Nobelpreise für Deutschland und die Bedeutung der Forschung für die Volkswirtschaft @maxplanckpress

Die Vergabe von Nobelpreisen an Forscher in Deutschland in diesem und im vergangenen Jahr machen deutlich, wie exzellent unsere Wissenschaftslandschaft besonders in den naturwissenschaftlichen Disziplinen organisiert ist.

2020 ging bekanntlich der Physik-Nobelpreis für die Forschung zu Schwarzen Löchern an Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, den er sich mit mit Roger Penrose von der Universität Oxford und Andrea Ghez von der Universität in Kalifornien teilte.

Die Gewinner des Chemie-Nobelpreis 2021 stehen auch schon fest. Ausgezeichnet wurden der Deutsche Benjamin List und der US-Amerikaner David MacMillan für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse, ein ebenso „einfaches wie geniales“ Werkzeug zur Bildung von Molekülen. List ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. 

Der Physik-Nobelpreis 2021 geht an den deutschen Klimaforscher Klaus Hasselmann und an seinen US-japanischen Kollegen Syukuro Manabe sowie den Italiener Giorgio Parisi. Hasselmann arbeitete am Max-Planck-Institut für Meteorologie.

Dennoch werden in politischen Debatten Max-Planck-Institute und andere Forschungseinrichtungen immer wieder in Frage gestellt. Etwa vom FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas Sattelberger.

„Deutschland investiert in Forschung wie ein Weltmeister. Aber andere Länder holen die Medaillen.“ Die Frage ist nur, ob diese Kritik wirklich ins Schwarze trifft. Professor Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, hält die Analysen von Sattelberger für nicht stichhaltig. Damit meint er vor allem die Vergleiche zur Helmholtz-Gesellschaft oder zur Fraunhofer-Gesellschaft. „Wir haben deutlich kleinere Institute, die zudem in Gebieten forschen, in denen ein Spin-Off per se eher unwahrscheinlich ist. Dazu gehören auch eine Reihe von Instituten, die im geistes-, sozial- und humanwissenschaftlichen Bereich forschen. Es sind vor allem die Life Sciences und die Informatik, die als potentiell anwendungsnah gesehen werden können.“

Ohnehin sei eine präzise und umfassende „Return-on-investment-Quote“ öffentlicher Aufwendungen für die Grundlagenforschung – entgegen den Vorstellungen von Herrn Sattelberger – auch schwierig zu errechnen, insbesondere aufgrund der oft langen Zeiträume, die zwischen Entdeckung und Anwendung liegen.

„Der Nutzen, den die Grundlagenforschung bereitstellt, bemisst sich darüber hinaus nicht nur in Patenten, Lizenzen und Ausgründungen. Erkenntnisse haben einen Wert an sich. So stellt die Klimaforschung bereits seit Jahrzehnten wichtige Daten zum Fortschreiten des Klimawandels und seinen Folgen bereit. Nur: Die Gesellschaft macht zu wenig aus diesen Erkenntnissen. Grundlagenforschung stellt einen Pool an Ideen bereit, aus dem die Gesellschaft schöpfen kann, wenn es um neue Lösungen für die Zukunft geht. Demnach und ihrer Mission folgend, rekrutiert die Max-Planck-Gesellschaft nicht unter dem Gesichtspunkt der möglichen Realisierung von Ausgründungen, sondern orientiert sich am potentiellen Erkenntnisgewinn“, sagt Stratmann.

Forschung macht Technik alltagstauglich

Eine Reihe von Forschungsbeispielen belege zudem, dass der Indikator Ausgründungen nicht ausreicht. „So hat Jens Frahm vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie die MRT revolutioniert und sie zu einem der bedeutendsten bildgebenden Verfahren in der klinischen Diagnostik gemacht. Die von ihm und seinem Team in den 1980er Jahren entwickelte FLASH-Technologie reduzierte die Bildaufnahme-Raten von Minuten auf Sekunden – erst damit wurde das MRT alltagstauglich. 2010 beschleunigten Frahm und sein Team die MRT-Aufnahmen ein weiteres Mal erheblich auf bis zu 100 Bilder pro Sekunde, indem sie ein neues mathematisches Verfahren für die Bildrekonstruktion nutzten“, erläutert Christina Beck, Leiterin Abteilung Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft, im Gespräch mit dem ichsagmal.com-Autor.

Die Technik erlaube es, beliebige Vorgänge im Inneren des Körpers wie ein schlagendes Herz oder komplexe Abläufe wie das Sprechen oder Schlucken direkt zu beobachten. Für seine Arbeiten wurde Jens Frahm 2018 mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichnet. Die Technologie wird von Unternehmen wie Siemens und Bruker genutzt, die MRT-Apparate herstellen. Keine Ausgründung, aber unverzichtbar für die Herstellung und Anwendung des bildgebenden Verfahrens.

Mit Theorie zum Quantencomputer

Ein weiteres Beispiel für den langen Weg von der Grundlagenforschung in die Anwendung sind die Arbeiten von Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Er ist theoretischer Physiker und als solcher ein Wegbereiter der zweiten Quantenrevolution. Seine theoretischen Arbeiten haben den Grundstein gelegt für wegweisende Experimente zu Quantencomputern und Quantenkryptographie. In einer Publikation von 1995 erklärten Cirac und sein Kollege Peter Zoller, wie man mit Ionenfallen einen Quantencomputer bauen könnte. „Ohne diese theoretischen Grundlagen wären die Arbeiten von IBM und Google gar nicht vorstellbar und damit auch nicht der jüngst gefeierte Meilenstein bei der Entwicklung eines Quantencomputers“, so Beck. Nicht alle Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung vollziehen sich in der Produktwelt.

Entscheidend für den funktionierenden Transfer von Forschungserkenntnissen in die unternehmerische Anwendung ist nach Ansicht von Professor Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ein funktionierender Austausch von Fachleuten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – zum Beispiel über Ausgründungen. „Fraunhofer bringt mit Weltklasse-Hightech und unternehmerisch denkenden Forschern erfolgreiche Spin-Offs an die Märkte – 30 allein in 2018, über 260 seit 2005: Echter Gründergeist für Spitzentechnologie. Ausgründungen sind ein integraler Bestandteil der Verwertungsaktivitäten der Fraunhofer-Gesellschaft. Sie sind eine wichtige und vor allem effektive Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft und ein direkter Katalysator für den Innovationstransfer.“

Für Deutschland sei es von zentraler Bedeutung, die Förderung von Ausgründungen aus der Wissenschaft auszubauen und nachhaltig zu verstetigen. „Mit dem Fraunhofer Technologie Transfer Fonds unterstützen wir junge Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Forschungswelt und leisten einen wichtigen Beitrag zur Übertragung neuer Technologien aus dem Labor in die wirtschaftliche Wertschöpfung. Um Hürden zur Zusammenarbeit zu senken, interessierten Unternehmen regionale Anlaufstellen und Start-ups effektive Innovationsökosysteme anzubieten, betreiben wir bei der Fraunhofer-Gesellschaft zudem 17 Leistungszentren als Infrastruktur für Forschungstransfer in Deutschland“, resümiert Neugebauer gegenüber dem ichsagmal.com-Blogger.

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