Das Schlafen der Verlage: Warum die E-Commerce-Modelle der Massenmedien Schrott sind

Richard Gutjahr hat ein eindrucksvolles Experiment gemacht, um auf den Online-Portalen der einschlägigen Massenblättern wie Focus, SZ oder Spiegel E-Paper-Ausgaben zu kaufen. Das Ergebnis ist desaströs. Was soll also das Gejammer über die Kostenlosmentalität im Internet und die angebliche Parasiten-Strategie von Google, wenn die Verlage noch nicht einmal in der Lage sind, ein smarte E-Commerce-Modell für ihre Produkte aufzuziehen. Diesen Sachverhalt diskutierte ich mit Branchenexperten in Kooperation mit dem Behörden Spiegel übrigens schon vor fünf Jahren auf der Cebit. Meldung siehe unten:

Mangelhaftes Bezahlsystem Hemmschuh für neue Dienste im E-Commerce

Hannover – Immer mehr Internet-Nutzer sind nach einem Bericht des Handelsblattes bereit, für Inhalte und Dienste im Internet zu zahlen. Der Bericht bezieht sich auf die Studie „Deutschland Online 2“. Danach könnte das Marktvolumen für Internet-Bezahldienste von derzeit 45 Millionen Euro bis 2010 auf 185 Millionen Euro wachsen. Schwachstelle für die Entwicklung des E-Commerce, so die Erfahrung von Omar Khorshed, Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer acoreus AG, seien dabei immer noch die unzureichenden Abrechnungsmöglichkeiten im Internet. „Neue Technologien sollten den Billing-Businessmodellen folgen und nicht umgekehrt. Man kann nicht neue Dienste erst entwickeln und danach über Bezahlmöglichkeiten nachdenken. Hier werden im E-Commerce die meisten Fehler gemacht“, sagte Khorshed bei einem CeBIT-Expertengespräch in Hannover. Die Erfolgsstory von Apple bei Musik-Downloads sollte für neue Dienste im Internet oder Mobilfunk als Richtschnur gelten.

„Viele Technologiefirmen sind nicht in der Lage, massenfähige Produkte mit attraktiven, einfachen und kostengünstigen Billingangeboten zu etablieren. Mobilfunkunternehmen sollten sich mit Spezialisten verbinden, um neue Produkte an den Start zu bringen“, so Khorshed. Auch im öffentlichen Dienst, so die Meinung von Behörden Spiegel-Chefredakteur Achim Deckert, sei die Abrechnung häufig der größte Bremspunkt, um fertig entwickelte Module im E-Government einzusetzen. „Hier liegt besonders für Kommunen ein enormes Geschäfts- und Einnahmepotential“, betonte Deckert. Alleine könnten Behörden diese Aufgabe nicht stemmen.

„Ob in der Telekommunikation, im Internet oder im Mediengeschäft, beim Billing mangelt es an Erfahrungen, Kenntnissen und dem nötigen Bewusstsein“, sagte Bernd Meidel, Geschäftsführer der Vogel Online GmbH. Es müsse deshalb bei Bezahlsystemen eine starke Vernetzung geben mit dem Ziel, das Produkt an den Kunden zu bringen – mit einfachen und verständlichen Rechnungen, ohne Unannehmlichkeiten. Khorshed äußerte sich dennoch optimistisch über die Entwicklungschancen des E-Commerce. „Hier entsteht eine der stärksten Handelsformen der Zukunft. Man sollte sich dabei auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und nicht seine Zeit mit Technologie- und Systemfragen verschwenden. Das können Billing-Dienstleister besser. Der Mehrwert für Kunden ist entscheidend“, so das Resümee von Khorshed. Ende der Meldung, die ich damals schrieb. Sie hat an Aktualität nichts eingebüßt, wie der Youtube-Film von Gutjahr belegt.

Netznavigator: Herder statt Schirrmacher


FAZ-Neurofeuilletonist Frank Schirrmacher versucht mittlerweile, seine Payback-Thesen etwas sachlicher ins Feld zu führen. So fordert er, dass die Informatiker aus den Nischen in die Mitte der Gesellschaft geholt werden müssen. Sie müssen die Scripts erklären, nach denen wir handeln und bewertet werden. „Was ist voraussagende Suche und was kann sie? Was ist ‚profiling‘? Wer liest uns, während wir lesen? Technologien sind neutral, es kommt darauf an, wie wir sie benutzen. Um das zu können, brauchen wir Dolmetscher aus der technologischen Intelligenz. In Amerika hat die Debatte mit der Computer-Intelligenz längst begonnen. Wir sollten schleunigst mittun“, fordert der Herausgeber der FAZ. Diese Forderungen sind allerdings schon längst Realität. Die Debatten werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr intensiv geführt, unter Beteiligung von hochqualifizierten Forschern für Informatik und Künstliche Intelligenz. Siehe auch: Der Geist in der Maschine: Über digitale Assistenzsysteme.

Auch freundet er sich mit dem Vorschlag des Chaos Computer Club an, jeden Bürger mit einer Art Pass über seine digitalen Profile aufzuklären. Das sei nicht paranoid, sondern ein Wesenskern digitaler Selbstbestimmung – auch für diejenigen, die nicht wollen, dass ihre Kinder als mathematische Profile auf Arbeitsplatzsuche gehen. „Aber das reicht nicht. Es ist an der Zeit, die digitale Revolution, die mehr ist als das Web 2.0, in ihrer ganzen Wucht zu erkennen. Enquete-Kommissionen genügen nicht, und in Zeiten des mobilen Netzes ist es eher komisch, Blogger wie Exoten als Fachleute für eine Welt anzuheuern, in der schon Hundertjährige wie selbstverständlich unterwegs sind. Jeder surft und kommuniziert heute im Netz. Wir sollten über die schimmernden Objekte nicht mehr staunen, sondern ihre Funktionsabläufe zum Allgemeinwissen machen“, so Schirrmacher. Aber was sollen wir mit den Neurothesen des Frankfurter Bildungsbürgers anfangen, die uns in der Regel in den Freitags- und Samstagsausgaben der FAZ um die Ohren gehauen werden. So geschehen wieder in einem Gastbeitrag des Times-Kolumnisten Ben Macintyre (Im Einbaum durchs Internet), wo ohne wissenschaftliche Befunde, ohne empirische Erhebungen, ohne neurowissenschaftliche Expertisen einfach behauptet wird, dass die Informationsflut des Netzes unser Gehirn angreift.

Die Informationsflut-Klage ist allerdings kein Phänomen des Internetzeitalters. Ähnliches spielte sich beispielsweise im 18. Jahrhundert ab:
„Das Ende des Universalgelehrten und die Entstehung des modernen Buchmarkts in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erzeugen die krisenhafte Erfahrung, einer unabsehbaren ‚Bücherflut‘ ausgesetzt zu sein. ‚Vielschreiberei‘ und ‚Lesewut‘ werden im ‚tintenkleksenden Säkulum‘ (Herder) als Nachtseite der Aufklärung daher breit diskutiert. Angesichts der nun vollends unübersehbar gewordenen Fülle von Informationen sind Überlegungen zur Navigation im Büchermeer, also Orientierungshilfen, nur folgerichtig – und die etwas hilflose Antwort auf diese Lage lautet damals wie heute im Regelfall ‚Kanonbildung‘ (das müsste Schirrmacher doch bekannt vorkommen, GS), also Auswahl ‚von oben‘ (ganz nach dem Geschmack der bildungsbürgerlichen Oberlehrer, GS), oder erschöpft sich in pädagogischen Anweisungen, was und wie man lesen soll“, schreiben Matthias Bickenbach und Harun Maye in ihrem vorzüglichen Buch „Metapher Internet – Literarische Bildung und Surfen“, erschienen im Kadmos-Verlag.

So warnt der Pädagoge J.M. Beseke 1786: „Das Feld der Lektüre ist heut zu Tage so groß, dass es manchem höchst gefährlich ist, wenn er glaubt, sich darin selbst zurecht finden zu können; vielmehr sollte er nie allein sich in die weite offene Gegend wagen, in welcher es höchst schlüpfrige Wege, neben unnützen, giebt, wovon jene zum Verderben, diese aber zu seinem Ziele führen.“ (Beseke: Über Lektüre zum Selbststudium, in: Deutsches Museum. Bd. 1, Leipzig, S. 360).

Den Ozean der Gelehrsamkeit bereiste Johann Gottfried Herder ohne moralisierenden Kanon, ohne hausmeisterliche Ratschläge und ohne kulturkritisches Gejammer. Das stellt Herder im „Journal meiner ersten Reise im Jahr 1769“ unter Beweis. „Wenn Francis Bacon der erste erklärte Entdecker auf dem Meer der Gelehrsamkeit war, so ist Johann Gottfried Herder der erste Surfer. Seine Datenreise durch die möglichen Adressen und Kombinationen zeigt ein Verhalten, das seitdem inmitten der ‚Informationsflut‘ zur notwendigen Kunst geworden ist“, so Bickenbach und Maye. Das Reisejournal könne als Protokoll einer imaginären Reise betrachtet werden. „Die Seiten sind fast ausschließlich mit geistigen Abenteuerfahrten, Projektaufrissen, gelehrten Listen und Materialsammlungen gefüllt. Ein Großteil des Textes besteht aus reinen Namenslisten, Autorennamen, die sämtlich im Plural geführt werden und die Herder einmal ansteuern will.“ Herder gleite über enorme Datenmassen, Themenkomplexe und Horizonte hinweg, die sich nur rhapsodisch und punktuell berühren lassen.

Er selbst wird zum Cursor, zum Läufer, der im virtuellen Raum der Gelehrtenbibliothek zwischen Texten durcheilt und in dieser schnellen Bewegung neue Querverbindungen schafft, die man so bisher noch nicht gelesen hat. Er wendet die Kulturtechnik der kursorischen Lektüre an. „Herder darf schnell werden, weil er nicht nur auf eine neue Form des Lesens rekurriert, sondern auch auf eine alte rhetorische und gelehrte Schreibtechnik. Es ist ein methodisches Verfahren, das ihm die Lizenz zum Flüchtigen gibt….Die gelehrte Lizenz, Materialmengen ‚aufs Geratewohl‘ zu durcheilen und die Frage der richtigen Ordnung zugunsten der größeren Nähe zum furor poeticus hintanzusetzen, ist sogar in einer eigenen literarischen Gattung Tradition (die sog. Sylvae oder Wälder)“, führen Bickenbach und Maye aus. Man schreibt nicht akademisch oder pedantisch genau, sondern aus dem Stegreif.

Für Herder war klar, dass eine Bibliothek, die zu stark auf die Ordnung des Wissens Einfluss nimmt, Innovationen erschwert oder unmöglich macht. Nichtwissen ist dabei eine notwendige Voraussetzung, um innovativ sein zu können. Kein Gelehrter könne das Universalarchiv noch einholen. Alles ist nicht zu lesen, zu kennen, zu wissen. Kanonische Wissensbestände sollten daher durch intelligente Suchroutinen ersetzt werden. Bildung unter hochtechnischen Bedingungen wäre demnach eine operative Kompetenz – im 18. Jahrhundert und auch heute! Klugheit im Umgang mit Informationsfluten empfahl auch Marshall McLuhan mit Verweis auf eine Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe.

Dem Matrosen in Poes Abhandlung über den „Sturz in den Malstrom“ bleibt nichts anderes übrig: Er nutzt die Strömung des Wirbels gegen ihre eigene Gewalt. Man muss mit der Geschwindigkeit gehen können, um danach erst an jenen Stellen langsam zu werden, wo es sich lohnt.

Karl Gottlob Schelle gibt in seinem Werk „Die Spatziergänge oder die Kunst spazieren zu gehen“ die Empfehlung, den „Spatziergang“ in „eigene Sphäre des Geistes und der Bildung zu ergeben (das Büchlein in der Fassung von 1802 gibt es in einem schmucken Nachdruck, angefertigt von Weihert-Druck in Darmstadt): „Die Aufgabe hierbey: geistige Thätigkeit mit körperlicher zu verbinden, ein bloß mechanisches Geschäft (des Gehens) zu einem geistigen zu erheben.“ Sein lustwandelnder Spaziergänger oder Flaneur, wie es Franz Hessel ausdrückte, trägt buchstäblich im Vorrübergehen unmerklich zu seiner Bildung bei, indem er ganz einfach seine „Geistesthätigkeit“ der Bewegung und diese dem Strom der ihn umgebenden Dinge anpassen: „Mit offener Empfänglichkeit muss der Geist die Eindrücke der in umgebenden Dinge mehr ruhig aufnehmen, als leidenschaftlich sich über etwas zu erhitzen, muss sich mit heiterer Besonnenheit ihrem Strom mehr willig überlassen, als mit zu stark zurückwirkender Selbstthätigkeit, in seine eigenen Ideen verloren, sich ihnen entziehn.“ Die Kunst spazieren zu gehen wie die Kunst zu surfen, so die Autoren Bickenbach und Harun Maye, besteht darin, sich trotz Selbsttätigkeit und Eigenregelung noch von dem Strom der Dinge angenehm durchrütteln zu lassen, damit der Geist empfänglich bleibt. Die eigenen Operationen sollten dem Rhythmus des Mediums angepasst werden. Die neuen Medien lassen offensichtlich werden, dass sich auch hinter den alten Medien (Schrift, Buchdruck, Literatur), hinter deren Maskeraden und Deckelhauben „Geist“, „Sinn“ oder „Bildung“, nur Techniken der Datenverarbeitung verbergen. Wir könnten uns wie die Detektive in den Romanen von Poe, Doyle oder Chandler verhalten. Wo immer komplexe und nicht durchschaubare Situationen auftreten, die uns als Datendetektive überfordern, tun wir etwas Erratisches, dass wir selbst nicht verstehen, was aber vor allem die „Gegenseite“ nicht versteht, so dass diese unbekannten oder undurchschaubaren Anderen zu Reaktionen verführt werden, die plötzlich ein Netzwerk, ein Verbindungssystem aufzeigen, das vorher nicht sichtbar war.

Debattendompteure wie Schirrmacher werden für die Netznavigation nicht gebraucht. Als Datendandy oder Surfpoet sollte jeder seine Lage selbst erkennen (frei nach Gottfried Benn), die neue Medienwelt desorganisieren, Normen und Standards ignorieren. Eine von ungelesenen Büchern übersäte Universalbibliothek ist wie der Datenkosmos des Internets. Die Standardfrage beim Betrachten voller Bücherregale ist immer die gleiche. Wie viele von diesen Büchern hast Du denn wirklich gelesen??? Der Schriftsteller Umberto Eco antwortet darauf: “Gelesene Bücher sind längst nicht so wertvoll wie ungelesene”. Eine Bibliothek sollte so viel von dem, was man nicht weiß, enthalten, wie der Besitzer angesichts seiner finanziellen Mittel hineinstellen kann. Auch er macht sich ab und an Gewissensbisse, weil er einige Bücher noch nicht gelesen hat und stößt dabei auf ein überraschendes Phänomen: Wir nehmen eines dieser vernachlässigten Werke zur Hand, blättern es durch und entdecken, dass wir schon fast alles kennen, was darin steht. Die Büchersammlung ist auch ein Depot für Zufallsfunde, für neue Gedanken und Ideen. Und selbst die Jagd nach Büchern wirkt anregend und erweitert den Horizont – siehe auch: Tagebuch der Bibliophilie.
Lassen wir uns durch den Datenstrom treiben, ohne Kanon, ohne Moralapostel, ohne kulturkritisches Geschwätz. Wir tun es anarchisch, ohne die Taktgeber in den Massenmedien. Wir organisieren uns selbst, Herr Schirrmacher.

Siehe auch:
Döpfner und die Niederlage der alteuropäischen Inhalteproduzenten – Warum wir keine Massenmedien mehr brauchen und die Umerziehung von Online-Nutzern anmaßend ist.

Schirrmacher und die Abwracker.

Sehr schön der Beitrag von Peter Glaser: „Wer einen Waldspaziergang macht, kann sich von den vielen Tannennadeln überfordert fühlen – oder sich erholen. Frank Schirrmachers Buch über die Gefahren des Informationszeitalters aktualisiert eine Klage, die schon die alten Ägypter kannten“.

Treffend auch die Aussagen von Peter Kruse, Psychologe mit dem Schwerpunkt Komplexitätsverarbeitung in intelligenten Netzwerken: „Betrachtet man das Internet als ein Netzwerk, in dem Menschen vergleichbar mit dem Phänomen der Sprache eine lebendige Kulturleistung hervorbringen, dann entspannt sich der geplagte Geist und das Gefühl der Überforderung nimmt ebenso schnell ab wie die Belastung durch empfundene persönliche Verantwortung. Das Internet ist nur eine Zumutung, wenn man versucht, es im Griff zu haben. Ansonsten ist es ein echter Turbolader für überindividuelle Prozesse. Auf einem Fernseher versucht man ja auch nicht, jeden einzelnen Bildpunkt zu analysieren. Im Internet geht es tatsächlich immer ‚ums Ganze‘.“

Sehr lesenswert der Beitrag von Thomas Knüwer: Wie Frank Schirrmacher sich seine Experten aufbläst.

David Gelernter: Das Web als Strom.

Blökende Call Center und erzürnte Verbraucher: „Kundendialog nach der ‚Act like lovers do‘-Strategie“

Immer wieder sind es wohl nur die Schwarzen Schafe der Call Center-Branche, die uns täglich mit unerlaubten Werbeanrufen auf den Senkel gehen. So trällern es zumindest die Verbandsvertreter seit Jahren leierkastenhaft herunter. Und sicherlich wird man auf der Call Center World in Berlin in gut einer Woche wieder narkotisiert mit perfekten Multi Channel-Prozessen, Best Practice-Gemurmel, Preisverleihungen für Call Center-Heldentaten, Power Point-Dünnbrettbohrer-Reden, Motivationsübungen sowie Qualitätsoffensiven mit Prüfsiegel, Ehrenkodex und allem Pipapo. Für den Hotline-Terror ist dort niemand verantwortlich. Das sind immer die anderen, die schwarzen Schafe halt. Auf der Fachmesse im Neuköllner Hotel Estrel laufen nur weiße Schafe umher und sind sich keiner Schuld bewusst.

Woher kommt nur die verbotene Telefonwerbung, gegen die die Bundesnetzagentur jetzt mit aller Macht vorgehen will und nach Abschluss der ersten Ermittlungsverfahren Bußgelder in Höhe von 500.000 Euro verhängt hat? Netzagentur-Präsident Peter Kurth will jedenfalls ein Signal gegen den fortlaufenden Rechtsbruch setzen. Seit dem 4. August vergangenen Jahres gelten in Deutschland Werbeanrufe ohne Einwilligung des Angerufenen und Werbeanrufe mit unterdrückter Rufnummer als Ordnungswidrigkeit. Eine durchschlagende Wirkung hatte die Novelle des Telekommunikationsgesetzes noch nicht

Die Beschwerden von rund 28.000 Verbrauchern, die sich bei der Bundesnetzagentur in nur sechs Monaten angehäuft haben, werden auf der Call Center World wohl keinen sehr großen Platz einnehmen. Dafür erfreut man die Teilnehmer mit so schönen Themen wie „Kundendialog nach der ‚Act like lovers do‘-Strategie“, diskutiert über intelligentes „Touchpoint Management“, sinniert über die Frage, ob Zertifizierung im Call Center ein Qualitätsmerkmal oder Marketing-Gag sei, tauscht sich über „Cultural awareness in a global business“ aus, bastelt an integrierten „Skill-basierten Multi Channel-Ansätzen“, philosophiert über den „Paradigmenwechsel vom Opt-Out zum Opt-In“, sucht Erlösung in dem „Erfolgsfaktor Mut“ und erkundet den Mythos „Workforce Management“. Noch Fragen, lieber Call Center-Kunde?

Wie man sich als Verbraucher gegen Call Center-Terror wehren kann, erläuterte ich in dem NeueNachricht-Bericht. Eure Meinung und Call Center-Erfahrungen interessieren mich.

Nach der iPad-Party startet das iPad-Bashing

Kaum hat Steve Jobs nach der Präsentation des iPads die Bühne verlassen, melden sich Analysten und Branchenexperten zu Wort, die das Wundergerät zerpflücken oder in den Himmel heben. Das ist auch bei der Einführung des Ipods und des iPhones so gewesen. Torpedos schießen vor allen Dingen Telco-Manager ab, die den Nutzen für Geschäftsanwendungen bezweifeln. Apple wollte vermeiden, mit dem iPad das eigene Geschäft mit iPhone und MacBook zu kannibalisieren. Das iPad sei weder ein Ersatz für ein Notebook noch ein Ersatz für ein Smartphone, sondern das „dritte Gerät“. Schleppt man auf Reisen drei Geräte mit drei Netzteilen herum, die alle auch noch eine Überlappung der Funktionalität haben? Eher nein, sagen Kritiker. Könne das iPad als „Muttergerät“ für andere digitale Geräte wie etwa Kameras oder auch Smartphones dienen? Nein, keine USB-Schnittstelle. Auch das Betriebssystem sei dafür nicht geeignet, da wäre eine Lite-Version des Mac OS-X besser.

Im Moment nicht zu beantworten sei nach Auffassung von Branchenexperten die Frage, wie performant die Hardware ist. Vermutlich, bei 10 Stunden Akku-Laufzeit, sei der 1 GHz Prozessor eher mit dem Snapdragon für Smartphones zu vergleichen, nicht aber mit dem Intel Atom. Deswegen wird vermutet, dass Apple eine Extra-Grafikeinheit integriert, die für Video optimiert ist. Da werde aber die allgemeine Rechenleistung deutlich hinter einem Intel Atom bestückten Notebook zurückbleiben. Also reiche die Leistung für die Ablösung eines Notebooks nicht aus.

Ein cooler und gewagter Wurf wäre es, mit dem iPad unter Einbeziehung von Cloud Computing das Notebook ganz zu ersetzen. Dazu müssten die Performance/Schnittstellen des Gerätes stimmen, und dann würde jeder Käufer automatisch „seinen Webspace“ bekommen, auf dem man seine Daten zentral speichern kann. Videobearbeitung oder andere rechenintensive Anwendungen könnten etwa von Servern abgearbeitet werden, das Frontend wäre dann nur ein Client. Das wäre aber ein wesentlich weitergehender Wurf als das, was Apple jetzt vorgestellt hat: das sei nur ein größer skalierter iPod Touch. Richtig gemacht – gut und langfristig aufgesetzt – könnte es wirklich ein Paradigmenwechsel sein, ein Gerät wie das iPad wäre nur der Client im Cloud Computing. Und die Cloud würde dem Anwender alle Probleme abnehmen, was Speicherpaltz, Rechenleistung, Sicherung und Datenkonvertierung/-weiterbearbeitung angeht. Geht aber nur standardisierten Schnittstellen und Prozessen, damit beim Wechsel des Endgerätes alles innerhalb der Cloud weiter verfügbar ist.

Soweit die Einwände. Eure Meinung würde mich zu diesen Punkten interessieren.

Entscheidend für den iPad-Erfolg werden wohl eher Content und Apps sein, Siehe auch: Was die Apple-Wundermaschine können sollte.
Anwenderberichte werden dann zeigen, was das Gerät wirklich drauf hat und welche nützlichen Programme, Spiele, News und sonstige Dinge über iTunes abrufbar sein werden. Hier ist Apple immer noch das Maß aller Dinge!

Siehe auch:
First Impressions of the New Apple iPad.

Memo to Apple: You Might Want to Dispatch an iPad Team to Stanford U ASAP!

Ipad – Coffeetable-Gagdet und iKlickhuren.

Jetzt rede ich! Das iPad antwortet seinen Kritikern.

Wenn Träume platzen: Das Apple iPad.

Finanzieren iPhone-Besitzer die iPad-Nutzer?

Kannibalisiert das Apple iPad den Netbooks-Markt?

iPad, iPad, iPad: Kleine Schnipsel des Livestreams

Auf die Schnelle zwei kleine Schnipsel eines Livestreams von der Steve Jobs-Show. Ist wohl mit einem iPhone aufgenommen worden. Durch das Scheinwerferlicht ist kaum was zu sehen. Aber der Ton ist ganz o.k.

Bei der Namensnennung lag ich mit meinem Tipp richtig und habe nun wohl ein Buch gewonnen, oder Richard Gutjahr? Siehe auch die Kommentare des Gutjahr-Blogs.


Der Liveticker von Mactechnews hat die Präsentation sehr gut dokumentiert.

Und schon das erste Werbevideo.

Dann noch alle wichtigen Produktinfos.

Navi-Hersteller verlieren die Orientierung

In der vergangenen Woche wurde die nächste Entwicklungsphase der so genannten „Location-based Services“ eingeläutet, indem Nokia verkündete, dass die dritte Version von Ovi Maps in über 70 Ländern kostenlos zur Verfügung stehen wird. Ab März sollen alle Nokia-Smartphones mit GPS-Modul standardmäßig mit dem Navigationsservice ausgestattet sein. Bereits heute steht die Software für zehn Endgeräte zum Download zur Verfügung. Entsprechend hart werden die Auswirkungen für die Hersteller von reinen Navigationsgeräten sein: Der TomTom-Aktienkurs brach am Tag der Nokia-Verlautbarung um mehr als 14 Prozent ein und auch andere spezialisierte Firmen dürften mittelfristig unter Druck geraten. „Navigation wird in Zukunft zu einer kostenlosen Massenanwendung mit hoher Verweildauer der Endkunden und hoher Werberelevanz. So beinhaltet Ovi Maps detailliertes Kartenmaterial mit Navigationsfunktionen und Zusatzinformationen für Fußgänger und Autofahrer sowie neuerdings eine Vorab-Synchronisationsfunktion, die ein Navigieren auch ohne Internetverbindung in abgelegenen Regionen ermöglicht, sofern die Route vorher abgespeichert wurde“, so Björn Behrendt, Geschäftsführer der Service Community.

Hier geht es zu kompletten NeueNachricht-Meldung.

Was die Apple-Wundermaschine können sollte

FAZ-Redakteur Marco Dettweiler hat sehr anschaulich zusammen gefasst, was man von der neuen Apple-Wundermaschine iPad (oder wie immer das Ding dann heißen wird) erwarten kann.

Steve Jobs „one last thing“ könnte ein Computer sein, der sich mit geschmeidiger und glänzender Erscheinung aufdrängt, um mit aufs Sofa, ins Bett, in den Zug oder in Konferenzen mitgenommen zu werden. Das Gerät wäre dann immer da, wo man ihn braucht: „Auf dem Sofa werden die E-Mails gecheckt, im Bett wird ein Film geschaut, im Zug werden Präsentationen verfeinert oder Spiele gezockt, in der Gesprächsrunde wird der fehlende Partner per Videokonferenz zugeschaltet“. Sicherlich gibt es das in irgendwelchen anderen technischen Geräten schon. Entscheidend wird die Mischung verschiedener Anwendungen sein:

„Klar, es gibt Notebooks, mit denen man mailen, surfen, videochatten und Filme schauen kann. Und ja, es gibt bereits Smartphones, mit denen die Besitzer die meisten Computeranwendungen ausführen können. Doch beide Gattungen haben Schwächen und Stärken. Die komfortable Größe des Notebooks wird zur Schwäche, wenn es handlich zugehen soll. Die Handlichkeit des iPhones wiederum wird zum Nachteil, wenn man ausgiebig surfen oder längere Mails schreiben will. Eines brauchen alle diese Produkte überdies in jedem Fall: entweder ein Wlan-Netz oder eine UMTS-Verbindung. Vielleicht versucht Apple mit seiner neuesten Innovation die Stärken mehrerer Produktgattungen zu vereinen“, so Dettweiler. Doch das allein würde noch nicht ausreichen, um die hochgelegte Latte zu überspringen. „Jobs muss deshalb Features präsentieren, die man so nicht kennt. Ein verbessertes Multi-Touch-Display etwa, das weit mehr Fingergesten akzeptiert als die bisher bekannten wie Blättern, Auswählen oder Zoomen. Dazu müsste Apple seine Software – vielleicht die vom iPhone – anpassen. Malen auf dem Display müsste genauso einfach von der Hand gehen wie auf einem Blatt Papier. Die Bewegung von Icons müsste leichter zu bewerkstelligen sein als mit der Maus. Auch spezielle Spiele sind vorstellbar, die auf dem iPod Touch oder auf einer mobilen Playstation an den Grenzen des kleinen Displays scheitern“, meint der FAZ-Redakteur.

In Kombination mit iTunes werden wir da sicherlich wieder sehr nützliche und smarte Programme bekommen. Entscheidend sind letztlich die vielen nützlichen Apps, die uns den Tag versüßen. Mittwochabend sind wir schlauer.

Nun bestätigt auch Vodafone die Wiederbelebung von o.tel.o – Ein 9 Cent-Produkt

Vodafone bringt nach eigenen Angaben ab Februar 2010 das neue Produkt „o.tel.o prepaid“ auf den Markt. In diesem Tarif kosten Telefonate in alle deutschen Netze und in das Festnetz von über 30 Ländern 9 Cent pro Minute. „Damit ist das neue Angebot insbesondere auch für Kunden attraktiv, die Verwandte und Bekannte in Ländern wie Türkei, Griechenland, Italien, Kroatien, Russland und Ukraine haben (‚Ethno-Tarif‘), so Vodafone.

SMS in alle deutschen Netze sollen ebenfalls 9 Cent kosten und auch für mobiles Surfen über den Zugangspunkt data.otelo.de werden 9 Cent pro Minute berechnet. „o.tel.o prepaid kennt keine Grundgebühr und keine Vertragsbindung“. Das ist ja eine echte Überraschung bei Prepaid-Produkten. Gespräche zur Kundenhotline schlagen allerdings mit 49 Cent pro Minute zu Buche. Das Angebot unter der Marke o.tel.o werde über die Massenkanäle Online, Fachhandel sowie Partnerunternehmen/Service Provider (Debitel, Mobilcom, The Phone House, Drillisch) vermarktet, nicht jedoch in den 1.600 eigenen Filialen inklusive der Partneragenturen. „Mit dem neuen Prepaid-Produkt soll der Discountermarkt (‚No-Frill-Segment‘) bedient werden. Die größten Wettbewerber hier sind Discounter wie Simyo, Fonic, ALDI, klarmobil, Congstar und blau.de. Vodafone ist in diesem Segment bislang ausschließlich über Wholesale-Partner wie Edeka mobil, Schlecker Mobil und BILDmobil vertreten – und ab Februar auch über eine eigene Marke“, so Vodafone. Das ist ja eine Blitzaktion, nachdem schon über Jahre die Konkurrenz entsprechende Dienste platziert hat.

„Die Rechte an o.telo hält Vodafone seit April 1999. Damals übernahm die Vodafone-Tochter Arcor für 1,15 Mrd. Euro seinen Festnetz-Konkurrenten o.tel.o von den Vorbesitzern RWE und Veba. o.tel.o war zu diesem Zeitpunkt mit über einer Million Pre-Selection-Kunden der erfolgreichste private Festnetzanbieter in Deutschland. Zusätzlich hatte die Tochtergesellschaft germany.net bereits 600.000 Onlinekunden. Die Marke o.tel.o wurde durch Arcor noch bis November 2001 weitergeführt“. Fraglich ist dann, warum o.tel.o verkloppt wurde? Aber das habe ich ja schon im Detail ausgeführt. Siehe unten.

Eine Wiederbelebung erfuhr o.tel.o im Dezember 2006, da nun Vodafone unter diesem Namen einen Onlineshop für Handys zum Normalpreis (ohne Subventionierung) betrieb. Jetzt erfolge also die Wiederbelebung der Marke für das neue Prepaidprodukt.

Mit dem teuer bezahlten Markenkern von o.tel.o hat das Ganz allerdings nicht mehr viel zu tun.

Meine ausführliche Analyse zur „Wiederauferstehung“ findet Ihr hier. Bleibt noch eine Frage zu klären. Was macht man denn mit der Rotschopfmarke Arcor????

Am 27. Januar ist Weihnachten!

Am Mittwoch, den 27. Januar ist Weihnachten. Um 19 Uhr mitteleuropäischer Zeit startet die Pressekonferenz von Apple und alle warten auf die Überraschungen, die der Steve Jobs-Konzern präsentieren wird. Auf der Website von Macwelt kann man das Spektakel live verfolgen.

Hier geht es zur Story auf NeueNachricht: Lasset die Apple-Festwochen beginnen – Die neuen Großtaten des Steve Jobs.

o.tel.o: Das Kind reicher Eltern wird eine Billigmarke im Mobilfunk

Heike Scholz von Mobile Zeitgeist erinnert an ein Unternehmen (kein Mobilfunkunternehmen, sondern eine Firma, die der Telekom im Festnetz Kunden abjagen sollte), das 1999 aufgelöst wurde und nun als Billigmarke von Vodafone wieder aufersteht, o.tel.o. 1997 aus der Vebacom und RWE Telliance entstanden, wurde o.tel.o 1999 für 1,15 Mrd. Euro von Arcor übernommen.

„Zu diesem Zeitpunkt war o.tel.o mit mehr als einer Million Pre-Selection-Kunden der erfolgreichste private Anbieter. Aus dieser Zeit besitze ich sogar noch einen formschönen Schlüsselanhänger, der gleichzeitig auch Flaschenöffner ist“, schreibt Scholz.

Vodafone werde nun unter dem Markennamen o.tel.o einen Mobilfunk-Discounter starten. Mit einem Einheitstarif von neun Cent pro Minute ins Festnetz von 32 Ländern und in alle Mobilfunknetze und nur über das Internet vermarktet, will Friedrich Joussen nach drei Geschäftsjahren in Folge, in denen die Umsätze zurück gingen, den Negativtrend stoppen: „Und diese Ankündigung bringt mich dann zum zweiten Blick zurück. Im Dezember 2007 hatte ich schon einmal auf die sich stark ändernden Sichtweisen von Joussen, dem Chef von Vodafone in Deutschland, hin gewiesen“, so die Mobile Zeitgeist-Autorin. Damals konnte sie Joussen auf die Frage, ob Vodafone eine Billigmarke etablieren würde, zitieren:

„Unsere Marke steht glasklar. Wir machen so etwas nicht. Wir haben eine hervorragende Qualität, wir sind Spitze in Service, Technik und Innovation.” Die Preise von Vodafone seien wettbewerbsfähig. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken.” Auch den Zehn-Cent-Tarif des Konkurrenten E-Plus hält der Vodafone-Chef nicht für erfolgversprechend. „Wenn Sie kein gutes Netz und keinen guten Service bieten, dann müssen Sie mit dem Preis spielen”, sagte Joussen. “Das ist die Strategie, die E-Plus fährt, das ist nicht Vodafone. Ich glaube auch, sie werden mit ihrem Zehn-Cent-Tarif nicht erfolgreich Kunden aus dem Festnetz abwerben.” Dafür sei der Tarif einfach viel zu teuer. “Für Mobilfunk ist das ein ordentliches Angebot, für das Festnetz aber völlig ungeeignet.”

„Drei Jahre später dann also doch die Billigmarke von Vodafone. Gut, hinterher ist man immer schlauer, aber schon vor drei Jahren war es abzusehen, dass immer mehr Menschen auf einen Festnetzanschluss verzichten werden und nur noch mobil telefonieren werden“, kommentiert Scholz.

Aber das sind nicht die einzigen Wirrnisse in der Geschichte von o.tel.o. Nach der Übernahme durch Arcor wurde die orangefarbene Marke nicht aufgelöst. Den Top 80-Führungskräften von o.tel.o wurde vom damaligen Arcor-Chef Harald Stöber verkündet, dass man eine Zwei-Marken-Strategie fahren wolle, um die Gemüter in der Firmenzentrale am Düsseldorfer Albertusbogen zu beruhigen. Kein einziger Manager glaubte diesen Schwur kurz nach Ostern und wertete das eher als Aprilscherz. Denn arcor und o.tel.o waren identisch als Spiegelbild der Telekom konzipiert worden. So waren alle Funktionen doppelt besetzt. Mit den rund 3.500 Mitarbeitern konnte arcor nichts anfangen. Die Marke o.tel.o existierte noch bis zum Sommer 2001 – allerdings nicht im Mobilfunk! Sie war damals sogar populärer als die Rotköpfe von Arcor. Ende August 2001 verkündete dann Arcor das Ende der Marke und sorgte direkt für einen Eklat.

Auf einer Pressekonferenz in Köln (auf der ich zugegen war und den Kölner Teil des Tagesspiegel-Artikels beisteuerte) erklärte Klaus Thiemann, damals Vorstand Privatkunden von Arcor, den überraschten Journalisten, dass man nicht nur die Marke o.tel.o vom Markt nehmen wolle, sondern auch den Sponsorenvertrag mit Hertha BSC kurzfristig kündigen werde. „Wir wollen aus dem Vertrag mit Hertha kurzfristig aussteigen.“ Zur selben Zeit gab Harald Stöber auf einer Pressekonferenz bei der Internationalen Funkausstellung in Berlin bekannt: „Wir stehen auch weiterhin zu Hertha.“ Was nun? Kein Wunder, dass der frühere Hertha-Manager Dieter Hoeneß, von „Irritationen“ sprach. Die würden aber schnell beseitigt werden. Zur Begründung für den angeblich beabsichtigten Ausstieg des Telekommunikationsunternehmens gab Thiemann in Köln an, die Trikotwerbung passe nicht mehr ins Konzept, weil Arcor „mittlerweile eine Markenbekanntheit von 70 Prozent hat“. Und weiter: „Wir wollen die Arcor-Gruppe stärker mit Produktinhalten aufladen. Deshalb werden wir versuchen, kurzfristig aus dem laufenden Vertrag mit Hertha rauszukommen.“ Der Vertrag ist bis Mitte 2003 befristet. Nach Ansicht Thiemanns sei es „kein Problem“, aus dem Kontrakt rauszukommen, weil bei dem „hervorragenden Ansehen des Vereins genügend alternative Sponsoren auf der Matte stehen“.

Eingeweihte Kreise glauben zu wissen, dass Thiemann wegen seiner Äußerung in Köln erhebliche Schwierigkeiten bei dem Unternehmen bekommen hat. Sie haben die Vermutung, er habe die Absicht der Telefonmarke richtig wiedergegeben, sei aber ohne Absprache mit dem Gesamtvorstand vorgeprescht.

Stöber betonte dagegen in Berlin, Hertha brauche sich keinen neuen Sponsor zu suchen. Es habe zwar noch keine offiziellen Gespräche mit dem Verein gegeben, man wolle aber eine einvernehmliche Lösung finden. Auf derselben Linie befand sich Dieter Hoeneß. „Das Vertragsverhältnis wird fortgesetzt. Es bedarf aber noch einiger Gespräche.“

Im Endergebnis landete dann der Schriftzug Arcor auf den Hertha-Trikots und verursachte für den Sponsor wohl sogar noch Zusatzkosten. Denn der Name o.tel.o prangte nicht nur nicht nur auf den Trikots, sondern auch auf den Trainingsanzügen, den Banden im Stadion, auf den Pressemappen und anderswo. Die Geschichte von o.tel.o geht nun also weiter. Schon der Start war spannend. So nutzten vor allen Dingen Unternehmensberater die Goldgräberstimmung in der Telefonbranche für waghalsige Empfehlungen, ausgelöst durch die Liberalisierungsoffensive der Europäischen Union.

Die großen deutschen Industriekonzerne beauftragten in dieser Zeit die führenden Beratungsunternehmen, um massiv in den Markt für Telekommunikation einzusteigen. Roland Berger & Partner für RWE (später o.tel.o), Eutelis Consult für CNI (später Arcor) und Booz Allen & Hamilton für Vebacom (später o.tel.o).Vor allen Dingen o.tel.o sollte nach den Vorstellungen der Berater als verkleinerte Kopie der Deutschen Telekom etabliert werden. Die Geschäftspläne und die Infrastruktur waren exakt nach dem Muster des Ex-Monopolisten konzipiert. Rund 3,5 Milliarden Euro wurden in das Telefonnetz investiert.

Über 10.000 Mitarbeiter wollte o.tel.o innerhalb weniger Jahre rekrutieren. Gestützt wurde die Gigantomanie der Berater mit der Fixierung des Geschäftes auf Telefonminuten bei nationalen und internationalen Ferngesprächen. o.tel.o setzte dabei alles auf das eigene hochmoderne und teure Glasfasernetz, versuchte im Gegensatz zu Mobilcom mit Kunden feste Verträge abzuschließen (Preselection). Die Prognosen der Berater und die Naivität der Energiekonzerne in einer fremden Branche erwiesen sich als tickende Zeitbombe. Die schlauen Berater rechneten in den ersten Jahren mit einem gemäßigten Preisverfall der Telefontarife und kalkulierten mit sehr viel höheren Erlösen pro Gesprächsminute. Nach den windelweichen Voraussagen wurden deshalb alle Investitionen in die Sprachvermittlungstechnik und die Infrastruktur gesteckt. Der schon ab 1995 sichtbare Boom des Internets wurde von den Beratern vollkommen ignoriert.

Da der Preisverfall 1998 im Telefonmarkt schon zu Jahresende die angenommen Marktpreise für 2000/2001 erreichte, platzten sämtliche Geschäftspläne wie Seifenblasen und o.tel.o wurde vom Markt gefegt. Tausende Arbeitsplätze gingen den Bach hinunter, den Beratern passierte nichts. Als Schlussakt servierte eine eigentlich zur Rettung des TK-Unternehmens engagierte britische Unternehmensberatung die Gründe für den Absturz: o.tel.o war ein Kinder reicher Eltern (Stromkonzerne) und wurde wohl nie richtig erwachsen.

Es wäre interessant zu erfahren, ob es wieder Berater waren, die auf die Idee einer Mobilfunk-Billigmarke kamen. Zum Image von o.tel.o passt das nicht, liebe Vodafonisten.