Hallo Herr Bierhoff, Herr Ackermann, Herr Clement, Herr Cordes, Herr Grube, Herr Merz, Herr Schily, stehen Sie noch zur Atomenergie???

Erinnert sich noch jemand an die Pro-Atomenergie-Kampagne, die im Sommer des vergangenen Jahres losgetreten wurde? Dazu hatte ich ja einen kleinen Beitrag geschrieben unter dem Titel: Gestern-Manager im Industrie-Erdloch – Der atomare Aufstand.

Kleiner Auszug: Gestern-Manager, Gestern-Politiker und Gestern-Publizisten sorgen sich um ihre die Zukunft von Gestern-Technologien. Die Unterzeichner des energiepolitischen Appells lesen sich wie das Who-is-Who des Industriekapitalismus aus der Zeit von Generaldirektoren und Kanzler Konrad Adenauer. „Wir brauchen Offenheit für neue Technologien, aber auch Vertrauen in bewährte Versorgungs- und Industriestrukturen“, heißt es in dem Aufruf, der wohl in jeder überregionalen Tageszeitung als ganzseitige Anzeige erschienen ist (die Industrielobby vertraut eben noch auf die altbewährten Gestern-Leit-Medien).

Lässt man die Gutmenschen-Floskeln in diesem PR-Text weg, riecht das Ganze nach einem Überlebenskampf der Engergiekonzerne – an der Vormacht dieser Giganten soll sich nichts ändern. Um nichts anderes geht es bei diesem Appell, Herr Bierhoff (weiß der Manager der Nationalmannschaft, was er da unterzeichnet hat?) Man will die Konzernstrukturen der Energie-Giganten und die zentralistisch organisierte Energieversorgung konservieren – zumindest wollen wohl Bernotat, Großmann und Co. ein wenig Zeit rausschinden, um weitere Milliarden-Gewinne aus ihren Oligopolen zu ziehen. Letztlich sind es vor allen Dingen die Großkonzerne, die an der atomaren Großtechnologie festhalten wollen – siehe beispielsweise die Firmenliste der World Nuclear Association. Zu ihren Mitgliedern gehören Erbauer und Betreiber von Kernkraftwerken u.a. EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall – alle vier Unternehmen mischen natürlich auch beim energiepolitischen Appell mit. Soweit der Auszug des Textes, den ich vergangenes Jahr schrieb.

Wenn man sich die Liste der Unterzeichner anschaut, würde mich interessieren, was die Herren heute über ihre Verlautbarung denken. Die Unterzeichner warnen vor einer Absage an die Kohle und dem vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie, der nach ihrer Ansicht Kapital in Milliardenhöhe vernichten würde. Gilt das noch immer? Antworten Sie doch am besten wieder mit ganzseitigen Anzeigen wie im August 2010:

Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank
Dietrich Austermann, CDU-Politiker, er war von 2005 bis 2008 Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein
Werner Bahlsen, Bahlsen
Paul Bauwens-Adenauer, Bauwens
Wulf Bernotat, BDI-Vizepräsident, war Eon-Vorstandsvorsitzender
Oliver Bierhoff, Manager der Fußball-Nationalmannschaft
Manfred Bissinger, Publizist
Herbert Bodner, BDI-Vizepräsident
Wolfgang Clement, Ministerpräsident und Bundeswirtschaftsminister a. D.
Eckhard Cordes, Metro-Vorstandsvorsitzender
Gerhard Cromme, ThyssenKrupp
Michael Fuchs, Unternehmer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag
Ulrich Grillo, Grillo-Werke
Jürgen Großmann, BDI, RWE
Rüdiger Grube, Deutsche Bahn
Christopher W. Grünewald, Papierfabrik Gebr. Grünewald, BDI
Jürgen Hambrecht, BASF-Vorstandsvorsitzenden und BDI-Vizepräsident
Tuomo Hatakka, Vattenfall-Chef
Wolfgang Herrmann, TU München
Horst W. Hippler, KIT
Hans-Peter Keitel, BDI-Präsident
Arndt G. Kirchhoff, Kirchhoff Automotive, BDI
Kurt J. Lauk, Wirtschaftsrat der CDU
Ulrich Lehner, Henkel, BDI-Vizepräsident
Friedhelm Loh, Friedhelm Loh Group, BDI-Vizepräsident
Carsten Maschmeyer, MaschmeyerRürup
Friedrich Merz, Rechtsanwalt
Arend Oetker, BDI-Vizepräsident
Hartmut Ostrowski, Bertelsmann
Bernd Scheifele, HeidelbergCement
Otto Schily, Bundesinnenminister a.D. und Rechtsanwalt
Wolff Schmiegel, Ruhr-Universität Bochum
Ekkehard Schulz, ThyssenKrupp und BDI-Vizepräsident
Johannes Teyssen, Eon
Rainer Thieme, Salzgitter
Jürgen Thumann, BusinessEurope, Ex-Präsident und heutiger Vizepräsident des BDI
Michael Vassiliadis, IG BCE
Hans-Peter Villis, Vorstandschef von EnBW
Gerhard Weber, Gerry Weber International
Werner Wenning, Bayer
Matthias Wissmann, VDA, BDI-Vizepräsident

4 Gedanken zu “Hallo Herr Bierhoff, Herr Ackermann, Herr Clement, Herr Cordes, Herr Grube, Herr Merz, Herr Schily, stehen Sie noch zur Atomenergie???

  1. Wess Brot ich ess, dess Lied ich sing. Hat sich jemand mal die Mühe gemacht, zu prüfen, wieviel Geld diese Herrschaften von der Atomindustrie über Aufsichtsratsposten, Gehälter, sogenannte Spenden etc. regelmäßig erhalten?

  2. Nun will Merkel die AKW-Laufzeitverlängerung aussetzen. Gut für die Wahlen in den nächsten Wochen, aber schlecht für Den, der den Begriff “aussetzen” richtig versteht. Westerwelle schmeißt noch einen vorne weg: “Ein neues Haus kann anfälliger sein als ein altes”, von wem lässt der denn bauen. Nachdem seit mehreren Jahrzehnten von vielerlei kompetenten Seiten die Unsicherheiten und ebenso die Unwirtschaftlichkeit von AKWs aufgezeigt wurden, möchte Westerwelle nun eine Expertenkommission bilden, welche eine Risikoanalyse der Atomkraftnutzung erstellen soll. Was soll uns das sagen?

    http://waschtrommler.de/2011/03/14/japans-katastrophe-und-die-deutscher-politiker/

  3. So ist es. Dazu benötigt man keine Expertenkommission. Die wollen sich halt irgendwie aus der Affäre ziehen. Und wenn man die Verlängerung der Laufzeiten thematisiert, sollte man auch das Vorspiel aufgreifen. Wer sich von den Lobbyisten so vorführen lässt, darf sich nicht darüber wundern, wenn er jetzt von den Wählern abgestraft wird.

  4. macmarine

    I prefer the words of Alexey Yablokov, member of the Russian academy of sciences, and adviser to President Gorbachev at the time of Chernobyl: „When you hear ’no immediate danger‘ [from nuclear radiation] then you should run away as far and as fast as you can.“

    „Five years ago I visited the still highly contaminated areas of Ukraine and the Belarus border where much of the radioactive plume from Chernobyl descended on 26 April 1986. I challenge chief scientist John Beddington and environmentalists like George Monbiot or any of the pundits now downplaying the risks of radiation to talk to the doctors, the scientists, the mothers, children and villagers who have been left with the consequences of a major nuclear accident.

    It was grim. We went from hospital to hospital and from one contaminated village to another. We found deformed and genetically mutated babies in the wards; pitifully sick children in the homes; adolescents with stunted growth and dwarf torsos; foetuses without thighs or fingers and villagers who told us every member of their family was sick.

    This was 20 years after the accident but we heard of many unusual clusters of people with rare bone cancers. One doctor, in tears, told us that one in three pregnancies in some places was malformed and that she was overwhelmed by people with immune and endocrine system disorders. Others said they still saw caesium and strontium in the breast milk of mothers living far from the areas thought to be most affected, and significant radiation still in the food chain. Villages testified that „the Chernobyl necklace“ – thyroid cancer – was so common as to be unremarkable; many showed signs of accelerated ageing.“

    Yeah, let’s do it again…

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