Wie die Energiewende von den Atomfreunden schlecht geredet wird

Wie Atomfreunde und Industrielobbyisten um Pfründe kämpfen
Wie Atomfreunde und Industrielobbyisten um Pfründe kämpfen

Es wird Zeit, sich die Argumente der Industrielobby gegen die Energiewende etwas genauer anzuschauen, wie es die DIW-Ökonomin Claudia Kemfert im Interview mit dem Tagesspiegel gemacht hat. Wer ist wirklich verantwortlich für die steigenden Strompreise?

Es sei jedenfalls Spinnerei, die Förderung von Ökostrom als deutsche Marotte abzutun.

„In fast 100 Ländern in der Welt werden erneuerbare Energien finanziell gefördert. Eine echte Marotte ist es, unsere Erfolge schlechtzumachen. Neulich sagte der renommierte amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs bei einer Tagung hier in Berlin, wir sollten doch stolz auf unsere Energiewende sein. Da hat er recht. Wir vollbringen ein globales Energiewirtschaftswunder, wenn wir uns nicht ständig selbst dabei blockieren“, so Kemfert.

Wenn uns als „Industrienation“ (die wir ja schon lange nicht mehr sind, gs) die Umstellung auf saubere Energiequellen gelinge, wird das überall Nachahmer finden. Das sei das Beste, was wir für den Klimaschutz tun können.

„Die Kosten für erneuerbare Energien sinken kontinuierlich. Den Rest besorgt dann der Markt, denn der Erfolg setzt sich durch.“

Wenn jetzt der Ausbau der erneuerbaren Energien gebremst werde, dann würden neu gebaute Kohlekraftwerke den Umbau für 50 Jahre blockieren.

„Genau das will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt durchsetzen“, moniert Kemfert.

Die Verbraucherpreise pro Kilowattstunde seien gestiegen, aber nicht wegen der Ökoenergie.

„Viele Unternehmen zahlen gar keine Umlage dafür. Deshalb müssen Haushalte mehr bezahlen und subventionieren so indirekt die Unternehmen. Dabei kostet der Strom an der Börse so wenig wie noch nie, unter vier Cent pro Kilowattstunde! Nur geben die Versorger diese günstigen Preise nicht an die Kunden weiter.“

Konzerne und Stadtwerke kassieren bei ihren Kunden viel mal mehr bei Kunden ab, als sie selbst bezahlen.

Die Ökostromumlage sei zwar auf mehr als sechs Cent gestiegen. Aber das liege zum größten Teil gar nicht am Zubau von Wind- und Solaranlagen, sondern daran, dass die Stromunternehmen ihre alten Kraftwerke weiterlaufen lassen und es nun ein Überangebot gibt, das den Börsenpreis drückt.

„Das vergrößert den Abstand zwischen den Garantiepreisen für den Ökostrom und dem Marktpreis. Diese Differenz wird als Umlage den Kunden in Rechnung gestellt. Nur schlagen viele Versorger das einfach auf den alten Preis obendrauf, was nicht gerechtfertigt ist“, erläutert die DIW-Wissenschaftlerin.

Wie bei der Müllverbrennung, die durch die Recycling-Aktivitäten des Mittelstandes nicht mehr ausgelastet sind und die Müllgebühren nach oben schießen lassen, haben auch die Stromkonzerne und Stadtwerke zu lange in überdimensionierte konventionelle Kraftwerkspark investiert.

„Jetzt brechen die Erlöse weg, und die Manager wollen mit großem Getöse beim Staat Zuschüsse erzwingen. Dabei hätten sie es besser wissen können, die Energiewende kam ja nicht über Nacht. Im Übrigen sind die Verluste bei RWE in erster Linie in England und Holland entstanden. Auch Eons Defizite resultierten vor allem aus überhöhten Gaspreisen durch russische Zulieferer. Mit der Behauptung, die Energiewende treibe sie in den Ruin, wollen manche nur von ihren eigenen Fehlern ablenken“, sagt Kemfert gegenüber dem Tagesspiegel.

Die Industrie bekomme ihren Strom so billig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Großkunden könnten direkt an der Börse kaufen und müssen die Ökostrom-Umlage nicht zahlen. Es gehe schlichtweg darum, alte Pfründe zu sichern.

„Sie wollen den Wechsel von Kohle-, Gas- und Atomkraft zu regenerativen Energien nicht mitgehen“, so Kemfert.

Da hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen.

Die Industrielobbyisten und früheren Atomfreunde (die sich allerdings nicht mehr als solche zu erkennen geben) wollen an den alten Großtechnologien von vorgestern festhalten, um die liebgewonnenen Pfründe ihrer oligopolistischen Macht zu bewahren. Mit einer zentralistischen Energieversorgung lassen sich sattere Renditen einfahren. Wo käme man denn hin, wenn dezentrale Konzepte sich abkoppeln von den Stromkonzernen und damit unabhängiger das Energiemanagement regeln. Das stinkt nach mehr Wettbewerb, schwächt die Möglichkeiten für politische Muskelspiele und verringert das Spielfeld für die Lobbyisten der zerbröselnden Deutschland AG.

https://twitter.com/MMediaSpeakers/statuses/50590516735246336

Wer von den Preisrisiken der Energiewende redet, sollte über das Abwälzen von Kosten und Risiken der Atomenergie und anderer konventionellen Großkraftwerke auf die Allgemeinheit nicht schweigen. Würde man die Gesamtkosten in den Strompreis einrechnen und die Milliarden Euros an Fördergeldern für AKWs raus rechnen – Ökonomen nennen das Internalisierung externer Effekte – müssten wir schon längst weitaus mehr für eine Kilowattstunde berappen.

Man könnte sich dann auch die Politik der Stromkonzerne etwas genauer anschauen, die im Verbund mit dem früheren Atompilz-Wirtschaftsminister Brüderle die Energiewende verhindern wollten: Ein Blick in die Bilanzen der früheren Atomfreunde könnte helfen. So würde man zweifelhafte Öko-Zertifikate und eine Vielzahl von maroden Wasserkraftwerken vorfinden, die aus der Mottenkiste herausgeholt werden, um möglichst hohe Anteile von sauberem Strom vorzuweisen.

Man sollte sich mal die Liste der Lobbyisten und Konzerne vornehmen, die den atomfreundlichen energiepolitischen Appell unterzeichnet haben und vergleichen mit den Bedenkenträgern, die die Energiewende in den Dreck reden. Wahrscheinlich liegt die Überschneidung bei fast 100 Prozent….

Hier ist die Liste der Atomfreunde, die den energiepolitischen Appell vor gut vier Jahren unterzeichnet haben (die Funktionen habe ich jetzt nicht aktualisiert, einige sind ja nicht mehr in Amt und Würden):

Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank
Dietrich Austermann, CDU-Politiker, er war von 2005 bis 2008 Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein
Werner Bahlsen, Bahlsen
Paul Bauwens-Adenauer, Bauwens
Wulf Bernotat, BDI-Vizepräsident, war Eon-Vorstandsvorsitzender
Oliver Bierhoff, Manager der Fußball-Nationalmannschaft
Manfred Bissinger, Publizist
Herbert Bodner, BDI-Vizepräsident
Wolfgang Clement, Ministerpräsident und Bundeswirtschaftsminister a. D.
Eckhard Cordes, Metro-Vorstandsvorsitzender
Gerhard Cromme, ThyssenKrupp
Michael Fuchs, Unternehmer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag
Ulrich Grillo, Grillo-Werke
Jürgen Großmann, BDI, RWE
Rüdiger Grube, Deutsche Bahn
Christopher W. Grünewald, Papierfabrik Gebr. Grünewald, BDI
Jürgen Hambrecht, BASF-Vorstandsvorsitzenden und BDI-Vizepräsident
Tuomo Hatakka, Vattenfall-Chef
Wolfgang Herrmann, TU München
Horst W. Hippler, KIT
Hans-Peter Keitel, BDI-Präsident
Arndt G. Kirchhoff, Kirchhoff Automotive, BDI
Kurt J. Lauk, Wirtschaftsrat der CDU
Ulrich Lehner, Henkel, BDI-Vizepräsident
Friedhelm Loh, Friedhelm Loh Group, BDI-Vizepräsident
Carsten Maschmeyer, MaschmeyerRürup
Friedrich Merz, Rechtsanwalt
Arend Oetker, BDI-Vizepräsident
Hartmut Ostrowski, Bertelsmann
Bernd Scheifele, HeidelbergCement
Otto Schily, Bundesinnenminister a.D. und Rechtsanwalt
Wolff Schmiegel, Ruhr-Universität Bochum
Ekkehard Schulz, ThyssenKrupp und BDI-Vizepräsident
Johannes Teyssen, Eon
Rainer Thieme, Salzgitter
Jürgen Thumann, BusinessEurope, Ex-Präsident und heutiger Vizepräsident des BDI
Michael Vassiliadis, IG BCE
Hans-Peter Villis, Vorstandschef von EnBW
Gerhard Weber, Gerry Weber International
Werner Wenning, Bayer
Matthias Wissmann, VDA, BDI-Vizepräsident

4 Gedanken zu “Wie die Energiewende von den Atomfreunden schlecht geredet wird

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