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Altpapier-Weisheiten

“Unsere journalistische Leistung hat einen hohen Wert und kann deshalb nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden.”

So begründet vollmundig der stellvertretende Vorsitzende der “Madsack”-Geschäftsführung Thomas Düffert die Umstellung eines Großteils der Web-Inhalte seiner Mediengruppe. Nicht-Abonnenten der Zeitungs-Titel “Hannoversche Allgemeine Zeitung”, “Neue Presse”, “Göttinger Tageblatt” und “Oberhessische Presse” müssen für exklusive Inhalte auf den Online-Portalen zahlen. Die Umstellung soll bis zum Ende des Jahres auf alle Webseiten der insgesamt 18 “Madsack”-Zeitungen ausgedehnt werden.

Wow. Das ist sehr betrüblich für mich. Schade, dass die exklusiven Inhalte dieser Blätter hinter einer Bezahlwand verschwinden. Allerdings muss ich ein Geständnis machen, liebe Madsack-Jungs: Ich habe die Web-Angebote dieser journalistischen Schnellboote nie so richtig zur Kenntnis genommen. Sie tauchen weder in meinem Google Reader auf, noch habe ich sie in meiner Flipboard-App favorisiert.

Warum hauen mich auch Schlagzeilen der Tagespresse – ob Online oder Print – nicht vom Sockel, wenn wieder irgendein Land der EU einen Blauen Brief wegen erhöhter Defizite kassiert oder mich der Bonner General Anzeiger mit einer dpa-Meldung über die Filialschließungen von Schlecker berieselt. Über die Stellenstreichungen des “For-you-Vorort-im-Abgrund-Ladens” bin ich überall schon zugedröhnt worden. Genauso öde sind die Seifenblasen-Statements von irgendwelchen Polit-Apparatschicks oder Verbandsfunktionären, die mir jeden Tag an den Kopf geknallt werden. Auswechselbare Sprechblasen, die Reich-Ranicki in Romanform als stinklangweilig titulieren würde. Die anmaßende Attitüde des Madsack-Verlages korrespondiert hübsch mit der aufgeblasenen Aussage von Christoph Keese, die er im Handelsblatt losgelassen hat:

„Die Zeit des undifferenzierten Verschenkens von Journalismus ist vorbei.”

Ok, Springer-Keese. Dann wird also künftig differenziert verschenkt? Ist ja auch ok. Inhaltlich hat Matthias Spielkamp von iRights.info sehr schön gekontert: Was Christoph Keese verschweigt.

In der Debatte sei es nur fair und redlich, die Gründe dafür zu nennen, warum die Verlage aus den Angeln gehoben werden.

“Vor allem Tageszeitungen verlieren seit Jahrzehnten an Auflage. Das bedeutet einerseits niedrigere Einnahmen aus dem Verkauf. Zum anderen bedeutet es auch niedrigere Einnahmen aus Werbung. Zwar ist die Zahl der Leser, die die Verlage mit ihren Publikationen erreichen – gedruckt und online – bei manchen Marken sogar gestiegen. Aber Werbekunden zahlen für Leserkontakte in den Online-Medien erheblich weniger als in den gedruckten. Und die Leser wandern zunehmend ins Netz.”

Zudem verlieren die Verlage ihr Gebietsmonopole.

“Früher konnte ein Verlag seinen Lesern ein Paket verkaufen, in dem der Lokalteil das Feuilleton subventioniert hat, der Sport die Politikberichterstattung. Die Leser hatten keine Wahl, als dieses Paket zu kaufen, und die Anzeigenkunden hatten keinen anderen Weg, um zu den Kunden zu gelangen. Das ist vorbei.
Außerdem haben die Verlage die Anzeigenmärkte verloren. Auto-, Immobilien- und Stellenanzeigen suchen und finden Interessierte nicht mehr in der Zeitung, sondern im Netz. Gewaltige Einnahmen, die den Verlagen abhanden gekommen sind”, schreibt Spielkamp.

Man könnte es auch zugespitzt formulieren: Anzeigen finanzieren Printmedien, nicht Leser: Und die wandern ins Netz!

Alle Einnahmen kamen in der guten alten Zeit in einen Pott. Druckereierlöse, Vertriebserlöse, Anzeigenerlöse. Am Ende wurde zusammengezählt. Heraus kam oft eine schöne schwarze Zahl. Und das war kein Wunder. Denn die Verlage hatten nicht nur ein begehrtes Produkt anzubieten. Sie hatten auch einen starken Zugriff auf die Margen eines bedeutenden Teils des Produktionsprozesses.

Und sie hatten wie in Bonn oder Köln auch ein schönes Zeitungsmonopol. Da waren die Lokal- oder Regionalzeitungen richtige Dukatenesel. Damit konnten sie bei den Anzeigenpreisen kräftig zulangen. Über Jahrzehnte hinweg erzielten sie Traumrenditen, von denen nicht nur viele Verleger, sondern auch so manche Redakteure in ihren Nischen wie die Maden im Speck lebten. Im Internet herrscht dagegen Wettbewerb, den man mit dem Leistungsschutzrecht aushebeln will.

Beim Schutz des geistigen Eigentums, den Kees einklagt, geht es überhaupt nicht um den abnehmenden Respekt vor geistigem Eigentum, der zu Umsatzverlusten führt.

“Denn es gibt im Internet keine Angebote gibt, die den Umsatz der Verlage nennenswert mindern, indem sie Urheberrechte verletzen. Zumindest sind die Verlage in den vergangenen Jahren nicht in der Lage gewesen, auch nur ein einziges Beispiel für einen solchen Fall zu nennen”, so Spielkamp.

Keese schreibt, „Der Gesetzgeber muss Urheberrechte und Allgemeinwohl ausbalancieren“, und dass Urheberrechte nicht absolut sein können.

“Und verschweigt, dass es den Verlagen beim Leistungsschutzrecht nicht (nur) darum geht, eine Vergütung für Nutzungen zu bekommen, die derzeit frei sind. Sondern sie wollen sogar ein Verbotsrecht gegenüber allen haben, die auf ihre Inhalte – viele davon kostenlos im Netz – hinweisen möchten, egal ob Suchmaschine oder Blogger. Das Gegenteil einer Balance also, vielmehr ein weiteres Recht für die Verwerter, dessen Schaden potenziell gewaltig, dessen Nutzen bisher aber vollständig ohne Beleg geblieben ist”, so die Replik von Spielkamp.

Es geht also gar nicht um fairen Wettbewerb. Zurückgesehnt werden die Zeiten, in denen man im Lehnstuhl sich dumm und dämlich verdienen konnte mit den Verbreitungsmonopolen der klassischen Medien.

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Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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