Eine trollige Verlagsgeschichte

„Ist es denkbar, dass einer der wichtigsten Medienmanager Deutschlands über Monate in diesem Blog unter einer Vielzahl wechselnder Pseudonyme eine dreistellige Zahl von teils irren Kommentaren abgibt, in denen er auf eigene Beiträge verweist, mich und seine Konkurrenz beschimpft, wüste Verschwörungstheorien strickt und seine verschiedenen Identitäten miteinander diskutieren lässt“, fragt sich der Blogger Stefan Niggemeier („Eine systematische Störung“). Es geht immerhin um das Verlegersöhnchen Konstantin Neven DuMont, der im Vorstand der Mediengruppe DuMont sitzt, der unter anderem „Frankfurter Rundschau”, „Berliner Zeitung”, „Kölner Stadtanzeiger” und „Hamburger Morgenpost”, Buchverlage und Radiobeteiligungen gehören. „Es gilt als ausgemacht, dass er das publizistische Erbe seines mächtigen Vaters Alfred antreten soll“, schreibt Niggemeier.

Den Jahreswechsel verbrachte Konstantin Neven DuMont damit, Dutzende Kommentare im Blog von Niggemeier abzugeben, in denen er unter anderem von gefiltertem Brunnenwasser schwärmte, sich vornahm, CO2-Emissionen zu reduzieren und Liebe stärker zuzulassen, und ein Videoblog ankündigte, in dem er politische Lieder und Liebeslieder singt. (Was soll aus diesem Verlag bloß noch werden? gs).

„Nachdem sein Kommunikationsverhalten auch verlagsintern Aufmerksamkeit erregt hatte, war plötzlich Schluss. Am 10. Januar abends erschien noch ein versöhnlicher Kommentar. Es war der letzte, der den Namen ‚Konstantin Neven DuMont‘ trug. Doch auch danach wurden Kommentare abgegeben, bei denen als Absender seine E-Mail-Adresse eingetragen war — keine leicht zu erratende Verlagsadresse, wohlgemerkt. Es spricht viel dafür, dass diese Kommentare auch von seinem Internetanschluss abgegeben wurden“, führt Niggemeier weiter aus.

Im September eskalierte dann die Situation. Der Unbekannte erhöhte dramatisch seine Kommentarfrequenz. „Teilweise gab er an einem einzigen Tag 33 Kommentare ab. Auch die Zahl der verwendeten Pseudonyme nahm dramatisch zu“, so Niggemeier. Allein in den vergangenen sechs Wochen kommentierte er unter über 100 (!) Pseudonymen, die im Blogpost von Niggemeier nachzulesen sind. Teilweise simulierte der Kommentator ganze Dialoge, in denen sich seine verschiedenen Identitäten miteinander unterhielten und gegenseitig bestätigten. Er kündigte drohend an, dass „zahlreiche investigative Recherchen” den „Machenschaften” von Niggemeier auf der Schliche seien.

Noch interessanter ist die Reaktion des Verlagssohnes in einem Interview mit dem Dienst Meedia.

Auf die Frage „Wie ist es Ihnen gelungen, die anonymen Kommentatoren zu überführen?“ antwortet Konstantin Neven DuMont:

„Dank Stefan Niggemeier ist mir das gelungen. Er hat mich auf dieses Problem aufmerksam gemacht.“ Zwei Personen aus seinem Umfeld hätten die Kommentare abgegeben. Er hat sie darum gebeten, keine weiteren Einträge unter seiner Mailadresse zu veröffentlichen.
Sie hatten Zugang zu seinem Rechner. „Im Nachhinein war das natürlich ein Fehler“, so Neben DuMont. Rechtliche Schritte erwägt er nicht.
Er habe noch nie jemanden persönlich angezeigt. Nichtsdestotrotz findet er die Methoden von Stefan Niggemeier bedenklich. Soweit die Antworten.

Ich nehme mal an, dass der Rechner in der Regel im Büro des Verlegers steht. Zwei Personen haben Zugang zu diesem Rechner und können sich dort austoben und fast täglich eine Vielzahl von Kommentaren unter Verwendung von über 100 Pseudonymen im Blog von Niggemeier plazieren und mit sich selbst über Niggemeier diskutieren? Was macht der Verleger in dieser Zeit? Ist er auf dem Klo, in der Kantine, arbeitet er virtuell in seinem Büro, gibt es kein Vorzimmer, kommt jedermann an den Computer des Verlegers, hat er kein Passwort und, und, und? Waren es nur zwei Personen? Waren es enge Mitarbeiter oder Menschen, die einfach zufällig mal hineinspazieren in die heiligen Hallen des Verlages und ein wenig im Netz herumsurfen? Die Replik ist jedenfalls urkomisch. Übrigens auch die direkte Antwort von Neben DuMont an Niggemeier:

„Ulrike Langers These, dass dieser Beitrag Tagesgespräch beim DuMont Verlag werden wird, teile ich ich nicht. Wie gesagt, anonyme Kommentare werden dort nicht ernst genommen.“ Ja aber anonym können diese Kommentatoren doch jetzt nicht mehr sein. Er weiß jetzt, dass es sich um zwei Personen (des Verlages?) handelt, die an seinem Computer fleißig Blogkommentare schreiben. Beispielsweise zum Beitrag „Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont“. Für den Verlagsflurfunk gibt es also reichlich Diskussionsstoff, da hat Ulrike Lange recht!

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