Deutschlandfonds: Aufhellung bestellt, Wirklichkeit geliefert

Man muss der deutschen Wirtschaftspolitik zugutehalten: Sie hat den Mut zur Metapher. Wo früher ein Investitionsprogramm stand, steht heute ein „Dach“. Darunter wird „mobilisiert“, „gebündelt“, „maßgeschneidert“. Es klingt nach Werkbank. Tatsächlich ist es eher ein Etikettierer: Man klebt „Zukunft“ auf Kapital, damit es sich wie Gegenwart anfühlt.

Der Deutschlandfonds soll Investitionen in „Zukunftsfeldern“ anstoßen: Energie, Industrie-Transformation, digitale Technologien, Resilienz, Wagniskapital. Der Staat will privates Kapital in Bewegung bringen, Risiken abfedern, Transparenz schaffen, Akteure zusammenführen. Nur: Schon die Selbstauskunft entzaubert das Projekt. Der Fonds ist „kein Fonds im herkömmlichen Sinn“, sondern ein Dach über mehreren Instrumenten. Ein Dach, unter dem man nicht wohnt, sondern tagt.

Das Zeugnisjahr der Mittelständler

Philipp Krohn hat in seinem Kommentar zur ARD-Dokumentation „Ein Jahr unter Mittelständlern“ eine Form gefunden, die mehr über die Lage sagt als jedes Stimmungsbarometer: Nach einem Schuljahr werden Zeugnisse verteilt. Die Noten reichen von 2 bis 4. Eine Winzerin spricht von einem aufregenden Jahr. Die Bundeswirtschaftsministerin resümiert: Man habe Schläge erlebt – und auch die Bundesregierung müsse besser werden.

Krohns Diagnose trifft nicht nur den Film, sondern den Zustand: Es ist viel Material da – fünf Unternehmergeschichten, Auslandsreisen, Zolldrohungen, Klimawandel, Energie- und Materialeffizienz, Transformation der Geschäftsmodelle –, doch es fügt sich nicht, weil 45 Minuten nicht reichen. Der Fehler liegt nicht bei den Protagonisten, sondern in der Struktur: Für Tiefe fehlt Zeit. Und ohne Tiefe bleibt selbst gutes Material ein Kaleidoskop.

Man kann das als Medienschelte lesen. Man kann es auch als Wirtschaftsdiagnose verstehen: Deutschland hat nicht zu wenige Probleme, sondern zu viele gleichzeitig; nicht zu wenig Expertise, sondern zu wenig Durchlauf. Genau hier setzt die Versuchung an, mit einem großen Etikett Ordnung zu simulieren: Deutschlandfonds.

Ein Dach ist keine Konjunktur

Konjunktur „aufhellen“ heißt Erwartungen drehen: Investitionen auslösen, Risiko senken, Tempo erhöhen, Planung wieder glaubwürdig machen. Der Deutschlandfonds ist dagegen zuerst Investitionsarchitektur. Er arbeitet wesentlich mit Garantien und Absicherungen: Der Bund stellt öffentliche Mittel inklusive Garantien in einem Volumen von rund 30 Milliarden Euro bereit; Garantien belasten den Haushalt nicht sofort, sondern erst, wenn sie gezogen werden. Für den Baustein „Industrie und Mittelstand“ stehen bis zu 8 Milliarden Euro Garantien im Raum.

Das ist nicht wenig. Aber es ist auch nicht automatisch Konjunktur. Wer die Stimmung in den Betrieben drehen will, muss mehr können als Risiken versichern: Er muss Verfahren beschleunigen, Preis- und Abgabenpfade stabilisieren, Genehmigungen entknoten, Netze anschlussfähig machen, Bürokratie nicht nur beklagen, sondern abbauen. Sonst entsteht das Paradox: Der Staat sichert Projekte ab, die am Ende nicht realisiert werden – weil sie vorher im Zuständigkeitsnebel hängen bleiben.

Instrumente, die imponieren – und Fragen, die bleiben

Die Palette ist breit. Für Industrie und Mittelstand: Absicherungsinstrumente für Bankgarantien und -bürgschaften bei großen Transformationsvorhaben; Verbriefungen, die Bankbilanzen entlasten sollen; ein Rohstofffonds für Bergbau, Weiterverarbeitung und Recycling; Wachstumskapital über Bausteine des Zukunftsfonds.

Für Energieversorger: bankdurchgeleitete Kredite, Erneuerbare-Energien-Finanzierungen, Konsortialkredite. Besonders sprechend ist der Geothermie-Baustein: Ein Förderkredit, kombiniert mit der Absicherung des Fündigkeitsrisikos – also des Risikos, dass man bohrt und nichts findet –, hinterlegt mit einem Garantierahmen von 600 Millionen Euro und rund 50 Millionen Euro Haushaltsmitteln.

Für Start-ups und Scale-ups: mehr Fokus auf Fondsinvestments, zusätzliche Wachstumskapital-Formate, direkte Scale-up-Beteiligungen, Kredite für „First-of-a-kind“-Vorhaben.

Man erkennt die Logik: Der Staat wird zum Risikopartner, damit Private wieder investieren. Das kann pragmatisch sein. Es kann aber auch eine stille Bankrotterklärung sein, wenn es zur Ersatzhandlung wird: Man versichert das Risiko, statt die Ursachen zu verringern, die Risiko überhaupt erst so teuer machen.

Die eigentliche Schwäche heißt Umsetzungstempo

Der Deutschlandfonds verspricht Hebel: Ein Vielfaches an privatem Kapital soll mobilisiert werden. Hebel wirken jedoch nur, wenn der Drehpunkt fest ist. Deutschlands Drehpunkt wackelt: Genehmigung, Baukapazität, Netzanschluss, Fachkräfte, Rechtsklarheit, kommunale Finanzkraft. Wenn diese Dinge nicht schneller werden, bleibt der Fonds ein Verstärker – nur leider für ein Signal, das zu spät kommt.

Dazu passt ein Detail aus dem Ausblick: Kommunale Energieversorger bräuchten Eigenkapital; Stadtwerke seien zentral für Verteil- und Wärmenetze; der Bund wolle mit den Ländern in den Dialog, um Instrumente zu entwickeln; die Zuständigkeit liege zunächst bei den Ländern; gute Ansätze sollten rasch zum „Deutschland-Standard“ werden. Das klingt vernünftig. Es klingt aber auch nach dem typischen deutschen Problem: Man will Geschwindigkeit, aber beginnt mit Abstimmung.

Kann der Deutschlandfonds die Konjunktur aufhellen?

Ja – wenn er Begleitmusik ist, nicht Ersatzmelodie. Wenn parallel echte Beschleunigung passiert: schnellere Verfahren, verlässliche Energie- und Abgabenpfade, klare Zuständigkeiten, messbare Umsetzung, weniger Berichtspflichten, mehr Entscheidungsfähigkeit vor Ort. Dann kann Absicherung tatsächlich Investitionen auslösen, Transformationsprojekte tragfähig machen, Wachstumskapital freisetzen.

Nein – wenn er vor allem ein politisches Erzählformat bleibt. Dann teilt er das Schicksal von Krohns 45-Minuten-Film: gutes Material, richtige Themen, kompetente Chronik – aber am Ende fügt sich nichts. Nicht, weil die Wirklichkeit zu klein wäre, sondern weil der Vollzug fehlt.

Die Konjunktur hellt sich nicht auf, weil ein Dach gebaut wird. Sie hellt sich auf, wenn darunter endlich gearbeitet wird – und zwar so, dass der Unternehmer nicht das nächste Aktenzeichen sieht, sondern die nächste Maschine.

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