
Über Vibes. Über Shifts.
Nein, ehrlich: über diesen ganzen esoterisch-digitalen Zonk, der seit Monaten durch die deutsche Szeneblase wabert wie ein schlecht gefiltertes Räucherstäbchen.
Man betritt also irgendeinen Zoom-Raum – dieser kollektive digitalen Geburtskanal deutscher Zukunftsdialoge – und sofort schlägt einem das Vibe-Parfum ins Gesicht.
Also nicht real. Sondern in Sätzen wie:
„Wir müssen den Vibe der Zeit lesen.“
„Wir spüren da einen Shift im Kollektiv.“
„Die Demokratie hat einen Mood Swing.“
Ah ja. Demokratie als Teenager in der Pubertät.
Macht euch doch nicht lächerlich.
Diese ganze Vibe-Inflation ist längst ein eigener Energieverbraucher. Würde das Umweltbundesamt je messen, wie viel CO₂ das deutsche Zukunftsmilieu durch Vibe-Talk ausstößt – jede Internetplattform müsste sofort auf Schwarzblau umgestellt werden.
Das V-Wort als Ausweis der Szenetauglichkeit
Früher sagte man:
„Ich hab’ das Gefühl.“
Heute sagt man:
„Der Vibe ist so.“
Früher sagte man:
„Die Stimmung kippt.“
Heute lautet das:
„Da passiert gerade ein Shift im Feld.“
Früher sagte man:
„Ich weiß nicht, was das soll.“
Heute:
„The Vibe is off.“
Es ist, als hätten alle gemeinsam beschlossen, Politik wie ein Instagram-Reel zu behandeln: Wenn’s nicht passt, wegwischen. Neuer Filter, neues Narrativ, neues Vibe Alignment.
Der Vibe als intellektuelle Notwehr
Dieses Trendwort funktioniert wie eine Tarnkappe für Inhaltslosigkeit:
Wenn man nichts versteht → Vibe.
Wenn man nichts sagen will → Shift.
Wenn man nicht weiß, wohin → Meta-Vibe.
Wenn man plötzlich ganz tief wirkt → Atmosphärische Übergangsphase.
Das ist die semantische Version von Weihrauch: alles einnebeln, damit niemand merkt, dass eigentlich niemand weiß, worüber gesprochen wird.
Der Vibe-Hipster als neue Berufsgruppe
Da steht er, die Lichtgestalt des Abends:
Ein lebendiger LinkedIn-Zeuge Jehovas.
Profilstruktur wie ein Schweizer Taschenmesser:
Co-Founder, Ecosystem, Ambassador, Community-Building, Advisory Board, Thinktank, Purpose Navigator, Narrative Shifter.
Er sagt Sätze wie:
„Wir müssen den gesellschaftlichen Vibe wieder in die Resonanz bringen.“
Was heißt das?
Niemand weiß es.
Nicht mal er.
Aber es klingt wie ein massiert begrabbelter Algorithmus, also wird genickt.
Die ultimative Vibe-Waffe: ChatGPT-Zitat
Weil niemand etwas versteht, wird die KI gerufen:
„Ich hab ChatGPT gefragt, was Vibeshift bedeutet.“
Da weiß man schon: Jetzt wird’s dünner als Haferdrink.
Die Maschine sagt irgendwas von „Atmosphärenverschiebungen“ – völlig egal.
Hauptsache, KI hat’s gesagt.
Damit ist das Thema offiziell „strategisch gerahmt“.
Dasselbe Niveau wie:
• „Ich hab’s gegoogelt.“
• „Hab ich auf TikTok gesehen.“
• „Steht in der Zeit.“
• „Da gibt’s Studien.“
Die steile These des Milieus: Die Welt kippt – der Vibe ist schuld
Anstatt zu sagen:
„Es gibt politische Machtverschiebungen.“
heißt es:
„Der Vibe driftet autoritär.“
Anstatt:
„Wir haben eine soziale Krise.“
klingt’s:
„Da ist ein toxischer Resonanzraum entstanden.“
Anstatt:
„Die Rechten werden stärker.“
heißt es:
„Der demokratische Vibe muss stabilisiert werden.“
Der Vibe ist zum Ersatzbegriff für alles geworden, was man eigentlich nicht aussprechen will:
Macht. Konflikt. Interessen. Entscheidungen. Verantwortung.
Vibe ist das neue Homöopathie des politischen Denkens
Die Szene glaubt wirklich:
Wenn man nur oft genug Vibe sagt,
wird die Realität weicher.
Wenn man nur laut genug Shift ruft,
verschiebt sich die Welt von allein.
Wenn man nur lange genug in Zoom den emotionalen Aggregatzustand diagnostiziert,
dann ruht die Demokratie endlich im Trockenschrank.
Das Milieu im Endstadium der Selbsthypnose
Während Institutionen krachen, Finanzämter zusammenbrechen und Verwaltungen schon beim Wort „Digitalisierung“ einen steifen Nacken bekommen, diskutieren diese Leute:
„Spüren wir den Shift? Ist er schon da?
Sind wir Vibe-ready?
Haben wir Alignment?
Brauchen wir kollektive Kohärenzräume?“
Nein.
Ihr braucht frische Luft.
Und eine klare Sprache.
Und vielleicht einen Schnaps.
Vielleicht, ganz vielleicht, ist der wahre Vibeshift wirklich das hier:
Die Welt draußen stürzt ab –
und drinnen im Szenekokon sucht man noch immer
nach dem richtigen Moodboard,
um das Unglück zu erzählen.
Ein ganzes Milieu hat sich in die eigene Vibe-Wolke eingewickelt
und merkt nicht:
Der einzige Shift, der wirklich stattfindet,
ist der Weg aus der relevanten Debatte heraus.
Ich staune, das es Menschen gibt, die diesen Unsinn mit Shift und Vibes überhaupt lesen. Ich mache das nicht, warum soll ich eine (Spinner-) Sprache lernen um den Gedanken solcher fragwürdiger Existenzen zu folgen? Nee lass mal..
Sehe ich genauso.
Eine weitere überflüssige Floskel im Duden für Schlipsträger.
#Isso 🙂