Der Staat als Datensammler und Datenhändler – Werden die Bürger korrekt informiert?

Der Staat sammelt nicht nur kräftig Daten seiner Bürger. Er verkauft sie auch noch. Das berichtet Golem unter Berufung auf die ZDF-Sendung Wiso.

„Es kommt schon vor, dass mit einer Anfrage 1.000 Adressen vermittelt werden“, so Klaudia Zurth, Abteilungsleiterin im Bürgeramt Berlin, gegenüber Wiso.

Der Zugriff auf die Bürgerdaten sei gebührenpflichtig, die Preise sind bundesweit uneinheitlich: „Das Bürgeramt Berlin kassiert fünf Euro pro Adresse, in München liegt der Preis pro Adressdatensatz bei 15 Euro. Der Eintrag in das amtliche öffentliche Verzeichnis unterliegt in Deutschland der Meldepflicht und beinhaltet Namen, Staatsangehörigkeit, Religionsgemeinschaft, gegenwärtige und frühere Adresse, Familienstand und Kinder“, berichtet Golem.

Bundesdatenschützer Peter Schaar hat gegenüber Wiso den Handel mit Bürgerdaten kritisiert: „Im Internetzeitalter hat das eine neue Qualität gewonnen. Diese Daten werden verwendet, um Profile zu aktualisieren, um den Adresshandel gegebenenfalls noch effizienter und noch ertragreicher zu gestalten.“ Das Bundesinnenministerium kündigte gegenüber Wiso an, zu prüfen, ob Melderegisterauskünfte „neu austariert werden müssen“.

Im Juni 2008 waren bereits durch ein Datenleck beim Behördensoftwarehersteller HSH Daten der Einwohnermeldeämter in 200 Kommunen über das Internet frei zugänglich. „Wer eine Mausbewegung über einen Link zu einer Demoversion einer Onlineauskunft machte, erhielt den voreingestellten Benutzernamen und das Passwort für die Datenbank. Wurden mit der Installation das Auslieferungspasswort und der Benutzername vom Betreiber nicht geändert, war es möglich, auf das Informationsregister zuzugreifen und Einwohnerdaten zu lesen“, führt Golem weiter aus.

In der Frage der Sammlung von Geodaten habe ich in der vergangenen Woche eine Antwort der Stadt Bonn erhalten.

Sehr geehrter Herr Sohn,

Ihre Frage nach dem Einsatz von Geodaten bei der Stadtverwaltung Bonn kann ich wie folgt beantworten:

Geodaten (Karten, Luftbilder, raumbezogene Informationen) stellen heute für die Kommunen wichtige Arbeitsgrundlagen bei der Erfüllung der gestellten Aufgaben dar. Bereiche wie Stadtplanung, Umweltschutz, Liegenschaftsverwaltung etc. kommen ohne Geodaten nicht aus.

Die Kommunen in NRW stützen sich hier im Wesentlichen auf die Geobasisdaten des amtlichen Vermessungswesens, deren Rechtsgrundlagen im Gesetz über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster (VermKatG NRW) definiert sind. Hierzu gehören insbesondere die in Kooperation mit der Abteilung 7 der Bezirksregierung Köln (GEObasisNRW) erstellten Ortophotokarten sowie das Automatisierte Liegenschaftskataster als öffentliches Register mit dem Nachweis aller Liegenschaften und Gebäude.

Diese Geobasisdaten werden in einer Vielzahl von Aufgaben der Verwaltung im Sinne des §1 Nr 4 des VermKatG NRW eingesetzt und mit Geodaten der einzelnen Fachbereiche zusammengeführt. Die Erteilung einer Baugenehmigung, die Verkehrssicherung eines Straßenbaumes, die Planungsvorarbeiten für einen Bebauungsplan oder auch die Unterstützung eines Feuerwehreinsatzes nutzen die Geodaten. Kommunales Handeln wird hierdurch sicherer, effizienter und auch bürgerfreundlicher.

Ein Einsatz von Geodaten zur „Kontrolle“ der Bürger erfolgt in der Bundesstadt Bonn nicht. Die von Ihnen angesprochenen „Schwarzbauten“ stellten in Bonn in der Vergangenheit kein relevantes Problem dar. Die Überwachung der Bautätigkeit in Bonn erfolgt durch das Bauordnungsamt im Rahmen des Einsatzes der Baukontrolleure. Auf die Gebäudeeinmessungspflicht nach VermKatG NRW werden die Bauherren im Rahmen der Baugenehmigung hingewiesen und die Einhaltung als Folgevorgang der Baugenehmigung behandelt.

Als Bürgerservice stellt die Bundesstadt Bonn im Rahmen des städtischen Internetauftritts einen online-Stadtplan mit städtischen Informationen z.B. der Bereiche Planen-Bauen und Umweltschutz zur Verfügung (http://stadtplan.bonn.de). Hierüber werden auch Bürgerbeteiligungverfahren wie z.B. die bis zum 24.09.2010 gelaufene Bürgerbeteiligung zur Lärmaktionsplanung (http://stadtplan.bonn.de/cms/cms.pl?Amt=Stadtplan&Thema=Umweltschutz&Subthema=Lärm&Subsubthema=Bürgerbeteiligung&act=0) gestaltet.

Eine Einzel-Information der Bürger über die Erhebung und Nutzung von Geodaten erfolgte bisher nicht. Meist erfolgen Pressemitteilungen über einzelne Projekte. Nach dem Umweltinformationsgesetz sowie dem Geodatenzugangsgesetz Nordrhein-Westfalen sind die Gemeinden dazu gehalten, vorhandene Umweltinformationen über Mittel der elektronischen Kommunikation öffentlich zugänglich zu machen. Auf dieser Grundlage wurde z.B. das seit diesem Jahr bestehende Solardachkataster in das Internet-Angebot der Bundesstadt Bonn aufgenommen. Sofern Bürgerinnen und Bürger der Kennzeichnung der Dachflächen zur Eignung für Solaranlagen widersprechen, werden die entsprechenden Daten aus der Internet-Darstellung herausgenommen.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine generelle Einschätzung. Moderne und effiziente Verwaltungen benötigen qualitativ hochwertige und aktuelle Geodaten in fast allen Bereichen. Die gesetzlichen Regelungen das Datenschutzes stellen hierbei den gesellschaftlichen Kompromiss zwischen dem Schutzbedürfnis des einzelnen Bürgers und den Notwendigkeiten der Gestaltung des Gemeinwesens dar. Von einer „Sammelwut“ der Kommunen kann keine Rede sein. Die Erhebung von Geodaten ist mit hohen Kosten verbunden, die die Kommune einzig vor dem Hintergrund der Effizienzsteigerung investieren kann. Der Schutz der Privatsphäre der Bürger hat hierbei einen hohen Stellenwert. Ende der Antwort Dr. Monika Hörig, Bundesstadt Bonn, Stellvertretende Pressesprecherin.

Interessant ist nun, dass die Stadt Bonn Bürger über die Erhebung von Geodaten nur über Pressemitteilungen informiert. Widerspruchsmöglichkeiten werden wohl nicht in Musterschreiben beworben, wie es der Bonner Oberbürgermeister im Fall von Google Street View gemacht hat. Auf Kosten des Steuerzahlers 🙁

Die Antwort schließt zudem nicht aus, dass personenbezogene Daten erfasst, anonymisiert und in Geomarketing-Systemen verarbeitet zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei den Infas-Geodaten. Generell wächst bei mir der Eindruck, dass Erhebungen und Verarbeitungen von Geodaten stattfinden, die Bürger aber nicht offensiv informiert werden.

Was ist zum Beispiel mit dem Bonner Solarkataster? Das ist ein sehr praktisches Vertriebssystem für die Solarwirtschaft. Wurden die Hausbesitzer vorab informiert? Das kann ich mir nicht vorstellen. Wer in Bonn schon einschlägige Erfahrungen gesammelt hat mit dem Ordnungsamt oder anderen Behörden, kann sich bei mir gerne melden. E-Mail: gunnareriksohn@googlemail.com oder hier einen Kommentar posten.

7 Gedanken zu “Der Staat als Datensammler und Datenhändler – Werden die Bürger korrekt informiert?

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