Was kann man von „Selfmade-Millionären“ lernen? Nichts

Immer wieder liest man in Wirtschaftsmedien Überschriften wie „Dieser Unternehmer sprach mit 500 Selfmade-Millionären – das sind ihre Karrieretipps: Julien Backhaus ist Herausgeber des ‚Erfolg‘-Magazins und kennt die Lebensweisheiten vieler Superreicher. Was ganz normale Angestellte daraus lernen können.Erschienen im Handelsblatt. Klingt wie eine Geschichte in irgendeinem Anzeigenblatt oder in den beliebten Special-Cashcows.

Als Gründer und Herausgeber des „Erfolg“-Magazins habe der Medienunternehmer nach eigenen Schätzungen mehr als 500 Selfmade-Millionäre getroffen und gesprochen. „Backhaus präsentiert auf seiner Website Fotos mit Stars und Unternehmern wie Hollywood-Schauspieler und Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger, Investor Frank Thelen, Ex-Profi-Boxer Wladimir Klitschko und ‚Die Höhle der Löwen‘-Investor Ralf Dümmel.“

Was für eine Überraschung. Was sind solche Empfehlungen wert? Es sind Kalenderweisheiten mit der Halbwertzeit von gepflückten Bananen.

Nur allzu gern versuchen wir krampfhaft, für unser Tun eine gehörige Portion Kausalität schlichtweg zu erfinden. Wenn ein durchschnittlicher Golfer bei einem zweitägigen Turnier einen überdurchschnittlichen Start hinlegt, gehen wir davon aus, dass er auch am zweiten Tag eine gute Leistung zeigt. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass er wohl eher wieder ein normales Ergebnis bringt, weil das außerordentliche Glück des ersten Tages nicht anhalten wird. Für Sportreporter ist das keine Neuigkeit.

Was der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman als Regression zum Mittelwert bezeichnet, bringt keine Schlagzeilen. Die Headline muss daher anders lauten: “Der Golfer zeigte Nerven und konnte dem Druck nicht standhalten”. Oder: “XY ist kein Siegertyp”. Oder auch: “Der Gegner zermürbte den Champion des ersten Tages”. Mit folgender Schlagzeile geben wir uns nicht zufrieden: “Der Golfer hatte ungewöhnlich viel Glück”. Da fehlt die kausale Kraft, die unser Intellekt bevorzugt.

„Kausale“ Geschichten erfinden

Wir suchen krampfhaft nach einer eindeutigen Beziehung von Ursache und Wirkung, tappen damit aber in die Falle ungerechtfertigter kausaler Schlüsse.

Penetrant sind vor allem Zeitgenossen, die aus der Untersuchung von erfolgreichen Firmen oder Persönlichkeiten konkrete Handlungsanweisungen ableiten, um genauso erfolgreich wie jene untersuchten Firmen und Protagonisten zu werden. Kahneman untersuchte eines der bekanntesten Beispiele dieses Genres: “Immer erfolgreich” von Jim Collins und Jerry I. Porras. Es enthält eine gründliche Analyse von 18 konkurrierende Unternehmenspaarungen, bei denen eines erfolgreicher war als das andere. Jeder Vorstandschef, Manager oder Unternehmer sollte nach Auffassung der beiden Autoren dieses Buch lesen, um visionäre Firmen aufzubauen.

Wenn man weiß, wie wichtig der Faktor Glück ist, sollte man besonders argwöhnisch sein, wenn aus dem Vergleich von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Firmen hochkonsistente Muster hervorgehen. Wenn der Zufall seine Hand im Spiel hat, können regelmäßige Muster nur Illusionen sein, warnt Kahneman.

Nach dem Erscheinen des Buches schwand der Abstand in Ertragskraft und Aktienrendite zwischen den herausragenden und den weniger erfolgreichen Firmen praktisch auf null. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren erzielten die Unternehmen mit den schlechtesten Bewertungen im weiteren Verlauf viel höhere Aktienrenditen als die meistbewunderten Kandidaten. Und wenn es um Vorhersagen von Experten geht, sind die Ergebnisse noch erschütternder.

Menschen, die ihre Zeit damit verbringen und ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sich gründlich mit einem bestimmten Sachgebiet zu beschäftigen, erstellen schlechtere Vorhersagen als Dartpfeile werfende Affen, die ihre ‚Entscheidungen’ gleichmäßig über alle Optionen verteilt hätten. Selbst auf dem Gebiet, das sie am besten kannten, waren Experten nicht deutlich besser als Nichtexperten. Also öfter in den Zoo gehen, statt bedeutungsschwer herumlabernden “Profis” zu lauschen. 

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