Ein Traum von Freiheit und Autarkie: Hoppe, der Roman

In ihrem autobiografischen Roman „Hoppe“ spielt Felicitas Hoppe mit ihren Wünschen. Man denkt, sie ist in Hameln großgeworden und in ihrem Opus erfährt man von ihrer Kindheit in Kanada und ihrer großen Liebe zum Eishockeystar Wayne Gretzky. Dann erfährt man von den vielen Erfindungen der Autorin – dazu zählt etwa der wundersame Leuchtpuck.

Ihre Lebensspur führt dann nach Australien und zum Studium der Komposition. Eine Karriere als Dirigentin bleibt ihr allerdings verwehrt.

Ehrlicher als in ihrem neuen Werk könne Hoppe über Hoppe gar nicht schreiben, sagte die Schriftstellerin bei ihrer Lesung im Literaturhaus Köln. Was oft als Erfunden deklariert oder als faktisch nicht korrekt dargestellt werde, habe viel mit ihren Wünschen und Erinnerungen zu tun. „Insofern ist dieses Buch alles andere als eine Trickkiste. Es ist die Erinnerungen an das, was ich gerne geworden wäre und war meine Art, mein Leben nachzuerzählen“, so die Hoppe, die in diesem Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt wird.

Es sei zwar eine Geschichte entstanden, die faktisch eine Art Kulissenschieberei geworden ist. Etwa die geografischen Angaben. Trotzdem sei das Buch extrem ehrlich. Ein Beispiel: Hoppe in Hoppe ist ein Einzelkind. In Wahrheit hat sie vier Geschwister.

„Als Kind hatte ich so einen Traum, der gar nichts mit einer unglücklichen Fluchtphantasie zu tun hatte. Ich habe mir vorgestellt wie toll es wäre, wenn die anderen nicht da wären. Meine Wunschvorstellung war es, ein Einzelkind zu sein. Dann kam der Wunsch hinzu, keine Mutter, sondern nur einen Vater zu haben. Wohl gemerkt nicht meinen Vater, sondern einen Vater.“

Das sei nicht geheimnisvoll. Wer auf seine eigene Kindheit zurückblickt, dem komme das verdächtig bekannt vor. Anleihen für die Rolle des Vaters nahm sie in den „Fünf Freunden“ von Enid Blyton.

„Da gibt es die glückliche Georgina, genannt Georg. Sie ist ein Einzelkind. Deren Vater ist ein Erfinder, den man nie trifft, weil er immer in seinem Labor sitzt. Und deshalb hat Hoppe in Hoppe als Einzelkind einen Erfindervater bekommen. Wir schreiben ja von der Literatur ab. Und aus dieser Geschichte ist dann die neue Hoppe-Geschichte geworden. So hat alles angefangen.“

Der größte Traum sei die Vorstellung, dass Hoppe mit ihrem Vater in einem großen Haus lebt und sie sehen sich nie. Sie würden sich so sehr vertrauen, dass sie nichts zu besprechen haben.

„Und das muss eine Art Traum von Autarkie und Freiheit gewesen sein, der mich als Kind bestimmt hat und darüber habe ich ein Buch geschrieben“, erläuterte Hoppe.

Einen Sicherheits- oder Korrektheitswahn sollte man bei der Lektüre des Romans nicht an den Tag legen, rät die Autorin. Wer sich auf die Geschichte einlässt, begreife plötzlich, dass es ja nicht die Fakten sind, die Auskunft über uns geben. Ein Leser, der ständig Angst habe, vom Autor betrogen oder hinters Licht geführt zu werden, ist bei diesem Buch schlecht dran.

„Erstens, weil er glaubt, der Autor wolle ihn hinters Licht führen. Was ich absolut irritierend finde. Es ist mir nichts fremder und nichts uninteressanter in der Literatur, als Leser hinter das Licht geführt zu werden. Das mögen andere Autoren tun. Aber das sind Autoren, die in Hierarchien denken und sagen, ich weiß mehr als meine Leser und jetzt zeig ich es ihnen. Und dann beginnt das große Rätselspiel. Literatur hat für mich nichts mit Rätseln zu tun. Ich erzähle etwas, ich möchte etwas erkennen und begreifen. Das tue ich mit meinen Mitteln. Ich betrachte den Leser als Partner in der Sache“, so Hoppe.

Lebenslauf ein erbärmliches Skelett

Es gebe Leser, die sind absolut frei.

„Und die kommen dann richtig auf ihre Kosten, weil sie ja wissen, dass sie es selber auch machen. Was ist wahr, was ist erfunden? Sind Sie wirklich hier? Sie kennen das Spiel aus der Kaspertheater. Seid Ihr alle da? Wir wissen nicht, wo wir wirklich sind. Als würde man sagen, Du willst wissen, wer ich bin, dann zeige ich Dir meinen Lebenslauf. Niemand würde behaupten, das ein Curriculum vitae, das er bei einer Job-Bewerbung einreicht, ihn in irgendeiner Hinsicht ausreichend charakterisierte. Wir wären entsetzt, wenn jemand glaubte, das wären wir. Das sind wir nicht. Das ist eigentlich ein erbärmliches Skelett“, führte Hoppe aus.

Recherche ist für Felicitas Hoppe vor allem eine Quelle der Inspiration. Es sei eine Illusion zu glauben, dass die Phantasie aus sich selbst schöpfe. Das sei Unsinn. Die Leute glauben, es gebe realistische Schreiber und welche, die sich etwas ausdenken können. Das sei falsch.

„Man schöpft aus der Realität. Und wenn man Phantasie hat, dann schafft man es, die Realität in einer anderen Form darzustellen.“

Der Schriftsteller komme damit der Wirklichkeit näher als der Journalist. Durch die Überzeichnung werden die Konturen deutlicher. Ein Innenleben entstehe dadurch, indem man auf das Außenleben schaut. Soweit einige Einblicke in die literarische Werkstatt von Felicitas Hoppe. Sehr locker und sympathisch vorgetragen. Überaus kompetent moderiert vom Kölner Autor Guy Helminger. Glückwunsch zum Büchner-Preis, den hat sich Felicitas Hoppe verdient!