IT-Gipfel: Bürgertelefon 115 kostenpflichtig und ohne Automatisierungsintelligenz – Branchenexperte: „Merkel-Prestigeprojekt könnte in die Hose gehen“

Das Bundesinnenministerium und das Bundesland Hessen haben auf dem IT-Gipfel in Darmstadt die Entwicklung des Bürgertelefons mit der Rufnummer 115 vorgestellt. Es solle ein unkomplizierter Draht in die Verwaltung eingerichtet werden. „Welche Verwaltungsebene, welche konkrete Behörde oder Dienststelle für das jeweilige Anliegen zuständig ist, spielt für die Anrufer keine Rolle“, sagte der Bundes-CIO Dr. Hans Bernhard Beus. In der Pilotphase sei die 115 allerdings nur von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 18 Uhr erreichbar. 

Danach solle der Service zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten werden. Konsequente Bürgerorientierung beinhalte auch ein konkretes Leistungsversprechen. Deshalb haben sich Kommunen, Länder und Bund auf einheitliche Kriterien geeinigt. 75 Prozent der 115-Anrufe werden innerhalb einer Frist von 30 Sekunden durch einen Call Center-Mitarbeiter angenommen werden. 55 Prozent sollen beim ersten Anruf auch beantwortet worden. Allerdings teilte Beus mit, dass die Anrufe kostenpflichtig seien. Entsprechende Gespräche laufen mit Unternehmen der TK-Branche. Die Abrechnungen erfolgt wohl nach Minutenpreisen. Auf eine Automatisierung werde man verzichten. Die Bürger würden nicht gerne mit einem Sprachcomputer reden. Das sei eine Vertrauensfrage. dsc_0096„Die öffentliche Hand wird das nicht durchhalten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man beim IT-Gipfel über Future-Internet, semantische Technologien und moderne Sprachsteuerung spricht und beim 115-Projekt völlig auf intelligente Selbstbedienungstechnik verzichten will“, kritisiert Bernhard Steimel, Sprecher der Brancheninitiative Voice Business http://www.voicedays.de. Hightech sehe anders. „Wer auf ‚One-Stop-Government setzt, der muss damit rechnen, dass die Bürger das Angebot ernst nehmen und wirklich jedes Anliegen bis hin zum Zaunkrieg mit dem Nachbarn vorbringen. Ohne ein vernünftiges Automatisierungskonzept werden die Bürgertelefone heiß laufen und die Kosten explodieren“, warnt Steimel. Das Merkel-Prestigeprojekt in Sachen bürgerfreundliche Verwaltung könnte sonst in die Hose gehen. 

 

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