Steve, Chuck und der Breitbandausbau in Deutschland

Da Tatmenschen wie Steve und Chuck beim Breitbandausbau in Deutschland nicht in Sicht sind, habe ich mich zum morgigen internationalen Genossenschaftstag noch einmal mit dem Raiffeisen-Prinzip auseinandergesetzt. Um alle Haushalte in Deutschland mit Glasfaserkabel für den Empfang von schnellem Internet zu versorgen, rechnen Experten bekanntlich mit Investitionen von 70 bis 80 Milliarden.

„Beim Breitbandausbau rutschen wir im internationalen Maßstab immer mehr ab und liegen nur noch auf dem 40. Platz – Tendenz sinkend. Von den Netzbetreibern ist das nicht zu finanzieren. Man braucht rund 40 Jahre für die Refinanzierung. Im schnelllebigen Technologiegeschäft ist das nicht zu stemmen. Der Staat kann aus europarechtlichen Gründen als Investor nicht einspringen“, so der Netzwerkspezialist Bernd Stahl von Nash Technologies in Stuttgart. Als Alternative wäre das Prinzip Raiffeisen sinnvoll, erläutert der Systemingenieur.

„Grob über den Daumen geschätzt hat man in Deutschland 40 Millionen Erwerbstätige. Wenn man die Gesamtsumme von 80 Milliarden Euro durch 40 Millionen teilt, kommt man auf 2000 Euro. Ich würde diesen Betrag investieren. Damit hätte ich einen Anteil an einer breitbandigen Infrastruktur. Damit hätte ich die Sicherheit, vorausgesetzt man findet genügend Mitstreiter, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren auch wirklich flächendeckend ausgebaut würde. Ich hätte dann Breitband bei mir in der Wohnung, mit der ganzen Zukunftsperspektive, die es bietet. Ich wäre dann Eigentümer und könnte über Geschäftsmodelle nachdenken, wie man eine solide Rendite machen kann. Im Prinzip brauchen wir Raiffeisen, um den Breitbandausbau nach vorne zu bringen“, sagt Stahl.

Als Miteigentümer des Netzes sei man eher bereit, den Ausbau politisch mitzutragen. Entscheidend sei das dezentrale Investment. Zudem müsse nicht die gesamte Summe über Genossenschaften finanziert werden. Die großen Netzbetreiber seien jetzt schon dabei, kräftig für den Breitbandausbau zu finanzieren. Insofern könnte man eine gute Lastenteilung organisieren.

„Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2018 den flächendeckenden Breitbandausbau zu realisieren. Ohne dezentrale Initiativen ist das nicht zu erreichen“, prognostiziert Stahl.

Was bislang in der Berliner Politik diskutiert werden, habe mit schnellem Internet und Breitbandausbau nicht viel zu tun: Da gehe es eher um die Nutzung der installierten Kupferleitungen auf der letzten Meile für ein bisschen schnelleres xDSL:

„Das trifft nicht den Kern der Sache. Glasfaser in jede Wohnung“, so Stahl.

Dabei sei es für viele Themen unabdingbar, die Digitalisierung über schnelle Internetverbindungen voranzutreiben. Etwa bei der Energiewende. Man könne auch beides kombinieren.

„Wenn man bei dem einen über genossenschaftliche Konzepte nachdenkt, warum dann nicht auch bei dem anderen. Bei der Energiewende geht es ja gerade um die Dezentralisierung“, erläutert Stahl.

Auch wenn Deutschland häufig als Technologie-Vorreiter gelte, muss es im internationalen Wettbewerb aufpassen, dass es nicht zum Entwicklungsland mutiert. Fortschritt brauche die entsprechende Infrastruktur, damit er nicht abgewürgt wird. Der Erfolg des Automobils in den letzten 100 Jahren wäre ohne eine funktionierende Infrastruktur bestehend aus Straßen, Tankstellen oder Werkstätten nicht denkbar gewesen. In gleicher Weise sei die Digitalisierung abhängig von einer leistungsfähigen Kommunikations-Infrastruktur, gehosteten Services in der Cloud, intelligenten Endgeräten, Häusern und Autos.

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3 Gedanken zu “Steve, Chuck und der Breitbandausbau in Deutschland

  1. LagaV

    Wie kommt die im Video genannte Zahl von 2 Milliarden Euro Jahresumsatz auf die Investitionen von € 80 Mrd. zustande?

    Nehme ich ca. 25 Millionen Breitbandanschlüsse heute mit €15 / Monat, dann komme ich bereits dabei auf einen Umsatz von € 4,5 Mrd.

  2. Bernd Stahl

    80 Mrd. € versus 2 Mrd. € jährlich sind die Zahlen, die üblicherweise momentan von den Betreibern genannt werden. Es geht allerdings um den reinen Breitband-Access, d.h. im Prinzip die „letzte Meile“. In den Preisen der heutigen Internet-Anschlüsse steckt natürlich auch noch anderes drin, je nach Geschäftsmodell.

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