Liebe Wahlfrauen und Wahlmänner der Bundesversammlung, es wird keinen Gustav Heinemann-Effekt geben! Gauck wählen!

Die Wahlfrauen und Wahlmänner, die vom schwarz-gelben Lager für die Bundesversammlung gestellt werden, erleben jetzt wahrscheinlich keine sehr einfachen Sitzungen, „Hintergrundgespräche“ und „Probeabstimmungen“. Eines sollte ihnen aber klar sein, mit der Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten, der auch von Kanzlerin Angela Merkel sehr geschätzt wird, würden kein Gustav Heinemann-Effekt für die Regierungskoalition in Berlin entstehen.

Warum machen Lafontaine und Co. gegen den früheren DDR-Oppositionellen und Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde so ein unglaublich heuchlerisches Theater? Es sind wohl die klaren Positionen von Joachim Gauck zu den Werten der Bundesrepublik Deutschland und zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur, die ihn für DDR-Nostalgiker nicht wählbar machen. Also gute Gründe für einen Großteil der Bundesversammlung, ihn zu wählen.

Gauck ist kein Lager-Kandidat, er lässt sich für solche Machtspielchen nicht instrumentalisieren. Merkel und auch der Gegenkandidat Wulff könnten gut mit einer „Niederlage“ umgehen. Auch Richard von Weizsäcker wurde erst bei seiner zweiten Kandidatur zum Bundespräsidenten gewählt. Christian Wulff ist noch jung, macht als Ministerpräsident von Niedersachsen keine schlechte Figur und kann sich weiter als Landesvater für höhere Weihen profilieren. Eine politische Gemengelage wie 1969 kann nicht entstehen: In einer dramatischen Wahl erreichte Gustav Heinemann im ersten Wahlgang 513 von 1036 Wahlmännerstimmen, im zweiten nur noch 511, Schröder 507. Erst im dritten Wahlgang am 5. März 1969 wählte ihn die Bundesversammlung mit 512 zu 506 Stimmen zum dritten Bundespräsidenten. Ausschlaggebend waren die Stimmen der FDP, deren Wahlmänner sich auf Anraten von Walter Scheel im letzten Wahlgang mehrheitlich für Heinemann entschieden. Dies wurde allgemein als erster Schritt in Richtung eines künftigen Koalitionswechsels der FDP und Beginn einer neuen politischen Ära gewertet. Heinemann war aber ein klassischer Parteikandidat – Gauck ist das definitiv nicht.

Er wäre ein idealer „erster Bürger“ des Staates, der nach allen politischen Seiten einen offenen und kritischen Diskurs pflegt. Gauck sieht sich als „Citoyen“, als freier Bürger, der die Freiheitsrechte des Grundgesetzes nicht als Selbstverständlichkeit wertet. Freiheit und Verantwortung verlangen nach seiner Ansicht eine ständige Wandlung, sind eine permanente Herausforderung. Kein System sei so lernfähig wie die Demokratie. „Sie ist gerade nicht das Einfache, das schwer zu machen ist, wie Brecht es vom Kommunismus behauptete. Sie ist das Komplizierte, was auch einfache Menschen machen können“, schreibt Gauck in seiner Autobiografie „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ (erschienen im Siedler Verlag). Freiheit verpflichte uns immer wieder, uns der Moral in den zwischenmenschlichen Beziehungen wie auch der Werte in unserem Gemeinwesen zu vergewissern.

Auch wenn es Probeabstimmungen vor der morgigen Bundesversammlung gibt, morgen ist die Wahl des Bundespräsidenten geheim. Jedes Mitglied der Bundesversammlung sollte sich vom Druck der politischen Lager befreien und als Citoyen entscheiden.

2 Gedanken zu “Liebe Wahlfrauen und Wahlmänner der Bundesversammlung, es wird keinen Gustav Heinemann-Effekt geben! Gauck wählen!

  1. Alle sollten sich aus ihrem Lagerdenken befreien, das würde ich nicht nur auf die FDP reduzieren. Es gibt auch im Lager der Union sicherlich einige Vertreter in der Bundesversammlung, die aus guten Gründen für Gauck votieren könnten.

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