@th_sattelberger fordert ehrliches New Work jenseits der geldgeilen Minnesänger

Thomas Sattelberger hat mittlerweile ein ambivalentes Verhältnis zur Nutzung des Begriffs „New Work“. Er stehe für viele inzwischen nur für angenehmeres Arbeiten abhängig Beschäftigter, denen es meist allemal materiell und immateriell passabel gut geht. Beim ersten von uns organisierten Barcamp nannten wir das elitären Scheiß.

Weder werde die eigene Abhängigkeit hinterfragt, noch die Fesseln für die Rebellen und die Silos der prekär Beschäftigten, schreibt Sattelberger in einem Beitrag für Xing. Zu oft stehe „New Work“ für unbegrenzte Blütenträume. Solche Konzepte werden rasch zu „management fads“ für Gurus, Weltbeglücker oder ganz simpel für geldgeile Minnesänger.

„Wir brauchen Ökosysteme für New Business, für New Skills und New Work, aber auch – noch schwieriger – Ökosysteme für siechendes Old Business, Old Skills bzw. Old Work. Letztere hoffentlich zur Revitalisierung oder zumindest zum sozialverträglichen Absterben, wie wir es in den Kohlerevieren Deutschlands erlebten und erleben“, fordert der HR-Experte.

„Wie werden automobile Regionen wie Wolfsburg, Ingolstadt, Deggendorf oder Saarlouis auch wieder attraktiv für Gründer und Wagniskapital, wie können Kommunen, Länder und Bund digitale Freiheitszonen fördern, um Geburtshelfer gegen Monokultur und für diversifizierte Wirtschaftsstrukturen zu werden, in denen existierende Kompetenzen in neuen zukunftsfähigen Geschäftsmodellen neue Wertschöpfung ermöglichen sollen, ja müssen? Wie können wir in etablierten Unternehmen den Skillshift für Zehntausende individuell und effizient zugleich realisieren? Das Beispiel Nixdorf und die IT-Unternehmen in Ostwestfalen zeigen, wie regionaler Umbau gelingen kann. Aus dem Absturz von Nixdorf entstanden viele Dutzend IT-Mittelständler. Zusammen mit der Universität Paderborn und weiteren Hochschulen sowie transformationsfreudigen Mittelständlern entstand das Cluster ‚Intelligente Produktionssysteme‘ und später die Marke ‚It’s OWL'“, führt Sattelberger aus. Hier fehle ein neuer ordnungspolitischer Rahmen einer Sonderwirtschaftszone – steuerliche Förderung, verwaltungsrechtliche Vereinfachung und dergleichen mehr, um den nächsten Evolutionssprung zu packen.

Was viele externe Berater und HR-Manager in Anlehnung an Frithjof Bergmann unter New Work verstehen, habe mit den ursprünglichen Konzepten von Bergmann wenig zu tun. Das ist in der Tat so. Ein bisschen mehr arbeiten. Ein bisschen mehr Bildung. Ein bisschen mehr Innovation. „Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu benutzen, ist das Gleiche, als würde man eine Tasse Wasser zu einem Waldbrand bringen,“ sagte mir Bergmann in einem Interview in Bonn vor rund 20 Jahren. Der Geisteswissenschaftler muss es wissen, denn er hat sich theoretisch und praktisch sein ganzes Leben mit der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit beschäftigt. Zum ersten Mal war es in den Wäldern von New Hampshire. Dorthin hatte Bergmann sich zurückgezogen, nachdem er sich als Tellerwäscher, Preisboxer, Hafenarbeiter und Bühnenautor in den USA durchgeschlagen hatte. Er suchte ein alternatives Leben, wollte unabhängig sein und hatte beschlossen, sich selbst zu versorgen. Nach zwei Jahren gab er auf. Denn statt frei, fühlte er sich als Sklave der harten körperlichen Arbeit, die er mit einfachen Werkzeugen zu verrichten hatte, um sein karges Dasein zu sichern. Er fing an, Philosophie zu studieren, promovierte und lehrte in Princeton, Stanford, Chicago und Berkeley. Und während um ihn herum immer mehr Arbeitsplätze abgebaut wurden, analysierte Frithjof Bergmann das klassische Lohnarbeitssystem und entwickelte ein Alternativmodell.

Bergmann plädierte für eine Abkehr vom alten Denken aus dem Zeitalter der Industrialisierung. „Die Kultur der meisten Mega-Konzerne mit ihren ausgeprägten Hierarchien, ihren starren Formalitäten, ihren unbeholfenen Kommunikationsmechanismen und als Resultat davon ihren langsamen Reaktionszeiten passt offensichtlich nicht mehr zu dem heute herrschenden Tempo. Sie ist nicht mehr vereinbar mit der heute existierenden Wirtschaftskultur und erscheint im Vergleich dazu alt und atemlos.“ Gefordert seien Ideen für Smart Production und Smart Conusmption.

Sattelberger fordert unternehmerische Maker Spaces an jede Schule, in jeden passabel großen Betrieb, in die öffentliche Verwaltung für Fähigkeiten der Kollaboration, der Agilität und des Experimentierens. „Dieser Beitrag ist dabei kein Ende, sondern ein Anfang. Lasst uns zusammen nachdenken, wie wir ein ehrliches New Work zum Kernbaustein für ein neues Wirtschaftswunder werden lassen. Ob New Work Talks, Roundtables oder eine Blogparade – viele Wege zusammen lassen uns hoffentlich erfolgreich sein. Vielleicht auch ein Hackathon. Was wäre eine neue Arbeitswelt ohne die Kreativkraft der Vielen.“

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