Dämonisierung von China führt zu nichts – Was hat sich denn geändert unter der Herrschaft der KP China? @ABaerbock

In vielen Storys zu Russland und China bin ich Fragen nachgegangen, die sich mit der strategischen Blindheit des Westens in der Geopolitik beschäftigen. Etwa die völlig folgenlose Sanktionspolitik gegen die Sowjetunion Anfang der 1980er Jahre. Auch damals stand das Erdgasgeschäft mit Europa im Vordergrund. Auch damals ging es um vermeintliche Abhängigkeiten in der Energieversorgung. Die Auseinandersetzungen um das sogenannte Erdgas-Röhren-Embargo wurden durch den Beschluss von Williamsburg beigelegt. Damals ist das als ein politischer Sieg der Europäer gewertet worden, denn letztlich haben sie sich gegen die harten Sanktionen der US-Regierung durchgesetzt. Nachzulesen in meiner VWL-Diplomarbeit von 1988. Schlussbemerkung in meiner Arbeit: Abhängigkeiten sind nicht notwendigerweise Verwundbarkeiten und selbst Verwundbarkeiten bieten keine Gewähr für den Erfolg der Ausübung von Druck.

Auf politischer Ebene wurden die Möglichkeiten von Wirtschaftssanktionen überschätzt. Unterschätzt wurden die Bestrebungen des Kreml, Erdgas-Pipelines ohne Technologie-Importe aus dem Westen fertigzustellen. In der Allianz-Studie (NATO-Studie) wurden dann die positiven Aspekte des Energiegeschäftes mit Moskau dokumentiert. Kurzfassung: Wirtschaftsbeziehungen sind Teil der gesamten Diplomatie. Wegen des östlichen Bedarfs an westlicher Technologie, Getreide und Krediten wurde der Handel eingesetzt, um diplomatische Ziele voranzutreiben, aber nicht durch Maßnahmen wie Sanktionen und Embargos. Seit dem Sommer 1983 war dann nach dieser Allianz-Studie eine sachlichere Debatte in Fragen des Ost-West-Handels möglich geworden. All diese Papiere müssten den Regierungen in Berlin, Washington, Paris und auch den NATO-Strategen in Brüssel vorliegen. Wenn nicht, so kann ich gerne meine Diplomarbeit mit allen wichtigen Quellen zur Verfügung stellen.

Eine ähnlich differenzierte Analyse wäre im Umgang mit der Volksrepublik China unter Xi Jinping notwendig. Einige Fragen zur aktuellen Debatte stellte ich aktuell dem Sinologen Professor Harro von Senger.

Gibt es unter Xi Jinping nicht eine Entwicklung in Richtung Totalitarismus, Ausbau der staatlichen Kontrolle, Unterdrückung von politischen Protesten und dergleichen?

„Unter Xi Jinping hat sich nichts Grundlegendes geändert. Xi Jinping wird masslos überschätzt, dämonisiert oder ins Gigantische erhoben. Er ist kein grosser Neuerer, sondern ein grosser Kontinuator. Politischer Protest wurde schon immer unterdrückt. Hat man den 4. Juni 1989  schon vergessen -also Schiessbefehl des ach so liberalen und freiheitlichen und verglichen mit Xi Jinping so viel milderen Deng Xioaping? Hat man Liu Xiaobo (Friedensnobelpreisträger) schon vergessen? Er wurde unter Hu Jintao, nicht unter Xi Jinping,  zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt. Hat man Wei Jingsheng  schon vergessen? Er wurde bald nach Maos Tod zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Und und und und …  Unter Xi Jinping in dieser Hinsicht: nichts Neues unter der Sonne“, so von Senger.

Es bleibe bei dieser Grundstruktur (Verweise auf das von Senger-Opus Moulüe – Supraplanung. Unerkannte Denkhorizonte aus dem Reich der Mitte, Hanser Verlag, 2. Auflage München 2018 – die dritte Auflage soll in diesem Jahr erscheinen):

Versucht man nicht auch in wirtschaftlichen Dingen die staatliche Repression zu erhöhen? Beispielsweise über das Sozialkredit-System?

Antworte von Professor von Senger: „Nicht ‚Repression‘, sondern Klassenkampf. Dieser wurde – entgegen de westlichen China-Mainstream-Meinung – nie abgeschafft, siehe

Jetzt könnte man schreiben: 1937 – 2022: Klassenkampf, mal zentral, mal peripher, aber nie abgeschafft.

Daher sollen jetzt die Internet-Milliardäre Geld abgeben für den ‚gemeinsamen Wohlstand‘, den zu verwirklichen seit Jahrzehnten in den Satzungen der KP-China verkündet worden ist.“

Ist der Zentralismus der KP China in wirtschaftlichen Fragen dem Westen wirklich so überlegen?

„In der Volksrepublik China wurde schon immer abstrakt behauptet, der Sozialismus sei der westlichen bürgerlichen kapitalistischen Demokratie überlegen.—–2 Siehe:

Gedeiht das unter den freiheitlichen Vorzeichen im Westen nicht besser?

„Laut offizieller Sprachregelung ist die Volksrepublik China keine Supermacht, sondern das grösste Entwicklungsland der Erde. Kein Politiker der Volksrepublik China hat nach meinem Wissen je behautet, es gehe den Chinesen besser als den Leuten beispielsweise in der Schweiz oder in Deutschland. Im Gegenteil:

Wie sollte der Westen seine China-Politik in den nächsten Jahren ausrichten? Wandel durch Handel? Was bedeutet der Schulterschluss zwischen China und Russland? Welche Empfehlungen würden Sie der Bundesregierung in Deutschland geben – in der Außenpolitik und in der Außenwirtschaftspolitik?

Siehe hierzu

Ist das eigentliche Problem Europas und der USA mit China unerkannt?

http://www.supraplanung.ch/pdf/us-fehleinschaetzungen-dervrch.pdf

„Man sollte nicht so oberflächlich mit China umgehen, wie ich auf dieser Webseite darstelle. Nach meiner Meinung kennt man in den USA auch heute noch nicht die wahren Ziele der VRCh und tappt wie eh und je im Dunkeln.“ Siehe auch noch:

Was bedeutet der Schulterschluss zwischen China und Russland?

„So wie die Europäer und die USA mit Russland in keiner Weise empathisch auf deren Sicherheitsbedürfnisse eingehen und ihre Expansion gen Osten stur fortsetzen wollen, müssen sie sich nicht wundern, dass sich die schon seit längerem guten Beziehungen Russland – China weiter festigen. Europäer und Amerikaner sind eben Meister darin, sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Je mehr sie Druck auf Russland ausüben, umso mehr drücken sie Russland an den Busen der Volksrepublik China“, resümiert Professor von Senger.

Soweit die Antworten des China-Experten aus der Schweiz.

Die wahren Ursachen des amerikanischen Handelskrieges gegen China sollten wir dabei auch nicht verdrängen.

Siehe auch:
Handelskrieg zwischen China und USA 

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