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Powerpoint und die Bullet-Points-Rhetorik für den Schlafsaal

Das sprachliche und geistige Korsett von Führungskräften der Wirtschaft kann bei jedem x-beliebigen Kongress bestaunt werden: die Krankheit nennt sich Powerpoint-Rhetorik. Es ist wie mit jenen Abenden bei Freunden, die zwei Kästen mit Dias hervorkramen und über aufregende Urlaubserlebnisse berichten: Quälende Langeweile und schummriges Licht erzeugen ein unbezwingbares Bedürfnis zu schlafen.

Egal welcher Gedanke, in Powerpoint wird er über einen Einheits-Kamm geschoren. Der „semantische Konformismus“ fängt mit den „Bullet Points“ an: Gedankenschritte und Argumente werden aufgelistet und in einer Folienfolge projiziert. Das Ende der Sabbelei hat selten Überraschungen parat: „Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.“ Schön, dass der Langweiler diesen Satz noch an die Leinwand schmeißt. Diskutiert wird nur in Notfällen, denn das Publikum sehnt sich nach einer Kaffeepause.

Ich bin wohl nicht der einzige, der das öffentlich beklagt. Stefan Pfeiffer verweist in seinem Blog auf einen Beitrag von Geoffrey James, der beschreibt, warum Powerpoint (und ähnliche Programme) nutzlos sind. “Sie erreichen meist sogar das Gegenteil dessen, was sie erreichen sollen. Die Zuhörer und Zuschauer werden abgelenkt. Sie machen keine Notizen, durch die sie sich Sachen besser merken können.”

Auf Exkursionen in die Untiefen der Kongresslandschaft entdeckt man unterschiedliche Powerpoint-Rhetoriker: Jeder hat sie schon erlebt oder schlafend im Vortragssaal verpasst. Folgende fünf Typologien fallen dabei ins Gewicht:

Der Überflieger hechelt mindestens zehn Folien pro Minute durch, weil er insgesamt 129 Folien hat. Die Psychofolter für das Publikum ist die Nummerierung der Folien mit Gesamtanzahl: 64 von 129, 65 von 129…

Der Vorleser hat deutlich weniger Folien – dafür sind sie randvoll in kleiner Schrift und mit Grafiken überladen. Weil sein Publikum nichts erkennen kann, muss er alles vorlesen: staubtrockene Zahlen und Fakten. Der geistige Phantomschmerz wirkt noch tagelang nach.

Der Im-Bild-Steher verdeckt die Projektion, weil er dauernd hin und her läuft zwischen Beamer und Leinwand und vor den Zuhörern auf und ab. Könner verbinden beides zu einem eleganten Ausdruckstanz – vorwärts, seitwärts, Drehung, Sprung, Verbeugung.

Der Schüchterne bewegt sich wenig und spricht sehr leise. Aber nicht zum Publikum, sondern zur Folie, zur Wand oder zu sich selbst.

Der Kommandeur hat Befehlsempfänger für Folienproduktion und Laptop-Bedienung. Der Kommandeur tritt manchmal auch als machtvoller Ignorant in Erscheinung, kennt den Inhalt der Präsentation nicht und überspielt es mit halblaut gebellten Anweisungen: „Nein, noch mal kurz zurück“ – „Jetzt nächste Folie!“.

Habt Ihr noch weitere Typologien? Dann bitte ergänzen.

Auf Facebook gibt es schon ein paar Vorschläge:

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

2 Kommentare zu "Powerpoint und die Bullet-Points-Rhetorik für den Schlafsaal"

  1. Es gibt auch immer noch die Kreativen, die so begeistert von den Möglichkeiten von PowerPoint sind, dass sie auch Anno 2020 die Buchstaben und Bilder über den Bildschirm tanzen lassen! Und ja, x-fach auf Messen erlebt. Spätestens dann ist Schluss und ich gehe.

  2. Du hast doch bestimmt noch weitere Typologien in petto?

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