Social Media und der langsame Tod der Call Center

Im Kundendienst dominieren nach wie vor die klassischen Kommunikationskanäle wie Telefon, E-Mail, Fax oder Brief: Für die Integration von Twitter, Facebook, Wikis oder Apps würde es an einer klar konzipierten Strategie mangeln, kritisiert Marketingprofessorin Heike Simmet von der Hochschule Bremerhaven: „Eins ist bereits jetzt sicher. Social Media und die schlauen Applikationen des mobilen Internets werden zu starken Veränderungen in der Arbeitsweise von Call Centern führen.“ In der dynamisch wachsenden App-Economy könnten über das Smartphone umfassende Serviceleistungen angeboten werden, die jederzeit und an jedem Ort abrufbereit sind. Dazu erscheint noch im Laufe des Tages ein längerer Beitrag auf NeueNachricht.

Andreas Frank vom Möglichmacher-Blog schickte mir zu meiner Vorabmeldung gestern noch ein schönes Statement: „Wenn laut aktueller Shell Jugendstudie 96 Prozent aller 12- bis 25-Jährigen online sind und wenn diese Digital Natives zutiefst verinnerlicht haben, dass sich Informationen und Meinungen im Web 2.0 extrem schnell und extrem einfach finden und teilen lassen – Ungeduld also ständig positiv bestärkt wird – dann gibt es doch nur eine einzige, logische Schlussfolgerung für Kundendienstabteilungen: Mehr Service-Tools, die so einfach wie möglich, überall und rund um die Uhr genau die Informationen bieten, die gebraucht werden. Wenn man sich diese Kausalität ernst nimmt, führt kein Weg daran vorbei Telefon, E-Mail, Fax oder Brief durch intelligente mobile Online-Services und Apps zu ergänzen. Andernfalls wird die Call Center-Branche einen langsamen und schmerzhaften Tod sterben.“ Ding-Dong.

Das Ganze gewinnt noch an Brisanz, weil die Nutzung der Social Media-Kanäle nicht mehr auf die jüngere Generation reduziert werden kann (bin ja schließlich auch schon fast 50 Jahre alt). Auch die Älteren nähern sich immer mehr der Echtzeitkommunikation über soziale Netzwerke an. Dieser Effekt werde durch die einfach zu bedienenden Geräte wie iPhone, Android-Smartphones oder das iPad ausgelöst, glaubt Björn Behrendt, Geschäftsführer der Service-Community. „Selbst bei der Nutzung von Online-Communitys holen die über 50-Jährigen schneller auf, als man denkt“, erläutert Behrendt im Interview mit dem Fachdienst Call Center Experts. Sein Rat an die Call Center-Branche: Die Firmen sollten so schnell wie möglich ein Team aus zwei bis drei jungen Call Center-Agenten, einem Produktverantwortlichen und einem Supervisor zusammenstellen, um in einem sechsmonatigen Pilotprojekt die etablierten Social Media-Kanäle zu testen.

Später mehr auf NeueNachricht.

2 Gedanken zu “Social Media und der langsame Tod der Call Center

  1. Jedes ( Call Center) legt noch schnell ein Ei und dann kommt der Tod vorbei. Witwe Bolte hat sich das auch nicht träumen lassen und bei den Call Center Verantwortlichen hat sich das geänderte Kundenverhalten auch noch nicht rumgesprochen. Die digital native Generation will und wird nicht telefonieren und die Generation der silver surfer entdeckt auch zunehmend den Nutzen von communities und facebook. Nur die Branche selbst schläft. Call Center Forum, Call Center Club in XING, alle warten ab. Der Umbruch – und der Tod – wird für einige Call Center schneller kommen als ihnen lieb ist. Call Center sind nach wie vor gefragt; allerdings in einer anderen Rolle und mit einem anderen Selbstverständnis.

  2. @Harald auf den Fachkongressen ist das ja nur am Rande thematisiert worden mit dem üblichen „Wir sind die Größten“-Geschwafel. Das geht mir unheimlich auf den Keks. Vom generellen Tod des Telefonats kann man sicherlich nicht ausgehen, wie es Clive Thompson von Wired getan hat: http://www.zeit.de/digital/internet/2010-08/ende-telefon-internet-email

    In diesem Artikel wird aber ein ganz wesentlicher Punkt angesprochen, den die Call Center-Branche nicht wahrhaben will. Anrufe von Menschen, die ich persönlich nicht kenne, nerven. Auszug aus dem Artikel

    Das größte Versäumnis des Telefons sei nämlich die fehlende Statusanzeige. Schon lange habe das einleitende „Guten Tag, hier spricht …“ eine Frage wie: „Störe ich grad?“ abgelöst. Stören – genau, hier liegt das Problem.

    Auf eine E-Mail kann der Angesprochene antworten, wann immer es ihm beliebt. Das Telefon lasse diese Form asynchroner Kommunikation nicht zu. Oder wie Axel Rühle in der Süddeutschen schreibt: „Jemanden abends um elf anzurufen, hat etwas vom Eintreten der Wohnungstür. Wie elegant und diskret ist zu solchen Tageszeiten dagegen die SMS oder Mail, sie gleicht einem vorsichtigen Anklopfen, während das Telefon zu solcher Uhrzeit wie ein akustischer Sprengsatz mitten in der Wohnung hochgeht.“

    Martin Weigert bloggt über den Tod des Telefonats, den er offensichtlich nicht nur aus eigener Beobachtung für wahrscheinlich hält, sondern auch herbeizuwünschen scheint: Ein Anrufer sei „immer auch einen Tick egoistisch“.

    Das habe mit individueller Freiheit zu tun, glaubt auch Jacques Attali in der französischen Ausgabe von Slate. Er sieht den Egoismus allerdings eher auf Seite derer, die nicht belästigt werden wollten. Schuld sei die „idéologie de la liberté individuelle“: Diese Ideologie der individuellen Freiheit führe dazu, dass man sich nur noch für sich selbst interessiere. Und daher in seinem Narzissmus nicht gestört werden möchte, weder von einem Klingelton noch von irgendwelchen dringenden Problemen seiner Mitmenschen.

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