Lesefrüchte: Über Collaboration-Gurken, Shitstorm-Ängste, Social Web-Hausordnungen und einen automobilen Che Guevara-Fan

Herrlich fand ich heute die „Gurke des Tages“, die die taz-Redaktion ausgesucht hat:

Hurra! „Arkadin, ein führender (warum eigentlich nicht weltweit führend?, gs) Anbieter von Collaboration-as-a-Service-Lösungen (Lösungen kennen wir noch aus dem Chemie-Unterricht, gs), hat heute bekannt gegeben (warum nicht morgen?, gs), dass Cisco SabberJabber den Schwerpunkt seines Unified Communications-Angebots (UC) bilden soll“, so die Lesefrucht der taz. Gefunden in einer Pressemitteilung, die das Schicksal vieler anderen Firmenverlautbarungen teilt. „Wir verstehen zwar kein Wort, freuen uns aber riesig. Denn das ist Pressesprecher-Sprech at it’s best. Und bei solch gelungener Kommunikation ist uns der Anlass total egal, warum wir die Korken knallen lassen.“ Da schließe ich mich an. Bei so einer fantastischen Botschaft muss man den Alkohol fließen lassen. Übertroffen wurde diese prosaische Meisterleistungen bislang nur von der weltweit führenden und gut aufgestellten Firma etracker. Siehe: Der etracker-Laberland-Test: Erste Erfahrungen mit dem BlaBlaMeter.

Höchst amüsant ist der Vorschlag eines Social Media-Beraters, Firmen mit Shitstorm-Ängsten eine Hausordnung zu verordnen, damit nicht alles so durcheinander im Social Web läuft. Gelesen in der Freitagsausgabe des Handelsblattes. Da ich ja eine innige Beziehung zur Hausmeister- und Jägerzaun-Ideologie in Deutschland habe, musste ich diese Weisheiten natürlich in meiner Freitagskolumne für den Fachdienst Service Insiders aufgreifen:

Das klingt irgendwie nach schwäbischen Kehrwochen und nachbarschaftlicher Spionage, um die korrekte Befüllung von Gelben Tonnen und Säcken zu überwachen. Wer ausschert, bekommt Besuch vom Ordnungsamt oder erhält eine Rote Karte und wird als Mülltrennungsmuffel registriert. Wer gegen die Hausordnung verstößt, muss mit Suspendierung rechnen und sich die Maske der Scham aufsetzen. Wer über Richtlinien, Guidelines, Leitbilder, goldene Regeln, Strategien oder Pläne für den Umgang mit dem Social Web palavert, beweist nur, dass er noch knietief in den Befehl-und-Gehorsam-Schleifen der alten Manager-Garde feststeckt. Mit dicken Web 2.0-Budgets, Social Media-Teams, Twitter-Accounts und Facebook-Fanseiten kreiert man noch lange keine Kultur des offenen Gesprächs.

Mit einer Hausordnung hätte es vielleicht auch nicht den legendären Auftritt eines Vorstandschefs aus der Luxuslimousinen-Klasse gegeben. Das wäre unverzeihlich. Dann hätten wir gar nicht die Sternstunde des automobilen Top-Managers mitbekommen, der vor einem Che Guevara-Plakat in Las Vegas hintergründige Analysen über den Kommunismus vorgetragen hat. Ein wahrer Car Sharing-Revolutionär, der sich als „Chief Guerilla Officer“ profilierte.

Ähnlich originell ist die Fürsorge des Hamburger Datenschutz-Bürokraten Johannes Caspar, der mich vor dem Ausverkauf meiner Daten schützen möchte. Gierige Datenspione wie Google und Facebook machen mir jeden Tag zur Konsumhölle. Entsprechend wohlwollend ist mein Kommentar in der absatzwirtschaft ausgefallen:

An ihren Taten sollt ihr sie messen und nicht an der kindischen Anti-Cookie-Like-Button-Leerformel-Rhetorik von Caspar und Co. Am Ende des Tages ist unsere Privatsphäre nicht um einen Millimeter besser geschützt. Im Gegenteil. Wir werden eingelullt und hören nicht mehr die Einschläge, die unsere Freiheitsrechte bedrohen. Personalisierte Werbung und sittenwidrige AGBs zählen nicht dazu. Das soll keine Entlastung für die rüde Geschäftspolitik von Facebook und Google bedeuten. Hier müssen wir in Europa endlich unsere Hausaufgaben machen und den Monopolisten aus Übersee bessere Web-Dienste entgegenstellen. Zurzeit machen die amerikanischen Dickfische einfach einen besseren Job, wie man am Beispiel Amazon ablesen kann.

Etwas ausführlicher auch im Debattenmagazin „The European“ nachzulesen – aber auf Cookie-Niveau.

Es wird wieder einmal um den Datenschutz gerungen. Der Hamburger Beauftragte Johannes Caspar agiert dabei auf Cookie-Niveau, wenn er zuerst an die Sammelwut amerikanischer Konzerne erinnert. Denn auch Vater Staat ist an unseren Festplatten interessiert. Zeit, den Schlapphut zu lüften.

Ob der Caspar meine Fragen bei seinem Vortrag auf der Call Center World in Berlin beantwortet? Ich bin ja auch zugegen und moderiere eine Diskussionsrunde über Welterklärungsmaschinen und die unsichtbare Servicekommunikation. Dienstag, den 28. Februar von 14,oo bis 15,00 im Hotel Estrel, Berlin-Neukölln. Caspar redet vormittags. Da bin ich natürlich dabei und zeichne auf. Schönes Wochenende :-). In Bonn schifft es schon den ganzen Tag.

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