Krahl, Luhmann und das theoretische Rüstzeug im Wettbewerb mit dem Silicon Valley #Pluriversum21

Ich sortiere gerade meine Notizen in Form von Zetteln und Einträgen im Netz. Und da ist mir wieder die Rede von Alexander Kluge zur Eröffnung der Ausstellung Pluriversum21 über den den Weg gelaufen, mit einer überraschenden Aussage über den digitalen Wettbewerb mit dem Silicon Valley:

„Hans-Jürgen Krahl ist der intelligenteste mir bekannte Studentenführer gewesen – ein Theoretiker der Spitzenklasse. Dessen Schrift über die reelle Subsumtion der Intelligenz und des Kapitals ist die einzige Theorie, die mit Silicon Valley fertig wird. Der andere ist Niklas Luhmann.“

Auf LinkedIn gab es dann eine sehr interessante Reaktion von Frank H. Witt:

„Krahl und Luhmann lagen und liegen theoretisch oder ideologisch, wie man das auch sehen will, weit auseinander, aber Kluges Einschätzung ist zutreffend, sowohl Systemtheorie (physikalische, biologische, psychische und soziale Systeme, die sich wechselseitig ermöglichen, irritieren und gegeneinander abgrenzen lassen), als auch die eiskalte Interpretation der Hegelschen Phänomenologie lassen keinen Raum für allzu viel Vertrauen in das individuelle Bewusstsein (auch von Revolutionären): ‚Genosse Krahl, du bist objektiv ein Konterrevolutionär und ein Agent des Klassenfeindes dazu!‘ So wurd Krahl kritisiert, als er auf der SDS Delegiertenkonferenz vom 13. Oktober 1969, darin mit Luhmann übereinstimmend, das Scheitern der Studentenrevolte konstatierte, weil diese die Mechanismen der Systembildung nicht verstehen konnte ….diese Delegiertentagung und der Auftritt Krahls beeindruckten manche in der späteren Professorengeneration so nachhaltig, dass diese das Bedürfnis hatten, mit ihren Studenten noch in den 80ern darüber zu diskutieren … technische Revolutionen sind einfacher als soziale, ,… Evgeny Morozov oder Jaron Lanier mögen dann den Studierenden von heute Diskussionsstoff bieten. Who owns the future?“

Soweit Witt. Das Arkanum von Krahl als Silicon Valley-Gegenrezept würde ich gerne lüften auf dem #KölnerKolloquium am 29. Mai.

2 Gedanken zu “Krahl, Luhmann und das theoretische Rüstzeug im Wettbewerb mit dem Silicon Valley #Pluriversum21

  1. gsohn

    Adorno brauchte ein Freisemester, er will seine ästhetische Theorie fertig schreiben. Sie alle können sich die Thematik des studentischen Protests vorstellen. Ganz abgewendet davon hält Luhmann das Adorno Vertretungsseminar mit dem Titel: „Liebe als Passion“. Vier Studierende sind Teilnehmer des Seminars. Draußen Besetzung des soziologischen Seminars, später des Instituts für Sozialforschung, revolutionäre Entwürfe. In dieser Zeit war Adorno von einer Geliebten verlassen worden. Er suchte persönlichen Rat bei Luhmann, wenn dieser schon seinem Seminar einen so vielversprechenden Titel gegeben hatte.
    Das ist eine Momentaufnahme aus dem Arsenal der so erfindungsreichen Autorin, der Wirklichkeit. In einem solchen Laboratorium, in dem extreme Gegensätze dicht nebeneinander wohnen, entwickelte sich in der Achsenzeit der Antike (500 vor Chr.) die erste große Philosophie, entwickelte sich um 1800 die Weimarer Klassik und beinahe hätte es hier 1968 eine Frankfurter Klassik geben können. Es hätten nur vorhandene Geister wie Hans Jürgen Krahl, Luhmann, Adorno, Habermas eng zusammenarbeiten müssen. Von solcher Kooperation kann man sich in unserer Welt nicht genug wünschen. https://www.kluge-alexander.de/…/2009-adorno-preis.html

  2. gsohn

    1968 sind Sie wieder aufs Filmfestival gefahren. Ein Triumph: der Goldene Löwe für „Artisten in der Zirkuskuppel“. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Besuch?
    68 ist mir sehr nah. Die Zeit ist für mich verbunden mit konkreten Menschen. Ich bin Beobachter, ich bin Vor-68er, aber ich beobachte parteiisch. Ich bin parteiisch für Adorno, denn ein Theoretiker muss nicht tun, was die studentische Aktion von ihm fordert. Ich bin aber auch ein Verehrer des Studentenaktivisten Hans-Jürgen Krahl, ein brillanter Geist, der vieles, was uns heute bewegt, formuliert hat. Die Intelligenz kann nicht aufhören zu lernen, auch wenn sie immer wieder irrt. Das hat was mit Spielen zu tun. Das haben die Studenten damals gemacht. Ich habe grade einen Film gemacht, noch unveröffentlicht: „Winter of Love“. Der Film handelt im Dezember 68 von der Rebellion an der Universität Frankfurt am Main. Niklas Luhmann vertritt Adorno auf dessen Lehrstuhl. Er liest über „Liebe als Passion“. Krahl findet das Thema abwegig. Aber gleich neben Krahl sitzt eine Genossin und liest Wilhelm Reich. So ist es vernetzt. Pro Woche hat damals die Gruppe Revolutionärer Kampf Pamphlete geschrieben mit Forderungen, für deren Ausführung es 80 Jahre und 800.000 Leute braucht. Das ist bis heute eine Herausforderung. https://www.monopol-magazin.de/das-wasser-ist-etwas-zu-gruen-um-gesund-zu-sein?fbclid=IwAR0Cri8JM8asFVZE4n1RSva0S_yKYHWMR1_h4VJe8ETGcHbQMSoiuLt6LkM

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