Betonköpfe zermürben: Machteliten-Hacking, digitale APO, Ideeninfiltration, ManagerWatch #NEO16x

Banner-Kreation von Isabel Morales Rey
Banner-Kreation von Isabel Morales Rey

Vieles ist denkbar beim Aufstand der Kreativen in der Netzökonomie, um Betonköpfe in Wirtschaft und Politik mürbe zu machen.

Der ehemalige Konzernvorstand Thomas Sattelberger hat für die Formierung einer digitalen APO wichtige Stichworte geliefert, um das Inzest-System des Top-Managements der DAX 30-Konzerne, von autoritär geführten mittelständischen Unternehmen und von korrumpierbaren Elite-Hochschulen zu durchbrechen. Er will mit politischen Mitteln den Gehorsamskäfig in Organisationen aufbrechen. Wenn wir in der digitalen Sphäre von Partizipation, Transparenz und einer Kultur der Beteiligung reden und auch danach handeln, dürfe das in Wirtschaft und Politik nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Wir dürfen jetzt nicht den alten Taylorismus, der das Arbeitsleben nach Befehl und Gehorsam taktet, in digitalem Gewand reproduzieren. Die Netzökonomie sollte schon mit intelligenteren Methoden gesteuert werden.

Soziopod-Blogger Patrick Breitenbach hat dafür im vergangenen Jahr auf der Next Economy Open in Bonn mit seinem spontihaften Aufruf zum Machteliten-Hacking eine vortreffliche Denksportaufgabe hinterlassen. Man müsse Gegen-Narrative in die Organisationen bringen. Die alten Eliten sind von einer Blase der Ja-Sager umgeben. Wie wäre es mit einer subversiven Injektion für kritisches Denken? So pflegte der Philosoph Karl Popper eine sehr intensive Beziehung zum Altkanzler Helmut Schmidt. Das habe den früheren Regierungschef in seinem politischen Denken sehr stark geprägt.

„Popper war indirekt ein Hacker der politischen Elite“, bemerkt Breitenbach.

Man brauche zudem starke Metaphern, um bei den Entscheidern der Machtelite etwas anzurichten, ergänzt brightone-Analyst Stefan Holtel im NEO15-Streitgespräch.

Wie könnte eine Graswurzelbewegung die Werkzeuge des Social Webs einsetzen, um Verkrustungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aufzubrechen? Eine Möglichkeit sehe ich in der Ideen-Infiltration, die der Jesuit Michel de Certeau in seinem Band „Kunst des Handelns“ für listenreiche Konsumenten aufgebracht hat.

Es geht um normale User, die beim Surfen durch die Warenwelt in den Nischen des Konformismus auf ungeahnte Autonomiemöglichkeiten stoßen, ohne sich der Aufgabe des aufopfernden Heldentums widmen zu müssen. Wer ist schon gerne Märtyrer. Es reichen kleine Regelverletzungen. Man könnte während der Arbeitszeit unauffällig anderen Tätigkeiten nachgehen, Meetings mit endlosen Monologen ad absurdum führen, Vorgesetzte mit falschen Excel-Tabellen in den Wahnsinn treiben und Macho-Manager bei der nächsten Weihnachtsfeier mit scharfsinnigen Witzen als eitle Trottel bloßstellen.

Powerpoint-Fußnoten für Kopisten-Bosse

Die Zweckentfremdung von digitalen Werkzeugen bietet eine Vielzahl von dadaistischen Möglichkeiten des Anarchentums: Powerpoint-Präsentationen für den Vorstand und selbst das Intranet sind ein ergiebiges Feld für Sticheleien. Klaut der eigene Boss regelmäßig seine Führungsweisheiten aus einschlägig bekannten Ratgeberbüchern der prahlerischen Beraterzunft, empfehle ich als Fußnote schlichtweg die Quellen-Angabe. In meiner Zeit beim Telefonie-Unternehmen o.tel.o ergänzte ich die Durchhalteparolen des Kommunikationsdirektors, die er aus einem Opus von Reinhard Sprenger abkupferte, mit einer Rezension des besagten Werkes.

Hintergrundinfos über prahlerische Vorgesetzte

Die angeberischen Exkurse des Top-Managers mit dem Charme eines Autoverkäufers über seine Karriere als Bundesliga-Torwart konterte der zuständige Mitarbeiter für das Sport-Sponsoring mit einem Zitat aus dem Bundesliga-Jahrbuch: Die fußballerische Karriere des VoKuHiLa-Schwätzers währte nur kurz, weil der Protagonist den Anforderungen des Profivereins nicht gewachsen war. Um so mehr redete er von seinen Kitzbühl-Begegnungen mit Franz Beckenbauer und Konsorten. Alle Mitarbeiter, die unter diesem Zwergen-Regime dienen mussten, konnten mit den vermittelten „Hintergrundinfos“ die Auftritte des Direktoren-Würstchens besser ertragen.

Teleprompter-Nahaufnahmen

Die Nahaufnahme der Entschuldigungs-Stammelei des mittlerweile gefeuerten VW-Chefs Marin Winterkorn, die auf Youtube immer noch abrufbar ist, kann als Paradebeispiel für Machteliten-Hacking herangezogen werden – wahrscheinlich unbeabsichtigt. Mit der Kameraeinstellung wurde sichtbar, dass der cholerische Auto-Macher nicht in der Lage war, sein Ehrenwort-Statement frei zu sprechen. Der bestbezahlte CEO in Europa, der nach Auskunft des IG-Metallers Bernd Osterloh angeblich jeden Euro wert ist, schrumpfte zum Teleprompter-Rhetoriker.

Zu den Establishment-Crashern zählt auch jener schlaue CDU-Berater, der mir auf meine Twitter-Anfrage zur Sendelizenz für das Livestreaming-Projekt von Kanzlerin Angela Merkel eine 007-Replik entgegenschleuderte. Ergebnis: Es gab nie wieder einen Live-Hangout der Regierungschefin mit der Gefahr einer weiteren Schwarzfunk-Debatte.

Systemkritik mit Geissen-Gegenteilaktionen

Einen systemkritische Geist verorte ich zudem bei den Werbefachleuten des „Verbraucherportals“ Verivox, die das Goldkettchen-Traumpaar Geissen klimapolitisch korrekt ins Rennen schicken. Aussage: „Je mehr Energie wir verbrauchen, desto mehr sparen wir.“ Besser kann man den so genannten Rebound-Effekt massentaublich nicht erklären. Was weniger kostet, wird mehr nachgefragt. „Ich habe ja eine Energiesparlampe – also kann ich sie länger brennen lassen.” Das wäre ein direkter Rebound-Effekt. Der indirekte Rebound. Der Energieverbrauch sinkt tatsächlich – ich spare Geld. Aber dieses Geld gebe ich wieder für etwas anderes aus, das ebenfalls Energie verbraucht. Wer dank besserer Isolation seines Hauses tausend Euro im Jahr für Heizöl spart, macht mit dem gesparten Geld mehr Fernreisen mit dem Flugzeug oder fährt sinnlos mit einer Motor-Yacht an der Côte d’Azur hin und her.

Wer sich ökologisch orientieren möchte, braucht nur das Gegenteil der Blinki-Blinki-Gichtlinge machen. Machteliten-Hacking ist jeden Tag möglich.

Am 8. August, um 16 Uhr werden wir in einem Live-Hangout weitere Ideen diskutieren über den Aufstand der Kreativen in der Netzökonomie. Wer mitmischen will im Hangout, sollte mir einige Tage vorher eine Info zukommen lassen. Hier einen Kommentar posten, auf der Facebook-Eventtseite oder auf Google Plus.

Man hört, sieht und streamt sich 🙂

Siehe auch: Top-Manager und die dunklen Hinterzimmer der Macht