#Notizzettel Unternehmensinvestitionen: Die Neigung zu investieren sinkt mit zunehmendem Alter

Zuversicht ist nach Analysen der KfW die zentrale Stellschraube, damit Unternehmen Investitionen angehen oder eben auch zurückhalten. Grundsätzliche Investitionsbereitschaft, die Höhe des eingesetzten Volumens sowie die Zielrichtung von Investitionen sind entscheidend von der Geschäftserwartung der Unternehmer abhängig. Grundlegende Voraussetzung dafür sind sichere wirtschaftspolitische und regulatorische Rahmenbedingungen. Innovationen und Digitalisierungsanstrengungen sind weitere wichtige Treiber. Hingegen bremst das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit vieler Mittelständler deren Investitionstätigkeit. Zudem sind begrenzte Wachstumsambitionen anzuführen. Die Investitionsbereitschaft im Mittelstand ist erheblich an die Person der Unternehmensinhabenden gekoppelt.

Dies zeigt sich auch bei den Folgen demografischer Prozesse: Die Neigung zu investieren sinkt mit zunehmendem Alter der Inhabenden massiv – sowohl das Investitionsvolumen wie auch der Hang, Kapazitätserweiterungen umzusetzen. Dieses Muster verhindert enorme Investitionen – seit 2002 ist das Durchschnittsalter der Inhaber um acht Jahre gestiegen. Hinzu kommt vielfach eine bevorstehende Unternehmensnachfolge. Je näher der Zeitpunkt der geplanten Nachfolge rückt, desto seltener werden Investitionen angegangen. Ungeklärte Nachfolgen drücken das Investitionsniveau zusätzlich.

Mäßiger Investitionsaufschwung im Mittelstand findet durch die Corona-Krise ein Ende Deutlich sind die Einschnitte bei den Investitionen der mittelständischen Unternehmen. Die Corona-Krise hat die Investitionslaune des Mittelstands erheblich gedämpft.

Noch nie haben so viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ihre ursprünglichen Investitionspläne nicht wie vorgesehen umgesetzt. Größere Vorhaben wurden von den Unternehmen häufiger zurückgestellt.

Dagegen dominierten kleinere Investitionsvorhaben zur Anpassung bzw. Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs in der Krise. Die durchschnittliche Investitionshöhe im Mittelstand verringerte sich deutlich um 22 Prozent. Dadurch erhielten die Investitionen insgesamt einen empfindlichen Dämpfer, der Rückgang zieht sich durch alle Segmente.

Zwar gilt der Mittelstand mit seinen rund 3,8 Mio. Unternehmen zu Recht als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – an den gesamten Neuinvestitionen der Unternehmen beträgt sein Anteil mittlerweile allerdings „nur“ noch 42 Prozent. Auch dies ist nicht ausschließlich, aber auch eine nicht zu vernachlässigende Krisenfolge.

Die Investitionstätigkeit des Mittelstands (-7 Prozent) war im Jahr 2020 etwas stärker von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen als Großunternehmen (-4 Prozent) bzw. der
Unternehmenssektor in der Gesamtsicht (-5,5 Prozent).

KMU haben in den vergangenen Jahren – selbst ohne Corona-Krise – kontinuierlich an relativer Bedeutung für das gesamte Investitionsgeschehen im Unternehmenssektor verloren. Im Jahr 2008 lag der Mittelstandsanteil am gesamten Investitionsvolumen der Unternehmen in Deutschland noch
bei 49 Prozent. Seitdem gingen demnach 7 Prozentpunkte verloren. Die Krise beschleunigt daher eine sich schon länger abzeichnende Entwicklung.

Enormer Investitionsbedarf voraus: Transformation in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung müsste auf der Agenda stehen

Ob es einen raschen Nachholeffekt bei den Unternehmensinvestitionen geben wird, ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Der Wunsch nach mehr Absicherung und Stärkung der finanziellen Resilienz aufseiten der Unternehmen könnte vielmehr zur Zurückhaltung wesentlicher Zukunftsinvestitionen
führen. Dabei steht die Transformation zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft auf der Agenda (Klimaneutralität bis 2045), auch bei der Digitalisierung gibt es großen Nachholbedarf. So beziffert eine aktuelle Studie im Auftrag der KfW die notwendigen Klimaschutzinvestitionen zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 auf rund 5 Bio. EUR oder rund 190 Mrd. EUR jährlich. Diese gewaltige Summe macht deutlich, dass zur Zielerreichung erheblich höhere Anstrengungen als bislang notwendig sein werden. Gleiches gilt für die digitale Transformation. Gegenwärtig rangiert Deutschland bei der Anwendung digitaler Technologien in der Wirtschaft im EU Vergleich bestenfalls im Mittelfeld. Um zu vergleichbaren Ländern aufzuschließen, müssten sich die IT-und Digitalisierungsinvestitionen in Deutschland von 49 Mrd. EUR auf 100 bis 150 Mrd. EUR jährlich verdoppeln bis verdreifachen. Allein im Mittelstand müssten die Digitalisierungsausgaben von 18 Mrd. EUR im Jahr 2019 auf 35 bis 50 Mrd. EUR pro Jahr zunehmen.

Für die stark inlandsorientieren kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wirkt dabei die heimische Nachfrage besonders stimulierend. Die Auslandsnachfrage hat hingegen eine untergeordnete Relevanz. Innovationen und Digitalisierungsanstrengungen sind weitere wichtige Treiber der Investitionen im Mittelstand.

Den Ausschlag für ein konkretes Investitionsvorhaben gibt am Ende vielfach schlicht das vorhandene finanzielle Polster. Ginge es allein danach, ließe sich seit Jahren eine Investitionsrally im Mittelstand beobachten – denn die Unternehmen haben ihre Gewinnzuwächse weit gehend einbehalten und Rücklagen aufgebaut. An zweiter Stelle der Rangfolge stehen die Erfahrungswerte der Inhabenden. Dies macht deutlich, dass die Investitionsbereitschaft im Mittelstand oft weniger stark durch die Einbettung in ein strategisches Gesamtkonzept gekennzeichnet ist, sondern generell erheblich an die Person des Unternehmensinhabers gekoppelt ist. Vor allem bei kleinen mittelständischen Unternehmen ist dieser Aspekt deutlich höher gewichtet als klassische Faktoren von Investitionsentscheidungen (beispielsweise Amortisation, Kosten, Rendite). Darin kommt auch die Kleinteiligkeit des Mittelstands zum Ausdruck – denn auch rund 1 Mio. Soloselbstständige zählen dazu. Und die werden in Deutschland eher mangelhaft unterstützt.

Die ausgeprägte Kopplung bzw. Bindung der Person des Inhabers an das Unternehmen nimmt auch eine tragende Rolle beim Blick auf demografische Wandlungsprozesse ein. Denn diese hinterlassen im Mittelstand besonders deutliche Spuren mit messbaren Folgen für die Investitionstätigkeit. So sinkt die Neigung zu investieren mit dem Alter des Inhabers erheblich. Viele Investitionen besitzen bei hohem Alter aus Inhabersicht schlicht eine zu lange Amortisationszeit – die finanzielle Verpflichtung wird dann eher gescheut. Dies gilt besonders bei eher umfangreichen, aber den Wettbewerb stärkenden Investitionen. Dies lässt sich in Zahlen belegen: Während im langjährigen Mittel (2004–2020) etwa 57 Prozent der jüngeren Inhaber unter 40 Jahren Investitionen vornehmen, sinkt dieser Anteil bei
den älteren Inhabern (über 60 Jahre alt) auf nur noch 36 Prozent.

Die entsprechende Lücke im Investorenanteil von etwa 20 Prozentpunkten ist dabei im Zeitverlauf recht konstant. Zudem investieren jüngere Inhaber einen größeren Anteil ihres Gesamtvolumens in Kapazitätserweiterungen (50 gegenüber 20 Prozent), weisen häufiger positive Nettoinvestitionen (38
gegenüber 22 Prozent) sowie eine deutlich höhere Investitionsintensität auf (Investitionsvolumen je VZÄ Beschäftigtem von durchschnittlich 9.200 EUR gegenüber 7.600 EUR).

Führt man sich dabei den raschen Alterungsprozess vor Augen, den die Inhaberschaft im Mittelstand durchläuft, zeigt sich die in den vergangenen Jahren gestiegene Relevanz dieses Aspekts. Gegenwärtig liegt das Durchschnittsalter eines Inhabers im Mittelstand bei 52,8 Jahren. In den vergangenen zehn Jahren ist dieser Wert um drei Jahre gewachsen, seit 2002 sogar um acht Jahre. Zum damaligen Zeitpunkt waren gerade einmal 20 Prozent der Inhaberschaft 55 Jahre oder älter. Aktuell ist es mit einem Anteil von 50 Prozent bereits jede(r) Zweite.

Ein oftmals unterschätzter Faktor sind begrenzte Wachstumsambitionen. Viele KMU haben funktionierende, oft lokal verankerte, Geschäftsmodelle und gewichten den Fortbestand des Unternehmens höher als Expansion. Erwirtschaften des eigenen Einkommens aus der Selbstständigkeit steht dabei an erster Stelle. Kapazitätserweiternde Strategien, die mit zusätzlichen Investitionen einhergehen (beispielsweise der Schritt ins Ausland, Einstellung von Mitarbeitern), finden in diesen Fällen eher selten statt. Dazu passt auch: Dämpfend auf die Investitionstätigkeit wirkt, wenn Unternehmen aus ihrer individuellen Unternehmensperspektive schlicht keine Notwendigkeit dazu sehen.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.