
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit der Entwicklung der deutschen Agentur für Sprunginnovationen (SprinD) nicht zufrieden. Das berichtet taz: “Auf dem Forschungsgipfel kritisierte die Regierungschefin am Mittwoch, dass die auch auf ihr Betreiben gegründete Agentur derzeit über zu wenig Freiraum verfüge und zu sehr nach den Bedingungen des Bundesrechnungshofes arbeiten müsse. ‘Daher ist der Sprung noch relativ klein’, bemerkte Merkel. Die 2019 in Leipzig gestartete SprinD-Agentur soll mit 1 Milliarde Euro aus Bundesmitteln in den nächsten zehn Jahren sogenannte disruptive Innovationen fördern, aus denen völlig neue Märkte entstehen”, schreibt Manfred Ronzheimer.
“Auch die Gründung von zwei getrennten Innovations-Agenturen – eine für den zivilen Sektor und eine für militärische Anwendungen („Cyberagentur“) – befand die Kanzlerin als wenig zielführend. Dies sei eine ‘typisch deutsche’ Lösung. Das amerikanische Vorbild DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) ist eine Organisation des US-Verteidigungsministeriums und forscht in beide Richtungen. Darpa entwickelte auch die Urform des Internets mit dem Ziel, im Falle eines Atomkriegs die Militärs weiter kommunikationsfähig zu halten. An ein World Wide Web und eine Online-Ökonomie war anfangs nicht gedacht”, so Ronzheimer.
Am 1. Juni, um 18 Uhr sprechen wir live mit Rafael Laguna de la Vera, Gründungsdirektor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, über eine Verbesserung der Fördermaßnahmen für große Sprünge.
Die Bundestagsabgeordnete Anna Christmann von den Grünen brachte gar die Gründung einer neuen Agentur ins Spiel: “Mit der D.Innova wollen wir Akteure fördern und zusammenbringen, um noch mehr technische, soziale, ökologische und digitale Innovationen von morgen zu entwickeln. Zentrale Akteure sind Hochschulen und Forschungseinrichtungen, aber auch Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung. Internationale Vorbilder wie Nesta in Großbritannien, die Schweizer Innosuisse oder Vinnova in Schweden machen uns das große Potenzial von Innovationsagenturen vor. Wir entwickelt solche Vorbilder entlang den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung weiter, um für die großen Herausforderungen unserer Zeit gerüstet zu sein.”
Ob das hilfreich ist?
Was sagen andere Experten zur Agentur für Sprunginnovationen?
Nach Einschätzung von Julian Kawohl ist nicht ganz klar, warum eine staatliche Planwirtschaft für Innovationen besser funktionieren sollte als Venture Capital. „Ich bin da skeptisch, denn der Vorteil, Ideen groß machen zu können, liegt aufgrund deutlich höherer Erfahrung und Finanzmacht auf der Marktseite. Dazu glaube ich ebenfalls nicht, dass man einen solchen Job in Teilzeit machen kann und sollte. Wenn das Setup steht und Auswahlprozesse, Coaching, Mentoring und dergleichen etabliert sind, dann ist das möglich. Aber gerade zu Beginn ist solch ein Part-Time-Ansatz kritisch, um Strukturen zu etablieren, die nachhaltig sind und für sich funktionieren, wenn hier überhaupt was rauskommen soll“, so Kawohl, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Johannes Stock, Global Head of Design bei Futurice, sieht das größte Potential bei der Förderung von radikaler und riskanter Innovationsarbeit: „Nach unserer Erfahrung ist es nicht der Mangel an guten Ideen, an denen bahnbrechende Innovationen scheitern. Es fehlt an der Risikobereitschaft.“
Damit das gelingt, sei ein gutes Zusammenspiel der verschiedenen Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik entscheidend.
Frei nach Ginni Rometty „Growth and comfort do not coexist“ werden Sprunginnovationen nach Analysen von Andrea Martin wohl nur klappen, wenn man bereit ist, die bestehenden Abläufe und Geschäftsordnungen zu hinterfragen und auch radikal zu ändern. Das gelte für alle Akteure im staatlichen, privaten und wissenschaftlichen Sektor. Sprunginnovationen ohne Mut werden nicht funktionieren: „Zuerst auf die Risiken zu schauen und was alles schiefgehen könnte, wäre der ‚Killer‘ für Sprunginnovation“, so Martin, Leiterin IBM Watson Center und Mitglied der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ des Deutschen Bundestags.
Professor Reinhard Pfriem bringt Neugründungen ins Spiel, die die Welt wirklich besser machen. Nicht nur marktschreierisch, wie es Google & Co. im Gebetsmühlen-Jargon betonen. Pfriem setzt auf Social und Sustainable Entrepreneurship. Transformative Unternehmen sollten nicht-nachhaltiges Wirtschaften aus der Welt schaffen. Automobilindustrie, Energiewirtschaft und auch die Ernährungs- und Landwirtschaft verweigern sich, hier die nötigen schöpferischen Zerstörungen durchzuführen. „Das Zerstörerische muss zerstört werden, bessere additive Technologien reichen nicht aus“, kritisiert Pfriem. Diesem transformativen Kampf sollte sich auch die Agentur für Sprunginnovationen stellen.
Was erwartet Ihr und welche Fragen habt Ihr für den Livetalk mit dem Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen?
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