­don o.ä. fol­gen. Die Leu­te kön­nen den Bei­trag likes, tei­len, kom­men­tie­ren und die­se Reak­tio­nen wer­den in mei­nem Blog gesam­melt. Es bleibt alles an einem Ort, auch wenn die Leser­schaft ver­teilt ist.

Die Feineinstellungen

Ein Fea­ture, das ich in Word­Press bis­her kom­plett igno­riert habe, sind die For­ma­te. Wenn Du einen neu­en Arti­kel anlegst, hast Du rechts die­sen Blog mit den Grund­ein­stel­lun­gen: Bei­trags­bild, Ver­öf­fent­li­chungs­da­tum, Autor usw. Da gibt es auch die Opti­on „For­mat“ und dort kann man Links, Sta­tus, Video, Bild usw. auswählen. 

Mat­thi­as hat mir erklärt, je nach­dem was ich hier aus­wäh­le, schickt Acti­vi­ty­Pub das in einem ande­ren For­mat raus und Mast­o­don, Fri­en­di­ca usw. kön­nen ent­schei­den, wie das am bes­ten dar­ge­stellt wird. Pos­tet man bspw. eine Pod­cast-Fol­ge und wählt als For­mat „Audio“, dann kann Mast­o­don das mit einem ein­ge­bet­te­ten Audio-Play­er anzei­gen und dei­ne Fol­lower kön­ne die neu­es­te Fol­ge direkt aus der Mast­o­don-App hören.

Ich glau­be, wir krat­zen bis­her nur an der Ober­flä­che des­sen, was man mit Acti­vi­ty­Pub als Pro­to­koll errei­chen kann. Wir haben immer noch nicht ganz ver­stan­den, dass das kein Cross­pos­ting ist und dass wir unse­re Tex­te nicht her­ge­ben, wenn die Men­schen sie in ihrer App lesen.

Es bleibt nur der Nach­teil, dass man die Lesen­den nicht wirk­lich auf das eige­ne Blog holt. Sie sehen das eige­ne, wun­der­schö­ne Lay­out nicht. So wer­de nicht von der Sta­tis­tik gezählt. Aber nun ja – wenn das der Preis ist für eine brei­te­te Leser­schaft, dann könn­te es das wert sein. 

Mich hat Mat­thi­as über­zeugt. Ich habe die Lega­cy-Ein­stel­lung aus­ge­schal­tet und ver­las­se mich ab sofort dar­auf, dass er und die ande­ren Ent­wick­ler da eine bes­se­re Lösung fin­den, als ich das tun könnte.

Dan­ke, Mat­thi­as Pfef­fer­le und André Men­rath (@linos) für die super Sprech­stun­de. Über das, was wir mit André zu Event-Plug­ins und dem Fedi­ver­se bespro­chen haben, müss­te ich eigent­lich auch noch etwas schreiben…

7. December 2025, 11:30 24 Boosts 32 Favoriten

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